Natur im Osterzgebirge

Praktikumsrückblick – 25. Schellerhau Conservation Training (14.-21. August 2020)

Eine große Jubelparty zum Fünfundzwanzigsten gab es leider nicht, aber immerhin konnte auch dieses Jahr wieder das Schellerhauer Naturschutzpraktikum stattfinden. Und es wurde ein wunderbares, herausragendes Erlebnis. Nach einigen recht nervenaufreibenden, teilweise coronabedingten Fluktuationen auf der Anmeldeliste kamen schließlich 16 Studentinnen und Studenten ins Ost-Erzgebirge.

Wie in den Jahren zuvor, hatten wir im Frühjahr an rund 130 „grüne“ Lehrstühle von 20 (ost-)deutschen, tschechischen und slowakischen Hochschulen die Einladung zum „Schellerhau Nature Conservation Training“ verschickt. Es hängt es dann davon ab, ob ein Professor oder anderer Uni-Mitarbeiter das Angebot für interessant hält und seinen Studenten empfiehlt. Entsprechend kommt es dann zu geballten Anmeldungen von bestimmten Einrichtungen. Vor zwei Jahren war das die Hochschule Eberswalde, vergangenes Jahr die Bergakademie Freiberg. 2020 wäre bereits drei Tage nach der Aussendung der Einladungen die Anmeldeliste fast voll gewesen von Interessenten aus Jena. Doch es geht beim Schellerhauer Naturschutzpraktikum ja nicht nur darum, irgendwelche Studenten auf den Nasswiesen malochen zu lassen. Vielmehr hat sich der Austausch mit und zwischen den jungen Leuten unterschiedlichster Erfahrungshintergründe zu einer außerordentlich wertvollen Ideenschmiede entwickelt. (Wobei es sehr wünschenswert wäre, wenn auch mehr osterzgebirgische Naturschützer diese Chance zur Horizonterweiterung nutzen würden!). Die Teilnehmer kamen diesmal von

  • der Uni Jena: „Evolution, Ecology, Systematics“,
  • TU Dresden/IHI Zittau: „Ecosystem Services“,
  • TU Dresden: „Raumentwicklung und Naturressourcenmanagement“,
  • TU Berlin: „Ökologie und Umweltplanung“,
  • Bergakademie Freiberg: „Geoökologie“,
  • Uni Potsdam: „Biowissenschaften“,
  • Karlsuniversität Prag: „Umweltschutz“,
  • Hochschule Eberswalde: „Landschaftsnutzung und Naturschutz“,
  • Hochschule Kleve: „International relations“.

Noch vielfältiger – vielfältiger als je zuvor – war beim 25. Naturschutzpraktikum die Palette der Heimatgebiete der Studenten: elf Länder auf vier Kontinenten. An drei Abenden stellten die Teilnehmer in jeweils viertelstündigen Präsentationen Umwelt- und Naturschutzprobleme ihrer Heimatregionen vor – mehr als reichlich Stoff zum Diskutieren und Nachdenken! Erkenntnis: es gibt auch ökologische Themen jenseits von Bergwiesenmahd im Ost-Erzgebirge.

Wobei natürlich auch diesmal wieder die praktischen Tätigkeiten im Vordergrund standen. Nicht alle der jungen Frauen und Männer sind in ihrem Alltag zeitiges Aufstehen (7.30 Uhr Frühstück!) und sechs bis acht Stunden durchaus anstrengende, körperliche Arbeit gewohnt. Doch auch in dieser Hinsicht war das diesjährige Schellerhau-Praktikum ein ganz besonders engagiertes: wirklich alle Teilnehmer haben an den Arbeitstagen komplett durchgezogen (in anderen Jahren gab es dann doch immer wieder mal kleine Grüppchen, die sich lieber in den Schatten setzten und lieber den anderen die Anstrengungen überließen). Folgende Arbeiten wurden angepackt:

