Natur im Osterzgebirge

NSG Mittelgebirgslandschaft um Oelsen

zurück zur Übersicht

Naturschutz vor 1945, ab 1958 einzelne Naturdenkmalflächen, NSG seit 1967; 2012 Neuausweisung und wesentliche Erweiterung auf 515 Hektar; landesweite NSG-Register-Nummer: D50

Sibirische Schwerlilie (Foto: Pöhler)

junger Uhu (Foto: Gläßer)

 

 

 

 

„Oelsen“ ist vermutlich für fast jeden sächsischen Naturschützer ein Begriff: er verkörpert gleichermaßen die Erfolge engagierten Einsatzes für die Artenvielfalt, wie auch die Rückschläge unter Rahmenbedingungen, wenn Naturschutz allenfalls eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Einst erstreckte sich um das Dorf an der Ostflanke des Erzgebirges das zweitgrößte Schutzgebiet Sachsens, dann fiel dieses den Nachkriegsenteignungen anheim. Nur wenige der einstmals landschaftsprägenden Bergwiesen konnten erhalten werden. Heute werden große Anstrengungen unternommen, die biologische Vielfalt zurückzubringen. Mit beeindruckenden Erfolgen – hoffentlich dauerhaft.

Nutzungsgeschichte

Oelsener Steinrückenflur (Foto: Menzer)

Möglicherweise schon zur Bronzezeit diente der Kulmer Steig – vorbei an der Landmarke des Sattelberges, über den Nollendorfer Pass – als Verbindungsweg zwischen den Altsiedelgebieten nördlich und südlich des Waldgürtels Erzgebirge/Elbsandsteingebirge. Das Dorf Oelsen wurde später vermutlich von Johannitern gegründet, als eines der ersten im Ost-Erzgebirge, hier am alten Handelsweg. Relativ wenig Platz bot die schmale Hochfläche zwischen Gottleubatal und Mordgrund, so dass die von Steinrücken gesäumten Hufenstreifen des Waldhufendorfes nicht rechtwinklig zur Dorfaue verlaufen, sondern in nördlicher und südlicher Richtung.

Der Vorsatz „Wald-“ zum Hufendorf bezieht sich auch hier auf die Steilhänge zu den Bachtälern, die ungerodet blieben und als Niederwälder genutzt wurden. Doch die Bewirtschaftung der schwer zugänglichen Hanglagen lohnte sich irgendwann kaum noch, so dass sehr naturnahe, altbaum- und totholzreiche Laubmischwälder heranwachsen konnten.

Die Flächenausdehnung des Waldes war früher weitaus geringer als heute. Großflächig und überwiegend mit Nadelholz bepflanzt wurden viele Flächen v.a. infolge des Baus der Trinkwassertalsperre (1965-74). Dabei gingen auch sehr artenreiche Wiesenflächen verloren.

Während der allergrößte Teil des heutigen Grünlandes früher ackerbaulich genutzt wurde (was die Steinrücken = Lesesteinwälle belegen) und die Wiesenwirtschaft sich allgemein erst im 19. Jahrhundert durchsetzte, finden sich im Naturschutzgebiet noch historisch alte Wiesen und Weiden. Die hier in der Gegend häufigen Sickerquellen machten die Ackernutzung an etlichen Stellen unmöglich. „Buckelwiesen“ künden davon, dass hier selten mal ein Pflug den Oberboden eingeebnet hat.

Bienhof im Mordgrund

Die Erhaltung der Artenvielfalt ist dem Wirken des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz zu verdanken, für den der Oelsener Raum ein Zentrum seiner Naturschutzaktivitäten war (und wieder ist). Anfang der 1920er Jahre richtete der Landesverein im alten Hammergut Bienhof ein Forschungs- und Erholungsheim ein. Nach und nach kaufte der Verband Wälder und Wiesen auf, bis dessen Besitz rund um Oelsen 282 Hektar umfasste – zu damaliger Zeit das zweitgrößte sächsische Schutzgebiet nach der Bastei. Seine Wiesen verpachtete der Landesverein an ortsansässige Bauern, mit der Maßgabe schonender Bewirtschaftung, insbesondere Mahd erst nach dem Abblühen der besonderen Pflanzen.

