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Im Frühling 2019 bestätigte die Wissenschaft auf höchster Ebene, was allerorten auf der Erde spürbar ist – das von der UNO eingesetzte Gremium namens IPBES („Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services“) stellte die rapide Abnahme der „Biologischen Vielfalt“ (Arten, Lebensräume, genetische Vielfalt) und der damit verbundenen „Ökosystemdienstleistungen“ (sauberes Wasser und saubere Luft, Bestäubung von Nutzpflanzen, Erholungsgebiete usw.) fest. Die Situation ist mindestens genauso dramatisch wie beim Klimawandel. Und die Lösungswege sind genauso komplex.
Naturschutz hat viele Facetten. Nach Paragraph 1 des Bundesnaturschutzgesetzes geht es vor allem um:
– die Biologische Vielfalt selbst;
– die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts;
– die Vielfalt und Schönheit von Landschaften.
Nicht minder breitgefächert sind die Zerstörungen und Gefahren für die Natur, auch im Ost-Erzgebirge: von der in einem Vogelnest verbauten Plastikschnur, in der sich ein Jungvogel erdrosselt, bis hin zur totalen Landschaftszerschneidung der Autobahn A17 mit den unzähligen, täglich vom Verkehr getöteten Insekten und den von den Autoabgasen verursachten Waldschäden.
Um diese Beeinträchtigungen und Zerstörungen wenigstens in Grenzen zu halten – um Natur und Landschaft dennoch so gut wie möglich zu schützen – gibt es in einem Rechtsstaat eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Planungen. Unter der Rubrik Naturschutz-Recht versucht diese Seite einen kleinen Überblick zu geben über die wichtigsten Regelwerke, die für die Natur des Ost-Erzgebirges wichtig sind.
Um die Natur bestmöglich zu schützen, wurde in den letzten hundert Jahren ein umfangreicher Kasten mit Naturschutz-Instrumenten entwickelt, beginnend mit Schutzgebieten (die sich wiederum in eine kaum noch vermittelbare Vielzahl von Kategorien aufteilen), über Konzepte zum Biotopverbund zwischen den Schutzgebieten, über eine ebenfalls kaum überschaubare Palette von Förderprogrammen zur Finanzierung aller möglichen Maßnahmen, aus denen dann wiederum unterschiedliche Naturschutzprojekte gespeist werden. Diese Seite versucht, en meist nur von Experten durchschauten Instrumentenkasten hier im Ost-Erzgebirge zu sortieren und zu erläutern.
Diese „Experten“ – die Naturschutz-Akteure – finden sich in verschiedenen Behörden, bei wissenschaftlichen Einrichtungen und privaten Planungsbüros, vor allem aber bei Umwelt- und Naturschutzvereinen. Von letzteren gibt es eine ganze Anzahl in der Region. Im nordöstlichen Drittel des Naturraumes arbeiten die wichtigsten im neuen Verbund „Naturschutzstation Osterzgebirge“ eng zusammen.
Es ist gut und wichtig, dass „Experten“ versuchen, mit ihren „Naturschutzinstrumenten“ selten Pflanzen und Tiere, deresn Lebensstätten und das wunderbare Landschaftsbild des Ost-Erzgebirges zu bewahren. Doch noch viel wichtiger ist das Selbst-aktiv-werden möglichst vieler Bewohner und Besucher der Region zwischen Wilisch und Wieselstein!
Warum Naturschutz?
Birkhühner contra Biathlonstadion, Hufeisennase gegen Waldschlösschenbrücke, Schatthangwald statt Autobahn – Naturschützer stehen im Ruf, stets mit irgendwelchen seltsamen Wesen den Fortschritt aufhalten zu wollen. Viele ihrer Mitmenschen haben nie zuvor etwas von Wachtelkönigen oder Borstgrasrasen gehört und daher auch kaum Verständnis für solcherart Hindernisse.
