- Raumordnungsverfahren im Sommer
Eines ist sicher: die immer gewaltigeren Lithiumpläne lassen bei den Betroffenen im Ost-Erzgebirge keine Langeweile aufkommen. Wie wir kürzlich von der Landesdirektion Sachsen erfuhren, wird demnächst tatsächlich das Raumordnungsverfahren für Zinnwald Lithium eröffnet. Nicht ganz im 2. Quartal 2025, wie ursprünglich mal angekündigt, dafür aber ziemlich passgenau in den Sommerferien:
Auslegungsfrist 7. Juli bis 17. August 2025
Dann wird man die Unterlagen in den Rathäusern von Altenberg, Bad Gottleuba, Glashütte und Liebstadt sowie beim Landratsamt in Pirna einsehen können. Außerdem bekommen die sogenannten „Träger Öffentlicher Belange“ (hoffentlich einschließlich der gesetzlich anerkannten Naturschutzverbände) die Planungen zugänglich gemacht. Bis 17.8. besteht dann für jedermann – und jederfrau – die Möglichkeit, Stellungnahmen und Einwendungen bei der Landesdirektion einzureichen.
Wenngleich die Landesdirektion anbieten will, eine Fristverlängerung beantragen zu können, erscheint es schon wieder sehr suspekt, dass Zinnwald Lithium ausgerechnet die Zeit der Sommerferien für diesen Planungsschritt zu nutzen. Es handelt sich um die allererste offizielle Gelegenheit für die Bewohner und Besucher des Ost-Erzgebirges, als Bürger ihre Bedenken geltend zu machen.
Wichtig ist an dieser Stelle aber zu erwähnen: dies wird noch (lange) nicht das bergrechtliche Plangenehmigungsverfahren (= Genehmigung eines „Rahmenbetriebsplans“) sein. Bei einem Raumordnungsverfahren (ROV) handelt es sich sozusagen um eine separate Vorstufe für Großprojekte, bei dem geprüft wird, ob und wie ein solches Großvorhaben passfähig zu anderen Ansprüchen an den „Planungsraum“ (also Landschaft, Siedlungen, Infrastruktur) gemacht werden kann. Es geht um konkurrierende Nutzungen, die z.B. Wasser, Energie, Erholungsgebiete, aber auch Naturschutz-Erfordernisse. Das ROV, nach einer Änderung des Raumordnungsgesetzes jetzt offiziell als „Raumverträglichkeitsprüfung“ bezeichnet, läuft nicht über das Oberbergamt in Freiberg, sondern die Landesdirektion Sachsen. Am Ende ist es zwar kein sonderlich scharfes, aber auch nicht unwichtiges Schwert in den Auseinandersetzungen mit geplanten Großzerstörungen.
Trotz Verlegung in die Sommerferienperiode wird es sehr wichtig sein, möglichst viele (verschiedene) und möglichst fundierte Bürgereinwendungen zu organisieren.
Hier: Vortrag von Andrea Seidel zur Einordnung der verschiedenen Planungsschritte
- Gegendarstellung im Altenberger Boten
Eine Woche nach der Schmach für Zinnwald Lithium, nicht zu den (relativ vielen) europäischen Lithium-Vorhaben zu gehören, die die EU-Kommission als „Strategische Projekte“ ansieht, holte das Unternehmen zum PR-wirksamen Gegenschlag aus und präsentierte seine „Pre-Feasibility Study“ als Erfolgsmeldung. Das noch ganz knapp fristgerecht (war für 1. Quartal 25 angekündigt, erschien am 31.3.25) zusammengeschusterte, vergleichsweise dünne und faktenarme Papier erschien zunächst nur auf Englisch. Wurde aber von einer geschickten Medienkampagne begleitet, und die meisten Medien griffen recherchelos die Botschaft von der vermeintlichen „Machbarkeit“ des Lithiumbergbaus unter Zinnwald sowie der chemischen Verarbeitung samt Abraumhalde in Liebenau auf. Auch der Altenberger Bote räumte in seiner Mai-Ausgabe der Zinnwald Lithium eine Doppelseite ein, wenngleich erst auf den hinteren Seiten.
Im Unterschied zu Journalisten, Politikern und offenbar auch vielen Behördenmenschen hatten die Bürgerinitiativen die Pre-Feasibility Study von Zinnwald Lithium sehr wohl und sehr genau gelesen. Unter Hinzuziehung von orts- und fachkundigem Sachverstand entstand ein „Plausibilitäts-Check„. Wichtigste Erkenntnis daraus: faktisch geht aus der PFS eigentlich genau das Gegenteil hervor von dem, was das von ZL angeheuerte Medienunternehmen („Weichert-Mehner“) sehr geschickt und erfolgreich in der Öffentlichkeit verkauft: unter den gegebenen Bedingungen und in den geplanten Dimensionen ist das Bergbauvorhaben NICHT machbar.