Die Folgen des Zweiten Weltkriegs stellten eine schwere Zäsur für die Gegend dar. Zum einen musste im südlichen Nachbarort Schönwald/Krásný Les  die gesamte deutschböhmische Bevölkerung ihre Heimat verlassen. Die Häuser in der unteren Ortshälfte wurden später abgerissen, die zugehörigen Wiesenflächen am Sattelberg südlich der Grenze fielen brach. Auf der deutschen Seite erfolgte die Enteignung des Landesvereins im Zuge der Bodenreform. Aus politischen Gründen musste er 1949 schließlich seine Tätigkeit ganz einstellen.

Bereits unmittelbar nach der Bodenreform wurden einige der artenreichen Wiesen umgeackert und die Pflanzenvielfalt in Mitleidenschaft gezogen. Mit der Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft ging jegliche Rücksichtnahme auf Naturschutzbelange verloren.

Dem Lehrer Heinz Grundig und anderen Naturschützern gelang es in den 1950er Jahren dennoch, wenigstens einige der wertvollsten Restflächen als Naturdenkmale zu sichern. Hinzu kamen größere naturnahe Waldbereiche. 1967 konnte ein aus 16 Einzelflächen bestehendes Naturschutzgebiet rings um Oelsen ausgewiesen werden: 128 Hektar, größtenteils Wald, nur etwa 16 ha Wiesen.

Damit dieser Schutzstatus wenigstens für die verbliebenen Wiesenreste nicht nur auf dem Papier stand, organisierten Mitarbeiter der Fachrichtung Landschaftsarchitektur

Studentensommer mit Prof. Siegfried Sommer

der TU Dresden (v.a. der damalige Dozent Siegfried Sommer) ab den 1970er Jahren studentische Pflegeeinsätze. Ehrenamtliche Naturschützer wie Christian Kastl machten sich um den Erhalt der geschützten Pflanzenarten verdient.

Ehemalige Siedlung Oelsengrund

Mit dem Bau der Gottleuba-Talsperre gingen neue Veränderungen einher. Neben den großflächigen Aufforstungen betraf dies die Räumung der Siedlungsteile Oelsengrund und Kleinliebenau sowie Baumaßnahmen mit beträchtlichen Auswirkungen auf die Natur. Andererseits sorgte das Trinkwasserschutzgebiet aber auch für Beschränkungen der Landwirtschaft hinsichtlich Düngemittel- und Pestizideinsatz.

Von drei Seiten dröhnt die Autobahn
um den Sattelberg.

Den nachhaltig-schwerwiegendsten Eingriff in die wertvolle Landschaft an der Erzgebirgsflanke brachte der Bau der Autobahn, die 2006 in Betrieb genommen wurde. Seither rollen hier täglich mehrere Tausende Transit-Lkw, verbreiten Lärm und Abgase. Störungsempfindliche Tiere haben einen ihrer bis dahin ruhigsten Rückzugsräume verloren. Die Stickoxide der Fahrzeugabgase tragen zur Eutrophierung (Stickstoffüberlastung) bei – eines der gravierendsten ökologischen Probleme der Gegenwart, gerade für konkurrenzschwache Wiesenpflanzen.

Gleich nach seiner Wiedergründung 1990 nahm der Landesverein Sächsischer Heimatschutz seine Naturschutzarbeit im Raum Oelsen wieder auf und begann, größere Flächen für Naturschutzzwecke zu kaufen. Die Bewirtschaftung erfolgt in den Wäldern über ein beauftragtes Forstunternehmen, im Offenland durch die ortsansässige Agrargenossenschaft und eine Beschäftigungsgesellschaft.

Doch bedarf es umfassender Anstrengungen, nach Jahrzehnten schwerer Beeinträchtigungen und Zerstörungen die einstige Arten- und Lebensraumvielfalt wieder zurückzubringen. „Normale“ schonende Landnutzung und Biotoppflege reichen nicht, die Schäden zu reparieren. Die Gegend ist daher zu einem Zentrum ökologischer Forschungen und Planungen geworden, bei denen die Hochschule für Wirtschaft und Technik sowie die Technische Universität Dresden involviert sind.

