Natur im Osterzgebirge

Baum des Monats: der große alte Berg-Ahorn in Schellerhau

Das hätte der

Baum des Monats

werden sollen:

der große alte Berg-Ahorn in Schellerhau

„Inzwischen hat es auch mich erwischt. Voriges Jahr musste bereits mein bester Freund Dieter diese Welt verlassen.

Baumzeichnung geklaut bei: Dietrich Papsch (2011), Mein Freund, der Baum. blaetterwelt Verlag

2009 noch hatten er und seine Frau Chris mir das Leben gerettet. Damals bekam Schellerhau eine breite neue Straße – und opferte dafür eine der schönsten Dorfalleen im Ost-Erzgebirge. 120 wohlgeformte, würdevoll-betagte, doch noch weitgehend vitale Eschen und Ahorne mussten dem Asphalt weichen. Den meisten Schellerhauern schien es egal zu sein, oder auch ganz gelegen zu kommen. Noch lange konnte man die Eschen und Ahorne als Brennholzstapel in den Höfen sehen.  Ich war damals, wie gesagt, einer von nur ganz wenigen Überlebenden des Kettensägenmassakers, weil sich Chris und Dieter schützend vor mich gestellt hatten.

Mit richtigem Namen hieß mein bester Freund Dietrich Papsch. Er war Umweltaktivist, Solar-Pionier, Buchautor, er setzte sich für Kinderrechte und Flüchtlingsintegration ein. Und er zeichnete – mit besonderer Leidenschaft alte Bäume wie mich. Mein Bild und meine Geschichte findet ihr in seinem Buch „Mein Freund, der Baum. Gesichter und Geschichten. Eine Liebeserklärung an alte Bäume.“ (2011 blaetterhaus Verlag).  Oder aber auch im Grünen Blätt’l von Januar 2009: http://osterzgebirge.org/wp-content/uploads/2018/11/2009_01-gruenesblaettl-anders.pdf.

2023 verstarb mein Freund und Beschützer. Ich war so traurig, wie es wohl nur Bäume sein können.

Und dann passierte, was ich schon befürchtet hatte. Der viele Asphalt auf meinen Wurzeln und noch etliche weitere rücksichtslose Bodenverdichtungen in den 15 Jahren danach machten mir bereits seit längerem zu schaffen. Obwohl ich mir alle Mühe gab, schaffte ich es nicht mehr, an allen Zweigen so viele Blätter wie früher sprießen zu lassen. Manche Äste starben sogar ganz ab. Ein fachgerechter Pflegeschnitt hätte vielleicht ganz gut getan. Aber an sich fühlte ich mich doch noch ganz fit für mein Alter.

Doch plötzlich waren sie da, die Bauhofmitarbeiter mit ihren Kettensägen. Kein Experte hat mich vorher begutachtet, niemand will den Mord in Auftrag gegeben, die Fällung genehmigt haben. Aus niederen Beweggründen, die sie Verkehrssicherung nennen, machten sie kurzerhand Kleinholz aus mir. Als Chris dazukam, hatten die Kettensägenmassakrierer mich schon umgebracht.

Am Baumstumpf konnte man erkennen, dass ich eigentlich noch lange standhaft geblieben wäre, keinerlei Spuren von Pilzbefall oder sonstigen Schäden. Aber auch der Baumstumpf ist inzwischen weggeraspelt – selbst er wäre den Autos im Wege gewesen.

Immerhin: ein paar Schellerhauer haben sich diesmal geärgert und geschimpft. Die Grüne Liga Osterzgebirge wollte mich eigentlich in ihr Baumdenkmal-Programm aufnehmen, geplant war eine kleine Tafel als „Dietrich-Papsch-Baum“. Leider zu spät.

Nun kann ich nur hoffen, dass es einen gemeinsamen Himmel für Bäume und Baumfreunde gibt. Sicher treffen wir uns da wieder, der Dieter und ich.“

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