Den BI’s gelang es bisher leider nicht, mit ihrer aufwendig und tiefgründig erarbeiteten Analyse eine nur annähernd ähnliche Medienresonanz zu finden wie die von den Zeitungen ungeprüft übernommene Presseerklärung von Zinnwald Lithium / Weichert Mehner. An der Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit müssen wir offenbar noch arbeiten.
(Am 11. Juni bietet der Medienverantwortliche von PowerShift, Adrian Borrmann, eine Online-Schulung mit Tipps und Tricks für Pressemitteilungen. Wer sich da mit einklinken möchte, bitte hier die Zugangsdaten erfragen: jens/ät/osterzgebirge.org.)
Immerhin hat der Altenberger Bote in seiner aktuellen Juni-Ausgabe auch den Bürgerinitiativen eine Doppelseite für eine kritische Replik auf die „Vormachbarkeitsstudie“ bereitgestellt.
Das überwältigend große Teilnehmerinteresse der Naturkundlichen Wanderung im April in Liebenau konnte zwar in Zinnwald nicht repliziert werden, aber immerhin rund zwanzig Freunde der Osterzgebirgsnatur von beiden Seiten der Grenze nahmen an der deutsch-tschechischen Info-Tour teil.
Treff war an der ehemaligen Grenzzollanlage Zinnwald, die eigentlich schon vor 18 Jahren hätte restlos zurückgebaut werden und renaturiert werden sollen. Laut Planfeststellungsbeschluss zum Bau der GZA von 1998 war dies festgelegt für den Zeitpunkt, dass hier kein Güterlastverkehr mehr kontrolliert werden muss – also nach dem Bau der A17, spätestens nach dem Beitritt Tschechiens zum Schengener Abkommen. Passiert ist seither da freilich noch nicht viel. Stattdessen will nun Zinnwald Lithium von hier aus einen „Erkundungsstolln“ vorantreiben. Laut Vormachbarkeitsstudie würde daraus anschließend für viele Jahre der Hauptzugang zum Bergwerk werden, mitsamt aller Erztransporte und Rückführung von taubem Material. Aktuell läuft dazu noch das Genehmigungsverfahren im Rahmen der Erkundungslizenz von Zinnwald Lithium. Als „Ausgleich“ für den Eingriff will Zinnwald Lithium einen kleinen Teil der noch immer betonierten Grenzzollanlagenfläche entsiegeln – obwohl das eben laut Planfeststellungsbeschluss von 1998 ohnehin längst hätte passiert sein müssen.
Nach einem Abstecher auf den Lugstein und zu den Hochmoorwiesen übernahm hinter der Grenze Kamila Derynkova von der tschechischen Bürgerinitiative CINVALD z.s. die Führung. Die Tour führte zu den Überresten der früheren Zinn- und Wolfram-Förderung in Cínovec, unter anderem zu den beiden sanierten Halden. Eine davon soll im Zuge der Bergbauvorhaben (durch ein separates Unternehmen) erneut aufgearbeitet werden. Vor allem aber ist geplant, vom steilen Südabhang des Erzgebirges, von einem Waldbereich namens „Sedmihůrky“ aus sich an die Lithium-Lagerstätte unter Cínovec heranzusprengen.
Kamila informierte über den aktuellen Planungsstand beim australisch-tschechischen Unternehmen Geomet s.r.o.. Die Förderpläne haben hier im Verlaufe der letzten Jahre ähnlich irrwitzig-gigantische Dimensionen angenommen wie auf der anderen Seite der Grenze. Im Unterschied zu Zinnwald Lithium will Geomet die Aufbereitung des Erzes und chemische Gewinnung des batterietauglichen Lithiums in das Braunkohlekippengebiet am Fuße des Erzgebirges bei Kadaň auslagern. Was zunächst sinnvoll erscheint, hat aber auch eine Kehrseite: damit der Berg nicht zusammenstürzt, kommt der stabilen Wiederverfüllung der Hohlräume extrem hohe Bedeutung zu. Dazu sollen hier offenbar gigantische Mengen Beton zum Einsatz kommen.
Alles kaum vorstellbar. Vermutlich auch nicht für die meisten Einwohner von Zinnwald und Cínovec. Erfreulich, dass bei der Naturkundlichen Informationswanderung auch einige Zinnwalder dabei waren. Aber um beim Raumordnungsverfahren möglichst viele fundierte Einwendungen zu mobilisieren, sollte die Öffentlichkeitsarbeit unter den unmittelbar und existienziell Betroffenen am Erzgebirgskamm weiter intensiviert werden.
Jens Weber