das Waldumbauprojekt der Grünen Liga Osterzgebirge 2022
„Beginnend mit dem Jahr 2018 hat sich der Waldzustand im Freistaat Sachsen kritisch entwickelt, mit der Folge von zum Teil großflächigen Störungen. … Nach Auswertung der Daten ist für das aktuelle Erhebungsjahr 2022 eine erneute Verschlechterung des Kronenzustandes festzustellen. Einzelne Beobachtungsparameter verbleiben nicht nur auf sehr hohem Niveau, sondern nehmen neue Allzeithöchststände an. Insgesamt bildet dieser Prozess die Auswirkungen der trockenen und warmen Witterung seit dem Jahr 2018 ab. Das deutliche Niederschlagsdefizit ab März 2022 führte auf vielen Standorten während der folgenden Vegetationsperiode zur Austrocknung des Waldbodens bis in große Tiefen und verstärkte den Vitalitätsverlust der Waldbäume.“
(Waldzustandsbericht Sachsen 2022)
Den Erzgebirgswäldern ist der beginnende Klimawandel inzwischen deutlich anzusehen. Wie zu erwarten war: am heftigsten betroffen sind naturferne Fichtenforsten im Hügel- und unteren Bergland. Der „Brotbaum der Forstwirtschaft“ konnte unterhalb 700-800 Metern Höhenlage seit jeher nur mit beträchtlichen natürlichen Risiken gemästet werden. Aber auch fast alle anderen heimischen und ebenso die meisten exotischen Baumarten kriegen Probleme, wenn die Niederschläge abnehmen, die Verdunstung hingegen stark zunimmt. Zumal die Problemlage ja weitaus komplexer ist, als gemeinhin angenommen wird: Trotz immer früherem Frühlingsbeginn können Spätfröste nach wie vor bis in den Mai hinein auftreten. Einseitige Stickstoffüberfrachtung infolge von Ausdünstungen der Agrarindustrie und der Automobilgesellschaft machen die Pflanzen besonders anfällig. Die Globalisierung beschert auch den Bäumen immer neue Krankheitserreger und „Schädlinge“.
Welche Baumarten unter den sich rapide verändernden Bedingungen klarkommen werden, wie der „Wald der Zukunft“ aussehen wird – seriöse Szenarien lassen sich da kaum noch entwerfen. Was also tun?
Zum einen ist es natürlich geboten, auf ausreichend großen und repräsentativen Waldflächen zu beobachten, wie sich die Natur auch ohne Försterzutun entwickelt. (Was durchaus auch unliebsame Konsequenzen mit sich bringen kann, wie zum Beispiel Waldbrände im Elbsandsteingebirge – aber auch so ein radikaler Neuanfang kann ja lehrreich sein.)
Für die bewirtschafteten Wälder hingegen muss gelten: die maximale, standörtlich mögliche natürliche Baumartenvielfalt ausschöpfen!
Im Hinblick auf den Klimawandel mit höheren Durchschnittstemperaturen bei gleichzeitig immer heftigeren Witterungsextremen lohnt es sich darüber hinaus, den Blick nach Südost-Europa zu richten. Möglicherweise können Zerr-Eiche und Esskatanie, Rumelische Strobe und Schwarz-Kiefer, Baum-Hasel und Speierling in Zukunft noch mit klimatischen Bedingungen klarkommen, die unsere bisherigen Mitteleuropäer überfordern. Und im Unterschied zu Exoten aus Nordamerika oder Ostasien: möglicherweise würden die an solche Wälder angepassten Pflanzen, Pilze und Tiere mit nordwärts wandern können.
Die Grüne Liga Osterzgebirge und der Wald auf der Sachsenhöhe
Bereits in den 1990er Jahren begann im sächsischen Staatsforst ein ambitioniertes Waldumbauprogramm. In enger Anlehnung an die sogenannte „potentielle natürliche Vegetation“ beschränkte sich dieser Umbau jedoch allzuoft auf Weiß-Tanne (wobei das sächsische Weißtannenprogramm auf alle Fälle als sehr erfolgreich anzusehen ist!) und Rot-Buche.