  • Naturschutzgebiet Schellerhauer Weißeritzwiesen: Mahd und Beräumung der Niedermoor-/Nasswiesenecke im Südwesten des NSG (Wobei das immer sinnloser zu werden scheint – seit fast 20 Jahren schaffen es die Behörden nicht, den Eintrag ungeklärter Abwässer ins NSG zu unterbinden. Mittlerweile ist der größte Teil des einstigen Kleinseggenrasens von bis zu zwei Meter hohem Rohrkolben überwuchert, der inzwischen den Sonnentau verdrängt hat und nun akut das Fettkraut bedroht.)
  • Bergwiese hinter dem Mayenhof: Eigentlich „nur“ als Grundstückspflege gedacht, die der Grünen Liga Osterzgebirge einen günstigen Preisnachlass bei der Miete der wunderbaren Unterkunft gewährleistet. Doch nach Jahren der ein- bis zweischürigen Mahd ist auch dort eine recht artenreiche Bergwiese entstanden. Leider ließ diesmal der Regen keine Heugewinnung zu.
  • Botanischer Garten Schellerhau: Sensen und Beräumen der „Vorzeige-Bergwiese“, außerdem Kompostarbeiten und „Unkrautjäten in den Kalkalpen“.
  • Quellmulden des Salzlecke-Bächleins: Holzhürden für die seit diesem Jahr dort weidende Schafherde bauen.
  • Forstbezirk Bärenfels: Laichgewässersanierung – Freistellen/Beräumen einer (normalerweise) mit Wasser gefüllten ehemaligen „Sand-„Grube am Neugraben; Optimierung des Birkhuhnhabitats am Lugstein (Gehölzbeseitigung).

Vor allem letztere Tätigkeit – das Wegsägen von Ebereschen in Zeiten von Klimawandel und heftigen Waldschäden ringsum – wurde von den Studenten kritisch hinterfragt. Auch das unbedingte Offenhalten von historischer Kulturlandschaft als Naturschutzziel trifft durchaus immer wieder auf Skepsis bei jungen Leuten von anderswo. Dennoch, wie gesagt, alle haben außerordentlich fleißig zugepackt bei den praktischen Arbeiten.

Zusätzlich standen wieder drei Wanderexkursionen auf dem Programm: zum Geisingberg (mit kurzer Führung in die Altenberger Pinge durch Heinz Wehner); über den Kahleberg zum Georgenfelder Hochmoor; über den Hofehübel (mit Führung durch Förster Denny Werner) ins Pöbeltal. Dabei und bei den Diskussionsrunden am Abend entspannen sich immer wieder sehr angeregte Debatten über Naturschutz, Klimawandel, ökologische Perspektiven – teilweise mit Fragen, über die unserereiner im Hamsterradbiotop kaum noch zum Nachdenken kommt.

Freilich stellt es eine besondere Herausforderung dar, solche Debatten auf Englisch zu führen. Um so höher zu würdigen ist, wie sich auch die „externen Referenten“ dieses Jahr mühten, ihr Schulenglisch zu reaktivieren: Anette Zimmermann im Botanischen Garten Schellerhau, Denny Werner beim Waldeinsatztag und bei einer – hochinteressanten – Diskussion im Forstamt Bärenfels, Schäfer Sven Körtel beim „Schafsnachmittag“ am Matthäusweg. Allen Respekt und großes Dankeschön dafür!

Ein ganz besonderes Dankeschön an dieser Stelle aber auch mal an die Mitorganisatoren des Schellerhauer Naturschutzpraktikums: Andreas, Borges, Aniko, Lothar sowie Simone im Liga-Büro. Ohne die Verteilung der Aufgaben auf mehrere Schultern wäre die Aktion kaum zu stemmen.

Zum Schluss nochmal zum Thema Geld: Am Grundprinzip für die Teilnehmer „Praktikumsteilnahme kostenlos, dafür praktische Arbeit ohne Vergütung“ darf auf keinen Fall gerüttelt werden. Auch für  Leute wie Sammy aus Ghana oder Isaak aus Uganda muss es möglich sein, beim Schellerhaupraktikum mitmachen zu können! Bislang hat die Finanzierung auch ohne Teilnehmergebühr funktioniert. Zum einen bekommt die Grüne Liga Osterzgebirge ein paar Fördergelder für die immer aufwendigere Pflege des Kleinseggensumpfes (respektive: Rohrkolben-Dschungel) im NSG Weißeritzwiesen. Zum anderen beteiligte sich das Landratsamt bisher immer mit einem Zuschuss aus dessen Topf zur Unterstützung von praktischen Maßnahmen der Naturschutzvereine. 2020 nun wurde dieser Zuschuss erstmals nicht bewilligt. Grund dafür soll eine Corona-Haushaltssperre oder sowas sein, durchaus in der gegenwärtigen Situation nachvollziehbar. Wenn die Behörde allerdings sieht, dass wir das Praktikum auch ohne Landratsamtsgelder stemmen können, dann besteht schon die Gefahr, dass die Gelder in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb die große Bitte an alle Blätt’l-Leser: Wenn auch ihr das Schellerhauer Naturschutzpraktikum für wichtig findet, dann schreibt an den Landrat und teilt ihm dies mit! (Landrat Michael Geisler, PF 10 0253/54, 01782 Pirna; BueroLR@landratsamt-pirna.de).
Die Abschlussrechnung für das diesjährige Schellerhau-Praktikum ist noch nicht fertig, aber die unvermeidbaren Kosten – nur für Unterkunft, Verpflegung, Busfahrkarten (ohne Geld für die Organisatoren) – dürften sich auf rund 2.500 € belaufen. Rund 1.000 € kommen aus der Biotoppflegeförderung, damit ergibt sich eine Finanzierungslücke von rund 1.500 €. Liebe Blätt’l-Leser, schaut mal bitte in euren Sparschweinchen nach, ob sich diese Lücke nicht vielleicht mit einer Extraspende schließen lässt! Spendenkonto Grüne Liga Osterzgebirge e.V., Dresdner Volks- und Raiffeisenbank, IBAN DE51 8509 0000 4600 7810 01, BIC: GENODEF1DRS

