Natur im Osterzgebirge

2020: Waldschäden Erzgebirge 2.0

Es scheint wie ein böses Förster-Déjà-vu, was gegenwärtig in unseren Wäldern passiert.

50.000 Hektar Forsten waren bis Ende der 1990er Jahre dem „Waldsterben“ im Erzgebirge zum Opfer gefallen. Damals lagen die Ursache-Wirkungs-Beziehungen für viele Zeitgenossen ziemlich offenbar auf der Hand – und damit die notwendigen Gegenmaßnahmen. In maroden, filterlosen Kraftwerken wurde schwefelreiche Braunkohle verfeuert, das daraus emittierte Schwefeldioxid waberte in extremen Konzentrationen durch die Fichtenforsten und ließ diese so dahinsiechen, dass am Ende die Borkenkäfer leichtes Spiel hatten. Also: Geld in die Hand nehmen und die Dreckschleudern mit modernen Reinigungsanlagen versehen, damit sollte alles gut werden.  Und, zugegeben, Schwefeldioxid ist wirklich kaum noch ein Problem hierzulande. Fast zwei Jahrzehnte gaukelten die – erstaunlich schnell – wiederergrünten Fichten heile Erzgebirgswelt vor.

Wer indes genauer hinsah, der musste sich trotzdem sorgen: spießastige Buchenkronen aufgrund viel zu hoher Ozon-Belastungen (resultierend aus den Stickoxiden der Autoabgase), massenhaftes Ableben alter Ebereschen (des Charakterbaums des Erzgebirges!), Eschentriebsterben, Ulmensterben sowieso.

Derweil schritt/schreitet der Klimawandel unerbittlich voran. Und bringt nicht nur höhere Durchschnittstemperaturen mit sich. Die wären ja vielleicht noch zu verkraften, diesbezüglich dürften die meisten heimischen Bäume wahrscheinlich gar nicht so schlecht aufgestellt sein. Genauso vorhergesagt und dennoch bislang völlig unterschätzt: Klimawandel äußert sich vor allem auch in Extremwitterung. Die nun schon im dritten Jahr anhaltende Dürre  dürfte weit außerhalb der statistischen Klimaschwankungen liegen. Zwischen November 2017 und Dezember 2019 hatte sich das Niederschlagsdefizit in Sachsen bereits auf 335 Liter pro Quadratmeter addiert. 2020 kam bisher nochmal ein Minus von 140 Litern (entspricht mehr als zwei Monatsniederschläge) hinzu.

Die Fichten stehen unter Stress wie seit den 1990ern nicht mehr – und fast alle anderen Baumarten wohl wie noch nie seit Beginn der Forstwirtschaft. Reich gedeckter Tisch für Buchdrucker, Kupferstecher und andere Borkenkäferarten, Festschmaus auch für Eichenprozessionsspinner, ideale Ausbreitungsbedingungen für die Pilze der Ahorn-Rußrindenkrankheit und des Eschentriebsterbens.

Im Unterschied zu den 70er bis 90er Jahren zeigen sich die gruseligsten Bilder absterbender Baumbestände diesmal (noch?) nicht auf dem Erzgebirgskamm – hier scheint die Welt bislang vergleichsweise heil zu sein. Vielmehr sind die Standorte und Arten im Flach- bis mittleren Bergland betroffen, die schon von Natur aus trocknisgefährdet sind. Unterhalb von 500 Metern Höhenlage werden wohl nicht allzu viele Fichten überleben.

Als das „alte“ Waldsterben 1996/97 nochmal richtig schlimm zugeschlagen hatte, gründete sich – unter maßgeblicher Mitwirkung der Grünen Liga Osterzgebirge – in Altenberg die „Bürgerinitiative Gesunder Wald“. In Anlehnung an ähnliche Aktionen in Reizenhain und anderen Erzgebirgsorten organisierte die BI Demonstrationen mit paar hundert Teilnehmern. Dieser Druck von der Straße bewegte „die Politik“ zum Handeln. In Sachsen gab es ein großes Programm zur Umstellung alter Kohleheizungen, der tschechische Kraftwerksmonopolist ČEZ AG wurde gezwungen, die schlimmsten SO2-Schleudern stillzulegen, die übrigen mit moderner Rauchgasreinigung nachzurüsten.

So einfach wird es diesmal ganz sicher nicht (vorbei) gehen. Klimawandel ist viel komplexer, langwirkend und global. Wobei wir mit unserem exorbitanten Energieverbrauch hier freilich unzweifelhaft zu den Hauptverursachern zählen. Damit nicht alles noch viel, viel schlimmer kommt, muss sich allerhand ändern in den Köpfen – in unseren Köpfen.

Möglicherweise jedoch ist das, was da gerade vor unseren Augen in den Wäldern abläuft, noch nicht eindrucksvoll genug, um nachhaltige Veränderungen im Kopf zu bewirken. Förster und Waldbesitzer beseitigen die toten Bäume, und der nächste große Dauerregen wird die Eindrücke rasch wieder hinfortspülen. Die Zeit ist so extrem schnelllebig.

Um dem Vergessen vorzubeugen, sollten wir die Bilder des Waldsterbens festhalten, als Fotodokumentation. Ich hab noch keine Vorstellung, in welcher Form das dann aufbereitet werden kann, vielleicht als große Wanderausstellung, vielleicht auch nur bei osterzgebirge.org. Aber die Bilder müssen jetzt aufgenommen werden. Daher der

Aufruf an alle Naturfreunde und Hobbyfotografen: Bitte haltet die Waldschäden fest, die derzeit durch die Dürre und deren Folgen verursacht sind!

Perfekt wären natürlich Vorher-Nachher-Motive. Neben den großflächigen Fichtenabgängen geht es auch um die weniger offensichtlichen Schäden an Laubbäumen.

Ich würde die Fotos zunächst sammeln. In ein paar Monaten sollten wir uns dann mal treffen und gemeinsam entscheiden, wie wir diese für effektive Öffentlichkeitsarbeit aufbereiten können.

Nach wie vor gesucht sind darüberhinaus auch Fotos der Waldschäden aus den 60er bis 90er Jahren. Wer da noch was in seinem Dia-Archiv findet …

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