Natur im Osterzgebirge

Aktivitäten 2022

Anderas, als ursprünglich verkündet, ist nun doch eine kostenneutrale Verlängerung der über „Nachhaltig aus der Krise“ geförderten Projekte bis ins Jahr 2023 hinein möglich. Insofern können auch einige Bausteine des laufenden Baumdenkmal-Projekts noch etwas intensiver bearbeitet und zu einem ausgereifteren Abschluss gebracht werden.

Im Jahr 2022 konnten aber schon einige der wichtigsten Ziele des Vorhabens erreicht werden. Dabei entwickelte sich eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern aus den Bereichen Wissenschaft, Naturschutzpraxis und Umweltbildung. Besonders erfreulich indes ist die hohe Bereitschaft von Naturfreunden der Region, ehrenamtliche Baumdenkmal-Patenschaften zu übernehmen!

Weitere Infos bietet eine dem Grünen Blätt’l Januar 2023 beigelegte Sonderseite zum Baumdenkmalprojekt.

Ersterfassung Bäume

Bis zum Jahresende 2022 konnten ungefähr 400 alte und/oder besonders wertvolle Bäume im Naturraum Ost-Erzgebirge erfasst werden. Vor allem dank der Mitarbeit eines Tharandter Stundenten im Rahmen seiner Bachelorarbeit wurde dabei die Gegend der unteren Weißeritztäler und des nördlichen Tharandter Waldes besonders intensiv betrachtet. In anderen Regionen klaffen hingegen noch immer größere Erfassungslücken. Eine Übersicht bietet die Kartendarstellung in der Rubrik „Erfassungsstand“.

Karteikarte aus dem Fundus von Rudolf Schröder

Neben den offiziell als Naturdenkmal ausgewiesenen Bäumen (und solchen, denen die Naturschutzbehörde aus Kostengründen den Schutzstatus vor einigen Jahren aberkannt hatte) beruhte die Erfassung auf Hinweisen durch Ortskenner der Region, auf teilweise schon älteren Aufzeichnungen von Experten wie dem Dendrologen Rudolf Schröder, auf den in der Liste der sogenannten „Rekordbäume“ (ddg-web.de) verzeichneten Exemplaren sowie eigenem Wissen und „Zufallsentdeckungen“ der Projektbeteiligten.

Für die Ersterfassung verwendeten die daran beteiligten Baumfreunde einen einen Bewertungsbogen, der auf einer vom Institut für Forstbotanik Tharandt entwickelten Vorlage (für Stadtbäume) beruht.

Konkrete Mindestkriterien, ab wann ein Baum „denkmalwürdig“ ist, liegen dem Projekt nicht zugrunde. Am Ende handelt es sich immer um eine Abwägung verschiedener Aspekte wie Umfang und Höhe, öffentliche Bekanntheit des Baumes, Ästhetik und besondere Wuchsformen, Seltenheit der Art oder Ausstattung mit Mikrohabitaten. Die entsprechenden Kriterien sind in einem Faltblatt zum Projekt dargelegt.

In Arbeit befindet sich derzeit (Ende 2022) noch die Datenbank, in die neben den Ersterfassungsdaten künftig auch die Informationen der Baumdenkmalpaten regelmäßig eingepflegt werden sollen. Diese baum-konkreten Informationen werden in einigen Monaten über die Internetseite baumdenkmale.org öffentlich zugängig sein. Beauftragt mit der Entwicklung von Datenbank und Website ist die Firma Manderbachmedia, die u.a. durch die Arbeiten zum Naturschutzgroßprojekt „Bergwiesen im Osterzgebirge“ und die Bergwiesenausstelltung der Grünen Liga Osterzgebirge im Schloss Lauenstein mit dem Naturraum vertraut ist.

 

 

 

 

 

Vermessung einer Buche im Park Naundorf bei Schmiedeberg

 

 

Wissenschaftliche Untersuchungen

An ausgewählten Bäumen erfolgten bzw. begannen vertiefende Untersuchungen hinsichtlich ihrer Bedeutung für die biologische Vielfalt. Ein Projektmitarbeiter und ein Bachelorstudent der TU Dresden, Professur für Biodiversität und Naturschutz Tharandt, erfassten bei repräsentativen Baumdenkmalen deren Ausstattung mit Mikrohabitaten. Anhand eines standardisierten Bestimmungsschlüssels (Kraus et al. 2016) wurden die Potentiale der untersuchten Bäume als  Lebensräume für weitere Tier- und Pflanzenarten eingeschätzt. Dazu zählen viele markante Strukturen, die schon direkt Aktivitäten von Tieren verraten (Bohrlöcher, Nester, Spechthöhlen) oder die als Habitate besonders spezialisierter Arten bekannt sind wie die Fruchtkörper von Baumpilzen oder Mulmtaschen. Von einigen Bäumen wurden außerdem der Bewuchs mit Flechten und Moose erfasst, sowie Vorkommen von Spechtschmieden am unteren Stamm notiert.