Für die Waldbereiche finanzierte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) nach dem Hochwasser ein größeres Projekt mit dem Titel „Waldbehandlung, Waldmehrung und Auengestaltung unter Berücksichtigung von Hochwasservorsorge und Naturschutz im Osterzgebirge“.

Mit Förderung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) fand von 2003 bis 2007 ein sogenanntes Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben (E+E-Projekt)  zur „Wiederherstellung artenreicher Bergwiesen im Osterzgebirge“ statt. Die wissenschaftliche Begleitung der dabei begonnenen Maßnahmen (verschiedene Mahdverfahren, Bodenabtrag, Mähgutübertragung und andere) wird auch seither fortgeführt, 2013-16 in einer zweiten Förderphase des E+E-Projekts. Zusätzlich erfolgen spezielle Artenschutzmaßnahmen für vom Aussterben bedrohte Pflanzen.

Es ist zu hoffen, dass die immer problematischeren Förderbedingungen für Biotoppflege in Sachsen auch künftig die Erhaltung der artenreichen Berg- und Feuchtwiesen ermöglichen.

2012 konnte schließlich das lange geplante Vorhaben umgesetzt werden, wieder ein zusammenhängendes Naturschutzgebiet namens

Špicák/Sattelberg und Sattelbergwiesen

„Mittelgebirgslandschaft um Oelsen“ auszuweisen. Das NSG ist Bestandteil des gleichnamigen FFH-Gebiets (entsprechend der sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU) sowie des europäischen Vogelschutzgebiets „Osterzgebirgstäler“ – und mit beiden zusammen ein wichtiges Glied im europaweiten Schutzgebietssystem „Natura 2000“.

Seit 1997 besteht unmittelbar angrenzend auf tschechischer Seite das 74 Hektar große PR „Špičák u Krásného Lesa“ (NSG „Sattelberg bei Schönwald“).

Naturraum

Hohler Stein

Osterzgebirgstypische Gneise bilden im Raum Oelsen den Untergrund. Zutage tritt dieses metamorphe (während vergangener Gebirgsbildungen tief unterhalb der Erdoberfläche umgeformte) Gestein besonders eindrucksvoll am Naturdenkmal „Hohler Stein“ nördlich von Oelsen (gegenüber der Straße). Mit drei Metern Höhe und vier Metern Breite handelt es sich um das bei weitem größte Gneis-Felsentor im Erzgebirge.

Feldsteine aus Gneis kamen auch beim Pflügen der Äcker an die Oberfläche, immer wieder neue. Der Bauer musste die Lesesteine an den Rand seines Hufenstreifens „rücken“ – es entstand eine „Steinrücke“.  Abgesehen von dem Steinreichtum, ist der aus Gneisverwitterung hervorgehende Ackerboden für landwirtschaftliche Nutzung recht gut geeignet, seit den Eiszeiten zusätzlich durch Lößeinwehungen mit Pflanzennährstoffen versorgt.

Steinrücke am Strompelgrund

Steinrücke (mit Blick in den Mordgrund)

Für besonders kräftige Böden sorgt am Hackhübel ein Amphibolith-Vorkommen – ebenfalls ein metamorphes Gestein, das einstmals durch Umwandlung basischer Magmengesteine entstand.

Vulkanischen, jedoch wesentlich späteren Ursprungs ist der Basalt des Špičák/ Sattelbergs (724 m), wenige hundert Meter südlich der Grenze. Auch Basalt beinhaltet reichlich Kalzium-, Magnesium-, Phosphor- und andere Minerale, mit denen die Erzgebirgslandschaft sonst nicht so üppig versorgt ist.

Über entsprechend angereicherte Sickerwässer gelangen diese Stoffe in die Sattelbergwiesen. Auch sonst sind es oft die Sickerquellen, wo sich anspruchsvollere Pflanzenarten konzentrieren.