 

Zitate von Teilnehmern:

 

Ich bin so dankbar, dass ich in diesem Jahr am Schellerhau-Training teilnehmen konnte! Es ist eine großartige Gelegenheit, das, was wir an der Uni gelernt haben, in der Praxis anzuwenden. Die Kommunikation und Diskussion mit Studentinnen und Studenten verschiedener akademischer Hintergründe und Länder hat mein Denken im Naturschutz vertieft. Harte körperliche Arbeit erinnert mich daran, dass Naturschutz viel mehr ist als nur Reden oder Ideen. Wir sollten Fortschritte im Naturschutz nie als selbstverständlich ansehen. Ich schätze die Ausbildung sehr!
Nochmals vielen Dank! Und ich hoffe, Euch nächstes Jahr wiederzusehen!

Chongyi (Emma) / China

 

Das Schellerhauer Naturschutz-Praktikum war eine unschätzbare Erfahrung. Die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus den verschiedensten ökologischen Bereichen, sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland, was zu sehr anregenden Gesprächen über die Herausforderungen und Möglichkeiten der Naturschutzarbeit führte. Vom ersten Tag an fühlte ich mich von den anderen Teilnehmern inspiriert und ermutigt, diese Arbeit trotz der gewaltigen politischen und ökologischen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, fortzusetzen. Die Organisatoren sorgten für eine integrative Atmosphäre, indem sie uns durch die örtlichen Dörfer führten und alle Lebensmittel einkauften, die wir abwechselnd zur Zubereitung von Gruppenmahlzeiten verwendeten.
Wenn Ihr die Energie für Handarbeit in einer ländlichen Region habt, werdet Ihr mit Erfolgserlebnissen und neuen Freundschaften für die Zukunft belohnt!

Claudia / Kalifornien

 

Das Team der Grünen Liga unternimmt große Anstrengungen, um die Trainingswoche zu einer lehrreichen, unterhaltsamen und interessanten Erfahrung für uns alle zu machen. Sie versuchen auch, die Studentinnen und Studenten zu integrieren und Diskussionsrunden über Naturschutzfragen auf der ganzen Welt und deren Management zu fördern. Ich hatte eine wunderbare Zeit dort und habe viel über Naturschutz, Ökologie und die Ökosysteme des Erzgebirges gelernt. Außerdem habe ich viele nette Leute kennen gelernt und neue Freunde gewonnen. Ich hoffe, noch einmal nach Schellerhau zurückzukehren. Ich kann die Erfahrung nur weiterempfehlen!

Victor / Chile

 

Mitten im Sommer,  bei gelockerten Maßnahmen der Coronakrise, fuhr ich mit dem Bus vom Dresdner Hauptbahnhof nach Schellerhau bei Altenberg. Das einwöchige Naturschutzpraktikum brachte junge Menschen unterschiedlicher Hintergründe mit dem gemeinsamen Ziel Naturschutz zusammen. Die Exkursionen waren für mich eine Gelegenheit, mehr über die reiche Artenvielfalt und die Geschichte des Wiesenschutzes zu erfahren. Die spektakuläre Aussicht auf den Geisingberg (ein Basaltberg mit einem Turm) war ein großartiges Erlebnis. Die tägliche Arbeit auf den Wiesen, mit verschiedenen Werkzeugen und im Team, ermöglichte es uns, uns zu vernetzen und tiefgründige Gespräche über die Naturschutzpraxis in Schellerhau zu führen. Und die abendlichen Präsentationen waren eine großartige Gelegenheit, die Herausforderungen unserer Länder zu teilen und offene Diskussionen zu führen. Dies öffnete mir den Blick für neue Ideen und Bemühungen der Teilnehmer für eine nachhaltige Zukunft.

Isaac / Uganda

 

 

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