Für 20 ausgewählte Exemplare führte das Naturschutzinstitut Freiberg vertiefte Untersuchungen zu deren Nutzung durch Vögel (Sichtbeobachtungen, Gesang) und Fledermäuse (mittels Batcorder) durch. Insgesamt spiegelt das erfasste Gesamtartenspektrum die gesamte Fledermausfauna wider, wobei zwischen den einzelnen Bäumen große Unterschiede auftraten. Offenbar wird deren Auftreten mindestens so sehr von den umgebenden Lebensraumstrukturen bestimmt wie von den Baumdenkmalen selbst. Von den 41 Vogelarten, die an den 20 Bäumen nachgewiesen werden konnten, nutzten elf Arten die Hälfte diese Bäume zur Brut.

An einer alten Ess-Kastanie im Forstbotanischen Garten Tharandt untersucht der Entomologe Dr. Jörg Lorenz deren Käferfauna mittels Fensterfalle/Flugeklektor im Kronenbereich sowie einem kleineren Eklektor in einer Stammhöhle. Die Auswertung der Erfassungen wird für Anfang 2023 erwartet.

Laserscan-Aufnahme der alten Esskastanie im Forstbotanischen Garten

Zusätzlich haben Mitarbeiter der Professur für Biodiversität und Naturschutz damit begonnen, 50 ausgewählte Bäume mit der Methode des Terrestrischen Laserscannings (TLS) zu dokumentieren. Dabei werden die Oberflächen der Bäume mit Laserstrahlen „abgetastet“, woraus sich ein genaues dreidimensionales, digitalisiertes Bild ergibt. Daraus lässt sich beispielsweise die Biomasse – und damit der gespeicherte Kohlenstoffvorrat – errechnen. Nach den in einigen Jahren beabsichtigten Wiederholungs-Scans erhoffen sich die Projektbeteiligten wertvolle Hinweise, wie sich die Bäume zwischenzeitlich entwickelt haben, ob Holz- und Blattmasse zu- oder abgenommen haben werden, wie sich der Anteil abgestorbener Äste entwickelt etc.

Netzwerk Baumdenkmalpaten

Das Kernanliegen des Projekts besteht darin, für möglichst viele der erfassten alten Bäume Naturfreunde zu finden, die sich ehrenamtlich um „ihre“ Baumdenkmale kümmern. Die Baumdenkmalpaten sollen mindestens einmal, gern auch öfter, den jeweiligen Baum besuchen, dessen Zustand einschätzen, ein aktuelles Foto schießen und, vor allem, dem Baum eventuell drohende Gefahren rechtzeitig versuchen zu erkennen. Die Erwartungen an Baumdenkmalpaten wurden 2022 in einem (weiteren) Info-Faltblatt zusammengefasst.

Baumdenkmaltag am 24.4.22 in Reinhardtsgrimma

Inzwischen haben sich fast 30 Baumfreunde und -freundinnen bereiterklärt, die Patenschaft für insgesamt ca. 100 Baumdenkmale zu übernehmen. Sie wurden über mehrere Beiträge im Grünen Blätt’l geworben, außerdem bei einem Baumdenkmaltag als Auftaktveranstaltung in Reinhardtsgrimma am 24. April 2022, bei zahlreichen weiteren öffentlichen Veranstaltungen, aber auch durch gezielte Ansprache von möglichen Unterstützern. Daraus beginnt sich ein „Netzwerk Baumdenkmalpaten“ zu entwickeln.

Treffen der Baumdenkmalpaten am 2. September in Tharandt

Am 2. September 22 trafen sich 25 Interessenten zu einer Vernetzungsveranstaltung im Forstbotanischen Garten. Bei dieser Gelegenheit fanden noch zahlreiche weitere wertvolle Gehölze einen Baumdenkmalpaten. Darüberhinaus wurden die Grundzüge der künftigen Baumdenkmalbetreuung diskutiert. Auf die Anregung der Beteiligten entstand ein Entwurf für eine „Check list“ für die künftigen Baumpatenberichte.

 

Öffentlichkeitsarbeit

Mit zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen bemühten sich die Projektmitarbeiter und weitere Baumfreunde aus dem Kreis der Grüne-Liga-Unterstützer, einerseits dem Baumdenkmalprojekt Bekanntheit zu verschaffen, andererseits aber auch generell das Thema Gehölzschutz wieder stärker ins allgemeine Bewusstsein zu bringen.