Der – auf tschechischer Seite verlaufende – Erzgebirgskamm erreicht an

Blick nach Südwesten, wo der Erzgebirgskamm
viel höher ist

seinem Ostende gerade noch Höhen von 700 Meter. Doch bewirkt die räumliche Nähe des Elbtales, dass das abfließende Wasser schon nach wenigen Kilometern nördlicher Fließrichtung recht tiefe Täler in die Hochfläche geschnitten hat. Somit erstreckt sich das NSG über Höhenlagen von 430 m (was noch zum Klimastockwerk des „Oberen Hügellandes“ zählt) bis 625 m („Mittleres Bergland“).

Sattelberg-Basalt

 

 

Der Strukturreichtum der Tallandschaften bringt einen engräumigen Wechsel verschiedener kleinklimatischer Bedingungen mit sich. An sonnenzugewandten Südhängen verstärkt dies das ohnehin „subkontinental“ geprägte Klima an der Erzgebirgs-Ostflanke. Mit 700 bis 800 mm Niederschlag rangiert  das NSG Oelsen deutlich unter den Werten weiter westlich gelegener Gegenden gleicher Höhenlage.

Vegetation

Nur an wenigen Orten des Erzgebirges gedeiht eine solche botanische Fülle wie zwischen Mordgrund und Gottleubatal: 400 Blütenpflanzen- und Farnarten sind hier zu Hause (von etwa 1.000 im gesamten Naturraum Ost-Erzgebirge), außerdem 67 Moos- und 17 Flechtenarten.

Zittergrasseggen-Buchenwald am Ilmenberg

Maiglöckchen (Foto: Felbrich)

 

 

 

 

 

 

 

 

Den größten Teil des Naturschutzgebietes nehmen Wälder ein. Am Oelsener Horn, am Ilmenberg im Mordgrund sowie am rechten Gottleubahang oberhalb der ehemaligen Ortschaft Oelsengrund findet man besonders schöne Buchenwälder mit mächtigen, alten Bäumen und reichlich Totholz. An den Oberhängen zeigen u.a. Drahtschmiele, Maiglöckchen, Purpur-Hasenlattich und die namensgebende Schmalblättrige Hainsimse, dass es sich um bodensaure Hainsimsen-Buchenwälder handelt. Etwas anspruchsvollere Gräser und Kräuter wachsen an schattigen, feuchteren Standorten – z. B.l Quirlblättrige Weißwurz, Goldnessel, Wald-Bingelkraut und Christophskraut. Nach einem hier häufigen Gras werden diese Bestände als Waldschwingel-Buchenwälder bezeichnet. In (wechsel-)feuchten Muldenlagen bildet stellenweise die Zittergras-Segge dichte Teppiche.

Erlen-Bachwald im Mordgrund mit Wiesenraute

An Steilhängen kann sich eine breite Palette von sogenannten Edellaubbäumen entfalten. Dazu zählen Berg- und Spitz-Ahorn, Esche, Winter-Linde, früher auch Berg-Ulme. Auf feuchten Unterhängen und in kleinen Seitentälchen zeigt sich eine üppige Frühblüherflora mit Hohlem Lerchensporn, Knoblauchsrauke, Haselwurz, Wald-Geißbart, Mondviole und Einbeere. Auch verschiedene Farne fallen auf. Trockene Hänge tragen eichendominierte Waldbestände. Auf sonnenexponierten Felsklippen können u.a. Schwärzender Geißklee und Pfirsischblättrige Glockenblume gedeihen.

An einigen Stellen entlang der Fließgewässer haben sich Erlen-Bachauenwälder entwickelt, mit Hain-Sternmiere, Weißer und Roter Pestwurz, Akeleiblättriger Wiesenraute, stellenweise auch Buntem Eisenhut.

Vielerorts sind aktive Waldumbaumaßnahmen erforderlich, um wieder naturnahe Wälder zu entwickeln.  Das betrifft insbesondere die Nadelholzaufforstungen. An einigen Stellen werden diese aber auch beseitigt, und zwar dort, wo noch Chancen

PerückenFlockenblume

bestehen, die vorher vorhandenen, artenreichen Wiesen wiederherzustellen.