Buchenmonokulturen unter Fichtenmonokulturen – das würde wohl kaum den heraufziehenden Herausforderungen gerecht werden, meinte damals die Grüne Liga Osterzgebirge. Der Verein gehörte in den 1990ern zu den treibenden Kräften hinter den Bürgerinitiativen gegen das „Waldsterben“ und hatte sich schon damals recht intensiv mit Waldthemen befasst.
2001 begann die Grüne Liga Osterzgebirge dann mit einem eigenen Waldumbauvorhaben auf der Sachsenhöhe (damals Bärensteiner Stadtwald). Auf am Ende dann ca. 4 Hektar wurden Trauben-Eichen, Buchen, Weiß-Tannen, Ebereschen, Winter-Linden, Eschen, Berg-Ulmen, Berg-Ahorne sowie einzelne Vogel-Kirschen und Wild-Äpfel in den Schotterboden des alten Bergbaureviers („Oberscharer Gebirge“) gesetzt. Viele fleißige freiwillige Helfer haben hier alljährlich beim Bäumchenpflanz-Wochenende mitgewirkt!
Nicht alle Erfahrungen, die wir dabei sammeln durften, waren erfreulich. Vor allem nach der vom zuständigen Förster veranlassten Auflichtung des Fichten-Oberstandes gab es immer wieder neue Sturmwürfe, die die Wildschutzzäune beschädigten und den Rehen Zugang zu den leckeren Knospen ermöglichten. Am Ende war es nicht mehr möglich, die Zäune zu flicken. Die Grüne Liga Osterzgebirge erklärte 2018 ihre Waldarbeit auf der Sachsenhöhe für abgeschlossen.
Nichtsdestotrotz: das Waldumbauprojekt auf der Sachsenhöhe hat sich gelohnt! Die meisten Bäume wachsen wunderbar heran.
So ganz abgeschlossen ist das Sachsenhöhenprojekt für die Grüne Liga Osterzgebirge aber doch noch nicht. Unbedingt noch abgebaut und beräumt werden müssen die alten Wildschutzzäune. Offiziell zuständig ist dafür zwar jetzt Sachsenforst, aber moralisch sollte sich da unser Verein durchaus noch in der Pflicht sehen. Mit Sicherheit wird das eine mächtig mühselige Aktion, deshalb hoffen wir sehr auf zahlreiche tatkräftige Unterstützung beim:
Orchideen-bestaun‘-und-Wildzaun-abbau’n-Wochenende, vom 2. bis 4. Juni 2023!
Neues Projekt für neue Bäume – im Bärensteiner Bielatal
Das Waldumbauprojekt Sachsenhöhe also ist (fast) abgeschlossen, doch das Bäumchenpflanz-Wochenende gehört seither als fester Bestandteil in den Grüne-Liga-Aktionskalender. Und so waren wir auf der Suche nach einem geeigneten neuen Waldumbauobjekt – und wurden 2020/21 fündig. Zwischen Bielatal und Bärenstein – sowie zwischen zwei Waldhängen namens „Hiekenbusch“ und „Ziegenhals“ – befindet sich eine mehrere Hektar große Grünlandaufforstung. Anfang der 1990er hatte hier jemand eine teilweise eigentlich recht artenreiche Wiese (sogar noch mit ein paar Exemplaren Stattlichem Knabenkraut!) zugepflanzt, ohne Genehmigung, mit Fichten, Reihe neben Reihe, dicht an dicht. Muss ein enormer Aufwand gewesen sein! Doch so dicht an dicht, wie sie gepflanzt waren, wuchsen die Fichten auch heran, drängten sich nach oben, machten sich gegenseitig den Platz streitig, Raum für etwas anderes als Fichte blieb dabei über weite Strecken nicht. Eine Durchforstung fand all die Jahre nicht statt. Dann kam die Dürrephase 2018/19, und mit ihr der Kupferstecher. Ein beträchtlicher Teil der Fichten ist jetzt wieder weg.
