Natur im Osterzgebirge

Welchen Stellenwert hat eigentlich der Naturschutz?

Was macht die Landschaft unseres Osterzgebirges aus? Die sanften Berge, die tiefen Täler mit ihren bewaldeten Hängen, die offenen Hochebenen. Das Osterzgebirge ist eine Kulturlandschaft; wilde Natur findet man hier, auf Grund der historischen Nutzung, so gut wie keine. Und trotzdem ist das Osterzgebirge für den Naturschutz eine bedeutsame Region.

Das raue Klima und das unwegsame Gelände machen die in der modernen Welt überall Einzug haltende Intensivierung der industriellen Landwirtschaft mit riesigen Schlägen, Großmaschinen, Pestizid- und übermäßigem Düngereinsatz schwierig bis unmöglich. Während das katastrophale Artensterben in den Agrarwüsten der niedrigen Höhenlagen weiter seinen Lauf nimmt, gibt es weiter oben noch Rückzugsorte der Artenvielfalt. Aber selbst das ist nicht überall im Erzgebirge so. Blickt man vom Osterzgebirge ein Stück nach Westen, stellt man fest, dass artenarme Fichtenplantagen vorherrschen und im Frühjahr bis auf 800 m Höhe Rapsfelder blühen.

Im Osterzgebirge ist die Landschaft hingegen mit Mischwäldern, einem hohen Anteil an beweidetem Grünland, Baumreihen und Relikten aus einer unwirtlichen Nutzung, wie Steinrücken abwechslungsreicher. All dies sind tatsächlich funktionierende Ersatzlebensräume für natürliche Habitate, die in unserer Wildnis-freien Landschaft verloren gegangen sind. Eine bestimmte Landschaftsform jedoch ist für das Osterzgebirge so charakteristisch wie kaum eine andere: die Bergwiese. Diese blütenbunten Wiesen sind nicht nur ästhetisch, sondern vor allem einer der artenreichsten Lebensräume überhaupt in Mitteleuropa. Über 200 Pflanzenarten kommen hier vor und an die Tausend Tierarten (von Fliegen, Wildbienen, Zikaden über Schmetterlinge, Käfer bis Reptilien, Vögel und Säugetiere) sind auf diese angewiesen. Ein Großteil davon kann nur noch in diesem speziellen Lebensraum überleben.

Foto: Lukas Häuser

Noch gibt es ein verhältnismäßig dichtes Netzwerk an Bergwiesen im Osterzgebirge. Die Dichte ist eine der höchsten in ganz Deutschland und somit von bundesweiter Bedeutung für den Naturschutz. Doch auch vor diesem schier letzten Refugium macht der allumspannende ökologische Abwärtstrend keinen Halt. Die moderne Welt bringt für die Landwirtschaft große Herausforderungen. Die Wirtschaftlichkeit solch schonender Bergwiesenpflege ist oft nicht mehr gegeben. Immer mehr Bergwiesen werden sich selbst überlassen, verbuschen und verschwinden letztendlich unter dichtem Gehölz. Die lichtliebenden Bergwiesen-Blüten gehen so verloren. Der auch im Gebirge spürbare Klimawandel verändert die Artenzusammensetzung und eingeschleppte Arten bereiten Probleme. Als wäre das nicht schon genug für ein gebeuteltes Ökosystem, kommen noch Bebauungspläne dazu, welche an den Flächen nagen. Die Bergwiesenfläche nimmt immer weiter ab. Es wäre also an der Zeit zumindest diesen recht einfach zu beeinflussenden Faktor auszuschließen.

Neben einigen Kleinvorhaben „auf der grünen Wiese“, bereitet vor allem ein Großprojekt erhebliche Sorgen: der geplante Aufbereitungsanlagen- und Deponiestandort bei Bärenstein. Seit dem Bekanntwerden der aktuellen Pläne im Sommer, hat sich zwar viel getan (Gründung der Bürgerinitiative, zahlreiche Einzelgespräche mit Beteiligten und Träger öffentlicher Belange), aber eine Wende zeichnet sich keineswegs ab. Theoretisch sind Alternativstandorte durchaus möglich und aufgrund der Umstände auch dringend notwendig. Doch die Gewinnmaximierung steht abermals im Vordergrund. Es wird weiterhin an der Versiegelung einer mindestens 110 Fußballfeldern großen, unbebauten Fläche festgehalten, welche die Vernichtung von Bergwiesen- und Steinrückenbiotopen bedeutet. Erste oberflächengebundene Untersuchungen sollen am Standort schon laufen.

Sollte es tatsächlich zur Umsetzung der Pläne kommen, wäre das nicht nur ein herber Verlust für das Osterzgebirge, Sachsen und aufgrund der Bedeutung gar für ganz Deutschland, sondern auch ein Rückschlag für den Naturschutz als Ganzen. Es täte sich unweigerlich die Frage auf, welchen Wert denn überhaupt die Ausweisung von Schutzgebieten hat, wenn dort der Bau solcher Anlagen möglich wäre. Selbst EU-gebundene Schutzkategorien würden ignoriert und erhebliche Strafzahlungen in Kauf genommen.

Es sind stürmische Zeiten und im Moment steht es duster um die Zukunft der einzigartigen Bergwiesen und des Osterzgebirges. Trotz des Wissens um die katastrophalen Auswirkungen des Artensterbens, lassen wir nicht nur Chancen der Schadensbegrenzung aus… Nein, wir gießen weiter Öl in das Feuer, als gäbe es diese besorgniserregenden Entwicklungen nicht. Es ist einfach auf Umweltzerstörungen zu zeigen, die weit weg in fernen Ländern liegen, wie beispielsweise die verheerende Vernichtung der tropischen Regenwälder im Amazonas oder Indonesien. Aber auch vor unserer eigenen Haustür spielen sich für unser zukünftiges Leben richtungsweisende Entscheidungen ab. Es liegt nun alles daran, weiter standhaft zu bleiben und diese Missstände aufzuzeigen. Die Pläne der Zinnwald Lithium GmbH sind alles andere als alternativlos, wie gern suggeriert wird.

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