Zum Grundstock der Bergwiesen gehören Bärwurz (von den Erzgebirglern „Köppernickel“ genannt), Perücken-Flockenblume, Kanten-Hartheu, Rundblättrige Glockenblume u.a.. An ausgehagerten Stellen erinnern noch Kreuzblümchen, Berg-

Platterbse und Blutwurz-Fingerkraut daran, dass auch hier früher Borstgrasrasen vorkamen – die durch die Überfrachtung der Landschaften mit Stickstoffverbindungen („Eutrophierung“) aber weitgehend

Pechnelke (Foto: Pöhler)

verschwunden sind. Ehemalige „Triftwiesen“ an südexponierten, mageren Böschungen und Hängen beherbergen

wärmeliebende und konkurrenzschwache Pflanzen: Pechnelke, Heide-Nelke, Kleines Habichtskraut und die sachsenweit fast nur noch hier am Ost-Rand des Erzgebirges vorkommende Wiesen-Schlüsselblume.

Wiesen-Schlüsselblume

 

Deren etwas häufigere Verwandte, die Hohe Schlüsselblume wächst eher in feuchten Wiesen. In solchen wasserzügigen Bergwiesen sind auch Alantdistel, Wiesenknöterich und Große Sterndolde zu Hause. Die Übergänge sind fließend zu den echten Feuchtwiesen (mit Mädesüß, Sumpf-Dotterblume, Kleinem Baldrian, Wald-Engelwurz, Kohldistel) und den ganz nasse Standorte einnehmenden Kleinseggenrasen (u.a. mit Schmalblättrigem Wollgras).

Überregionale Bedeutung haben die im NSG vorkommenden, basenreicheren feuchten Bergwiesen („Pfeifengraswiesen“) mit ihrer außerordentlich großen Artenfülle. Wenn die Sibirischen Schwertlilien auf der Stockwiese blühen, ist dies ein wirklich eindrucksvolles Ereignis. Weitere Besonderheiten sind hier Heilziest, Färber-Scharte, Nordisches Labkraut und Niedrige Schwarzwurzel.

Dem Naturschutzgebiet „Mittelgebirgslandschaft um Oelsen“ kommt große Verantwortung zu für die Erhaltung vieler Pflanzenarten, die entsprechend der Roten Liste Sachsens als stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht gelten, so die Orchideen Stattliches Knabenkraut und Breitblättrige Kuckucksblume, die an Steinrücken vorkommenden Türkenbund- und Feuer-Lilien, Kugelige Teufelskralle und Arnika auf den Bergwiesen, Sonnenröschen auf den Triften. Im Rahmen des E+E-Projekts hat sich bald gezeigt: mit „normaler“ Biotoppflege lassen sich auch nur „normale“ Biotope erhalten. Um die akut gefährdeten Raritäten vorm Aussterben zu bewahren, bedarf es aufwendiger Artenschutzmaßnahmen. Solche sind um Oelsen begonnen worden, in einem der wichtigsten Naturschutzgebiete Sachsens.

Tierwelt

Ziesel, in Deutschland heute
ausgestorben

Die „Mittelgebirgslandschaft um Oelsen“ zeichnet sich auch durch einen großen faunistischen Reichtum aus. Die meisten heimischen Säugetiere kommen hier vor, von den Huftieren (Rothirsch, Reh und Wildschwein) über die Raubtiere (Fuchs und Dachs, Baum- und Steinmarder, Hermelin und Mauswiesel, Iltis und – im Winter – Fischotter, Neuankömmling Marderhund sowie Luchs als seltener Durchzügler), Insektenfresser (Igel, Maulwurf, mehrere Spitzmaus-Arten), bis zu Feldhasen und zahlreichen Nagetieren. Zu letzteren zählt der Ziesel, der hier noch in den 1960er Jahren sein einziges deutsches Vorkommen hatte.

Altbuche im Gottleubatal mit typischem Fledermausquartier

Bedeutsam ist die strukturreiche Landschaft zwischen Elbhügelland und Erzgebirgskamm für Fledermäuse. Hier gibt es geeignete Sommerquartiere sowohl für wärmeliebendere als auch eher gebirgsbewohnende Arten, andererseits aber auch Stellen zum Überwintern, z.B. in alten Bergbaustolln. Mindestens ein Dutzend verschiedene Fledermausarten leben im NSG oder nutzen dieses zumindest als Jagdgebiet. Dazu zählen die europaweit (entsprechend der „Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie“ der EU) zu schützenden Arten Kleine Hufeisennase, Großes Mausohr, Bechstein- und Mopsfledermaus.

