Elf Millionen Hektar – das ist sind rund 15 Millionen Fußballfelder, oder geringfügig mehr als die Fläche Ostdeutschlands, oder 21 mal Erzgebirge. Elf Millionen Hektar, das ist aber auch die baumbestandene Fläche, die nach den Luftbildanalysen des World Resources Institutes und der University of Maryland im Jahr 2021 in den tropischen Zonen der Erde verloren gegangen sind. Besonders schlimm: mehr als ein Drittel davon ging zulasten von Primär-Regenwäldern.
Weit weg? Was geht uns das an? Mit Sicherheit mehr, als uns im Alltag bewusst ist.
Laut einer Studie des WWF steht die Europäische Union an zweiter Stelle der globalen Regenwaldzerstörungsverursacher, hinter China, aber noch vor Indien und den USA. Vor allem landwirtschaftliche Importe in die EU beruhten im Zeitraum 2002 bis 2017 auf der Vernichtung von 3,5 Millionen Hektar Regenwald. Rechnerisch ergibt dies eine Gesamtkohlendioxid-Emission von 1.807 Millionen Tonnen CO2, was rund 40 % der Emissionsmenge in der EU entspricht. Die meiste Entwaldung steckt in Soja (89.047 ha pro Jahr), Palmöl (69.198 ha), Fleisch (27.692 ha), Holzprodukten (22.470 ha) und Kakao (17.586 ha). Hauptimportländer waren Brasilien (Soja, Fleisch, Holzprodukte) und Indonesien (Palmöl).
Gleichzeitig ist der Wohlstand auf diese Welt so ungerecht verteilt, dass zu dieser auf relativem Reichtum basierten Regenwaldzerstörung auch von teilweise extremer Armut getriebene Abholzungen in den Regenwaldländern hinzukommen. Wenn die (aktuell überall stark steigenden) Preise für Grundnahrungsmittel die finanziellen Einkommensmöglichkeiten übersteigen, werden auch in unwegsamsten Winkeln die Waldhänge in Maniok- oder Bergreisfelder umgewandelt.
Beispielsweise in Madagaskar.
Madagaskar-AG-Camp beim Heulager (9.-12. Juli)
Seit reichlich zehn Jahren engagieren sich Schülerinnen und Schüler am Altenberger Gymnasium in einer „Madagaskar-AG„. Sie unterstützen eine Gruppe Gleichaltriger im ostmadagassischen Dorf Anjahambe bei deren Anstrengungen, wieder Wald in die Umgebung ihres noch vor wenigen Jahrzehnten im Regenwald gelegenen Heimatortes zurückzubringen. Spendenaktionen, Zeichenwettbewerbe, Informationsveranstaltungen, aber auch gemeinsame Pflanzeinsätze bei Besuchen einzelner AG-Mitglieder in Madagaskar – die Initiativen der Mad-AGler sind vielfältig und kreativ. Gleichzeitig engagieren sich die jungen Leute aber auch für die Biologische Vielfalt vor Ort. Alljährlich stehen Pflanzaktionen am Kahleberg auf dem Programm, Artenschutzmaßnahmen beispielsweise für Feuerlilien oder die Mithilfe beim Heulager der Grünen Liga Osterzgebirge. (Eine Übersicht über die vielen Aktivitäten bietet die von AG-Mitgliedern gestaltete Internetseite analasoa.org.)
So auch in diesem Jahr. Vom 9. bis 12. Juli werden wieder rund fünfzehn Teilnehmer beim „Madagaskar-AG-Camp beim Heulager“ im Bärensteiner Bielatal ihre Zelte aufschlagen. Zu den praktischen Wiesenarbeiten gehört die Entwicklung eines ehemaligen Zierrasens an der Raupennestklinik zu einer artenreichen Wiese. Im Gegenzug unterstützt die Klinikleitung die Regenwaldprojekte der Madagaskar-AG mit Spenden.
Außerdem erwartet die Schüler erneut ein Ausflug in den Botanischen Garten Teplice (in dem besonders viele madagassische Arten kultiviert werden). Und am Sonntag, den 10. Juli eröffnen sie die Regenwaldausstellung in der Bärensteiner Galerie Geißlerhaus.