Bei einem eher zufälligen Gespräch mit dem (neuen) Eigentümer der Fläche entwickelte die Idee eines Waldumbaus als Gemeinschaftsaktion mit der Grünen Liga Osterzgebirge und weiteren Unterstützern aus der Gegend. Neben einigen ersten praktischen Arbeitseinsätzen (v.a. Flächenberäumung) entstand 2021 ein Planungsentwurf für die nächsten Jahre. Auf dessen Basis ging dann recht zügig zur Sache:
– April 2021: Flächenberäumung und Schafwoll-Verbissschutz beim Bäumchenpflanz-Wochenende
– Dezember 2021: „Bäumchenschmücken“ mit der Madagaskar-AG sowie der Grundschul-AG „Junge Tierfreunde“ – Schafwolle als Verbissschutz an Naturverjüngung (Flächen A, B, J)
– Februar/März 2022: Fördermittelbeantragung durch den Waldeigentümer mit Unterstützung durch Sachsenforst-Mitarbeiterinnen
– März/April: Beschaffung von Pflanzmaterial durch den Waldeigentümer mit Unterstützung durch die Forstbetriebsgemeinschaft Freiberger Land – Erzgebirge
– April: Pflanzung von 500 Trauben-Eichen, 300 Berg-Ahornen, 100 Hainbuchen, 50 Ebereschen und 50 Vogel-Kirschen (Fläche J); 200 Weiß-Tannen und 200 Hainbuchen (Fläche I) sowie 50 Esskastanien an der Steinrückenböschung oberhalb der Flächen H-J-K; dazu zwei größere Aktionen:
Pflanzeinsatz mit Jugendlichen der Madagaskar-AG und des Grüne-Liga-Jugendprojekts + Bäumchenpflanz-Wochenende mit freiwilligen Helfern
– April/Mai: Aufbau eines Wildschutzzauns durch die Familie des Waldeigentümers um die Flächen J, teilw. I und teilw. H; Markierung der gepflanzten Bäume mit Bambus-Stäben
– Juni: erster Durchgang Kulturpflege – Freistellen der gepflanzten Bäume (Fläche J) und der Naturverjüngung (B), durch Unterstützer der Grünen Liga Osterzgebirge sowie im Rahmen eines Jugend-Workcamps, mit Motorsense und Handsicheln
– Juli: zweiter Durchgang Kulturpflege während des Heulagers
– Juli/August: drei größere Gieß-Aktionen der auf der Fläche J gepflanzten Bäume, der Waldeigentümer hat dazu ein 1000-Liter-Faß am oberen Flächenrand bereitgestellt;
– September: dritter Durchgang Kulturpflege mit den Teilnehmern der slowakisch-tschechisch-deutschen Naturschutz-Exkursionswoche
– November/Dezember: abermals „Bäumchenschmücken“ der Naturverjüngung auf den Flächen A (im Rahmen eines Volkshochschul-Seminars „Erzgebirgswald im Klimawandel“) und B (Schüler der Madagaskar-AG und der Jungen Tierfreunde)
Die nächste Aktion …
… wird vom 21. bis 23. April das alljährliche Bäumchenpflanz-Wochenende sein. Vorausgesetzt, dass sich das nötige Pflanzmaterial beschaffen lässt (leider aktuell keine einfache Aufgabe!), sollen dann auf der teilweise bereits eingezäunten Fläche H Winterlinden und Weißtannen gepflanzt werden. Dazu werden wieder viele fleißige freiwillige Helfer willkommen sein. Also: bitte schon mal den Termin vormerken!