Über 70 Brutvogelarten konnten im Naturschutzgebiet bislang nachgewiesen werden (im gesamten Naturraum Ost-Erzgebirge gibt es etwa 130). Dazu zählen die Eulenarten Uhu, Waldohreule, Wald- und Raufußkauz und die Greifvögel Mäusebussard, Habicht und Sperber. Zu nennen sind weiterhin Schwarz-, Grau- und Buntspecht, Schwarzstorch, Waldschnepfe und Hohltaube. An ruhigen Juniabenden kann man das Crex-crex, crex-crex des Wachtelkönigs (klingt wie sein lateinischer Name) und das pick-wer-pick von Wachteln vernehmen. Beide sind nicht miteinander verwandt: Ersterer gehört zu den Rallenvögeln. Die Wachtel hingegen ist der kleinste Vertreter der Hühnervögel. Um diese Gruppe steht es gar nicht gut. Nachdem sich Hasel- und Auerhuhn schon seit langem aus dem Ost-Erzgebirge (und inzwischen aus ganz Sachsen) verabschiedet haben, ist ihnen inzwischen auch der einstige Allerwelts-Feldvogel Rebhuhn gefolgt. Das Birkhuhn kam bis vor wenigen Jahren auch rund um den Sattelberg vor – bis die Autobahn gebaut wurde.

Charakteristische Singvögel des strukturreichen Offenlandes sind Baum- und Wiesenpieper, Feld- und Schlagschwirl, Braunkehlchen und Neuntöter. An Gottleuba und Mordgrundbach begegnet man mit hoher Wahrscheinlichkeit Wasseramseln und Gebirgsstelzen.

Von großer Bedeutung ist das Gottleubagebiet für den Vogelzug. Viele Arten nutzen den waldarmen Nollendorfer Pass zum Überflug über das Gebirge. Mitunter kann man während der Zugzeit größere Gruppen von Lachmöwen, Kiebitzen, Ringeltauben oder Gänsen beobachten.

Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Foto: Gläßer)

In den Fließgewässern leben Bachforellen und Groppen, außerdem ein artenreiches „Makrozoobenthos“ (Eintags-, Stein- und Köcherfliegenlarven; Flussnapfschnecke, Strudelwürmer u.a.).

Für den ökologischen Wert der Wälder im NSG spricht, dass bei entomologischen Untersuchungen hier 159 verschiedene totholzbewohnende Käferarten nachgewiesen werden konnten.

Besonders artenreich sind die Oelsener Wiesen, in zoologischer Hinsicht ebenso wie in botanischer. Mindestens 45 Tagfalterarten sind hier zu Hause (z.B. Schillerfalter, Eisvogel, Wachtelweizen-Scheckenfalter, Lilagoldfalter und Dunkler-Wiesenknopf-Ameisenbläuling), 13 Heuschrecken (Plumpschrecke, Sumpfgrashüpfer, Sumpfschrecke) und rund 100 Zikadenarten – nur wenige Millimeter große Insekten, die weit davonspringen, wenn man durch eine sommerliche Wiese läuft.

Blutzikade (Foto: Brümmer)

Hornklee mit Schillerfalter

 

 

 

 

Naturerlebnismöglichkeiten

Naturkundliche Wanderung der Grünen Liga Osterzgebirge mit ortsansässigen Naturschützern 2004

Das Naturschutzgebiet wird von zahlreichen Feld- und Waldwegen durchzogen. Einige Informationstafeln geben unterwegs Erläuterungen. Als Wanderwege markiert sind der Talweg an der Gottleuba sowie der Weg Oelsengrund – Oelsen – Bienhof – Hellendorf. Für botanisch Interessierte bietet sich auch eine Runde durch den Mordgrund, entlang der Grenze zu den „Sattelbergwiesen“ und zur Oelsener Höhe an. Auf letzterer gibt es einen Aussichtspunkt mit 360-Grad-Panormablick. Seit der Grenzöffnung erfreut sich außerdem ein Wanderpfad zum Špičák/Sattelberg großer Beliebtheit – doch ist es hier besonders wichtig, den Pfad nicht zu verlassen. Entlang der Grenze befinden sich mehrere Versuchsflächen zur Regeneration artenreicher Wiesen.