Rainforest Art Contest – Ausstellungseröffnung am 10. Juli
Am Anfang der deutsch-madagassischen Schülerpartnerschaft stand einst ein Zeichenwettbewerb „Unser Wald und seine Tiere“. Im Rahmen einer aktuellen Kooperation mit der Sächsischen Landesstiftung für Natur und Umwelt (LANU) kam vor einigen Monaten die Idee auf, daran mit einem offenen Kunstwettbewerb für junge Leute des Altenberger Gymnasiums und von anderswo anzuknüpfen. Die Resonanz auf den Aufruf überstieg die kühnsten Hoffnungen! Über 40 Schülerinnen und Schüler haben sich mit teilweise wirklich spektakulären Bildern daran beteiligt. Die Madagaskar-AG hat daraus nun eine Ausstellung vorbereitet.
Am Sonntag, den 10. Juli, wird die Regenwald-Kunstaustellung um 16.00 Uhr in der Bärensteiner Galerie Geißlerhaus eröffnet.
Auf die Preisträger, die eine Jury (zu 50 % aus Schülern bestehend) bereits ausgewählt hat, warten direkt aus Madagaskar herbeigeschaffte Preise.
Dann werden die Bilder bis Ende September während der regulären Galerie-Öffnungszeiten und bei den vielen Veranstaltungen im Geißlerhaus zu sehen sein. Am 1. Oktober sollen dann die Kunstwerke bei einer großen öffentlichen Versteigerung in Spendengelder für die Regenwald-Wiederaufforstungsprojekte in Ost-Madagaskar umgetauscht werden.
Schülerregenwaldkonferenz am 13. Juli
Der facettenreiche Themenkomplex Regenwald beschäftigt in diesem Schuljahr nicht nur die kreativ Begabten, sondern alle Schülerinnen und Schüler des Altenberger Gymnasiums. Jede Klasse war/ist aufgerufen, sich mit einem Regenwaldland ihrer Wahl auseinanderzusetzen – den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen dort ebenso wie den Informationen über den Zustand von Wald und Natur.
Am Mittwoch, den 13. Juli, findet dann ein großer Regenwaldtag in der Schule statt. Jeweils in ihren Klassenzimmern werden die jungen Leute am Vormittag ihre Erkenntnisse über Kongo, Kenia, Elfenbeinküste, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Guatemala, Mexiko, Indien, Bangladesch, Australien und Hawaii vor den Mitschülern und Lehrern präsentieren.
Gegen 12.00 Uhr beginnt dann die eigentliche Regenwaldkonferenz in der Turnhalle.
Jede Klasse (jedes Land) soll mit zwei besonders engagierten Schülerinnen und Schülern vertreten sein. Sie werden über geeignete Maßnahmen diskutieren, die zur Erhaltung der Regenwälder erforderlich sind – und zwar zunächst aus der Perspektive „ihres“ Regenwaldlandes. Ihnen zur Seite soll ein „Expertenrat“ stehen (externe Landeskenner und Vertreter von Umwelt-/Eine-Welt-Gruppen).
Zur Konferenzhalbzeit ist dann ein Perspektivwechsel geplant. Dann sind die jungen Leute wieder Vertreter ihrer Klassen (anstatt der ausgewählten Länder). Und sie sollen Vorschläge entwickeln, was sie selbst und die Schule als Ganzes für den Erhalt der artenreichsten Lebensräume der Erde beitragen könne.
Bei der Konferenz sind interessierte Gäste ausdrücklich eingeladen. Wir dürfen auf die Ergebnisse und Erkenntnisse gespannt sein!
Es ist zu hoffen, dass die bestehende Schulpartnerschaft zwischen dem Gymnasium Altenberg und dem Lycée Anjahambe im ostmadagassischen Regenwaldgebiet damit einen neuen Schub bekommt. Und die Wiederaufforstungsbemühungen der madagassischen Schüler zusätzliche Unterstützung.
Elf Hektar – das sind rund 15 Fußballfelder, oder reichlich die Hälfte des Galgenteiches, oder rund 40 mal die Fläche des Altenberger Edeka-Parkplatzes. Elf Hektar – das ist aber auch ungefähr die Fläche des Analasoa-Waldes, der von den madagassischen Schülern (mit Unterstützung durch ortsansässige Waldarbeiter) in Anjahambe gepflanzt wurde.
Mit 0,0001 Prozent mag das im Vergleich zur globalen Tropenwaldvernichtung verschwindend gering sein. Aber für die Menschen in Anjahambe und die einzigartige Biologische Vielfalt der Region um die Partnerschule machen diese elf Hektar einen wichtigen Unterschied.
Mindestens so wichtig wie das, was im Wald heranwächst, ist jedoch auch, was sich an Ideen und Idealen in unseren Köpfen entwickelt – in Anjahambe wie in Altenberg.
Jens Weber.