„Die Lebenswelt ist in eine tiefe Krise geraten: das natürliche Kapital unseres Planeten, die biologische Vielfalt, erleidet drastische Verluste. Wir erleben derzeit die 6. Auslöschung der Gen- und Artenvielfalt. Sie könnte die letzte große Krise, bei der vor 65 Millionen Jahren die Saurier ausstarben, an Geschwindigkeit sogar noch übertreffen.“ (Wiss. Beirat d. Bundesreg. Globale Umweltveränderungen, 1999)
Unsere Generation ist Zeuge eines dramatischen Verlustes biologischer Vielfalt. Viele Mitgeschöpfe, die uns Erdgeschichte und Evolution an die Seite gestellt haben, und viele Lebensgemeinschaften, die uns von unseren Altvorderen vererbt wurden, sind derzeit in höchstem Maße bedroht. Artensterben findet nicht nur in tropischen Regenwäldern und karibischen Korallenriffen statt. Nur bleibt das Verschwinden von Kleinem Knabenkraut und Isländisch Moos, von Ziesel und Rebhuhn – nicht allein hier im Ost-Erzgebirge – der großen Öffentlichkeit meist verborgen.
Moderne Technik und Technologien haben uns scheinbar unabhängig gemacht von dem, was uns die Natur bietet. Fuhrunternehmen benötigen schon längst kein kräuterreiches Bergwiesenheu mehr, Lebensmittel kommen inzwischen von Wer-weiß-woher, und den einstigen Platz von Arnikatinktur oder Fieberklee im Arzneischrank nehmen heute Aspirin und Antibiotika ein. Doch diese scheinbare Unabhängigkeit könnte trügen.
Beispiel Wildapfel: Seit jeher haben die Bewohner unseres „Holzäppelgebirges“ die kleinen Früchte der Steinrücken als fiebersenkendes Heilmittel geschätzt. Aber dies ist nicht der einzige Vorzug des wilden Apfel-Verwandten. Malus sylvestris hat sich als resistent gegen Mehltau erwiesen. Bei den heutigen Kulturäpfeln wurde die Mehltauresistenz aus einer asiatischen Art eingekreuzt, doch es mehren sich die Anzeichen, dass der Erreger dieser Pilzkrankheit diese Barriere zu überwinden beginnt. Das Augenmerk der Züchter richtet sich nunmehr auf den einheimischen Wildapfel. Die Grüne Liga Osterzgebirge versucht derzeit mit einem großen Projekt, gefördert vom Bundeslandwirtschaftsministerium, im Müglitztalgebiet diese stark gefährdete Art zu erhalten. Sehr viele Holzapfelbäume sind in den letzten Jahrzehnten auch auf den Steinrücken verschwunden, und so mancher ahnungslose Grundstücksbesitzer oder Landwirt setzt auch heute noch die Säge an. Trotzdem: hier im Holzäppelgebirge ist noch genetisches Wildapfel-Potential vorhanden – woanders hat sich Malus sylvestris längst verabschiedet.
Welche Potentiale in all den anderen Pflanzen und Tieren stecken, haben die Wissenschaftler bei weitem noch nicht umfassend erforscht. Daher ist es mit Sicherheit nicht nur ein Spleen grüner Naturschwärmer, wenn sie sich für den Erhalt von Arten einsetzen, deren Namen den meisten Mitmenschen unbekannt sind.
Von solchen Erwägungen ganz abgesehen, sollte es zur ethischen Verantwortung eine jeden gehören, sorgsam mit dem natürlichen Erbe umzugehen. Ausgestorbene Arten sind unersetzbar, zerstörte Lebensräume nur mit großem Aufwand oder gar nicht zu reparieren.
Solche Erkenntnisse lassen sich in der heutigen Konsumentenwelt nicht leicht vermitteln. Doch wer sich einmal die Zeit genommen hat, auf einer blühenden Bergwiese dem vielstimmigen Insektenkonzert zu lauschen und tief die aromatische Duftsinfonie in sich aufzunehmen, der wird dieses Erlebnis nicht so schnell vergessen. Wer einmal die Ruhe aufgebracht hat, den herbstlichen Farbenzauber der Steinrücken zu genießen, der kommt sicherlich immer wieder ins östliche Erzgebirge. Und wer einmal frühmorgens den Wieselstein erstiegen hat, den Blick über die weite Landschaft des Erzgebirges schweifen lässt, sich über das Tosen der nordböhmischen Industrielandschaft weit da unten ärgert und plötzlich hinter sich das Kollern eines Birkhahnes vernimmt, den beschleicht eine Ahnung, was wirklich wichtig ist auf dieser Welt.
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