Der Landesverein Sächsischer Heimatschutz betreibt im Naturschutzgebiet auch Öffentlichkeitsarbeit. Über gelegentlich stattfindende Führungen informiert die Dresdner Geschäftsstelle des Landesvereins.

Übersichtskarte Oelsen

weitere naturkundlich interessante Ziele in der Umgebung:
  • Špičák/Sattelberg (Aussichtspunkt, Basalt- und Sandsteinfelsen, Blockhalde)
  • Bocksberg bei Hellendorf (Steinrückenlandschaft, Aussichten)
  • Wiesen bei Hartmannsbach (FND „Wiese am Haselberg“, FND „Trockenhang Hartmannsbach“, FND „Rehwiese“)
  • Tannenbusch, Helleberg, Raabstein (Wald- und Felsrücken beiderseits der Gottleuba)
  • Zeisigstein (Sandsteinfelsen mit Aussicht über die Ostflanke des Erzgebirges)

Blick vom Zeisigstein Richtung Sattelberg und Geisingberg

Adressen:

Landratsamt Sächsische Schweiz – Osterzgebirge, Referat Naturschutz (Untere Naturschutzbehörde) Weißeritzstraße 7, 01744 Dippoldiswalde; Tel. 03501 515-3430; bernard.hachmoeller@landratsamt-pirna.de

Landesverein Sächsischer Heimatschutz: Wilsdruffer Straße 11, 01067 Dresden; Tel. 0351-4956153, landesverein@saechsischer-heimatschutz.de

Staatsbetrieb Sachsenforst, Forstbezirk Neustadt, Sachgebiet Waldökologie und Naturschutz: Karl- Liebknecht- Straße 7  01844 Neustadt; Tel. 03596-585731, kai.noritzsch@smul.sachsen.de

Ostdeutsche Gesellschaft für Forstplanung: 01723 Kesselsdorf, Zum Wiesengrund 8; 035204-60536; sachsen@ogf.de

Schutzgebietsverordnung:

Verordnung des Landratsamtes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zur Festsetzung des Naturschutzgebietes „Mittelgebirgslandschaft um Oelsen“ vom 16. Dezember 2011

Literatur:

Dunger, Ingrid; Gutte, Peter; Kosmale, Susanne; Riebe, Holm; Weber, Rolf (1995): Botanische Wanderungen in deutschen Ländern, Teil 3: Sachsen

Hachmöller, Bernard; Hölzel, Mike; Schmidt, Peter A.; Walczak, Claudia; Zieverink, Marita; Zöphel, Birgit (2010): Regeneration und Verbund (sub-)montaner Grünlandbiotope im Osterzgebirge; Naturschutz und Biologische Vielfalt 99

Kastl, Christian; Loschke, Dieter; Weber, Jens (2007): Sattelberg und Gottleubatal; in: Naturführer Ost-Erzgebirge, Band 3: Naturkundliche Wanderziele, Hrsg.: Grüne Liga Osterzgebirge

Naumann, Arno (1923): Die Grenzhöhen des unteren Berglandes; in: Wanderbuch für das östliche Erzgebirge, hrsg. von Paul Wagner

Rölke, Peter (Hrsg., 2004): Am Rande der Sächsischen Schweiz; Natur- & Wanderführer Band 3

SMUL (2009): Naturschutzgebiete in Sachsen, S. 610ff

Schmidt, Peter A.; Wilhelm, Eckehard-G.; Eisenhauer, Dirk-Roger (2008): Waldbehandlung, Waldmehrung und Auengestaltung unter Berücksichtigung von Hochwasservorsorge und Naturschutz im Osterzgebirge; Abschlussbericht DBU-Projekt

http://www.osterzgebirge.org/gebiete/gottleuba.html

Downloads

Broschüre

Postkarte