Am 19. Juni 2022 fand die Eröffnung einer Fotoausstellung zum Thema Baumdenkmale im Botanischen Garten Schellerhau statt. Diese Präsentation war daraufhin bis August zu sehen.

 

Am 5. Juli stellte die MDR-Fernsehsendung „Umschau“ relativ ausführlich das Baumdenkmalprojekt sowie die Aktivitäten der Grünen Liga Ost-Erzgebirge zum Erhalt des Wild-Apfels im „Holzäppelgebirge“ vor.

Als besonders interessant erwies sich der fachliche Austausch mit Naturschützern aus drei Ländern am 12. September 2022. Im Rahmen einer einwöchigen deutsch-tschechisch-slowakischen Exkursion im Ost-Erzgebirge und im Böhmischen Mittelgebirge war ein Tag im Bärensteiner Bielatal explizit dem Themenkomplex „Wälder, Baumdenkmale und seltene Gehölze im Klimawandel“ gewidmet. Als einer der profundesten Gehölzexperten Sachsens bereicherte der emeritierte Tharandter Naturschutzprofessor Peter A. Schmidt mit seinem umfangreichen Wissen die Diskussion. Außerdem nahmen Mitarbeiter des Forstbezirks Bärenfels an der Fachexkursion teil. Im zweiten Teil des „Baumtages“ unterstützten die 35 Exkursionsteilnehmer ganz praktisch das Waldumbauprojekt der Grünen Liga Osterzgebirge am Hiekenbusch bei Bärenstein.

Mit sechs öffentlichen Führungen zum Themenschwerpunkt Baumdenkmale stand das Projekt 2022 relativ oft im Fokus der monatlichen Naturkundlichen Wanderungen der Grünen Liga Osterzgebirge. Wie auch sonst üblich wurde dabei versucht, ortskundige Naturkenner mit einzubeziehen. Damit war auch für die Porjektmitarbeiter selbst immer ein beträchtlicher Erkenntnisgewinn verbunden:

  • 20. März 2022: Alte Bäume rund um Schmiedeberg, Teil 1 (Andreas Walther, Maik Biber) – Tännelgrund, Naundorfer Park
  • 10. April 2022: Seltene Gehölze bei Johnsbach und Falkenhain (Jens Weber) – Schilfbachtal, Fuchshübel, Schenkenshöhe (im Rahmen des alljährlichen Bäumchenpflanz-Wochenendes)
  • 1. Mai 2022: Wanderung zu den „großen Kumpels“ von Reichstädt (Anja Graul) – Schlosspark Reichstädt, Firstenweg, Oberdorf
  • 23. Oktober 2022: Alte Bäume und Höhenkiefern rund um Schmiedeberg, Teil 2 (Andreas Walther) – Langer Grund, Buschmühle
  • 6. November 2022: Erlebnistour rund um Freibergs Stadtmauer (Dorothea Hoheisel) –
    Albertpark, Torstensson-Linde
  • 28. Dezember 2022: Zwischen den Jahren zu den alten Bäumen in Dippoldiswalde (Anja Graul)

 

Umweltbildung

In Zusammenarbeit mit der Naturschutzstation Osterzgebirge, dem Naturschutzbund Freiberg, dem Förderverein Natura Miriquidica, dem Landschaftspflegeverband Mulde-Flöha und anderen Partnern konnten auch  zahlreiche Angebote für Kinder und Jugendliche mit dem Baumdenkmalprojekt verknüpft werden:

  • 11. April 2022: Naturerlebnistag mit Grundschülern (LPV Mulde-Flöha) – Große Lößnitz bei Gersberg
  • 13. April 2022: Projekttag mit Grundschülern (LPV Mulde-Flöha) – Kohlbachtal bei Eppendorf
  • 7. Mai 2022: Exkursion zu alten Bäumen (LPV Mulde-Flöha) – bei Gersberg
  • 3. Juni 2022: Projekttag mit Grundschülern (LPV Mulde-Flöha) – bei Eppendorf
  • 4.-6. Juni 2022:Naturpädagogische Radtour (Natura Miriquidica e.V.) – oberes Flöha-/Schweinitztal
  • 17.-19. Juni 2022: Junge Naturwächter „Ein Camp mit alten Bäumen“ – Johannishöhe Tharandt
  • 25. Juni 2022: Junge Naturwächter, Praxistag „Alte Bäume – alte Weisheiten“ – Umweltzentrum Freital
  • 25. Juni 2022: Jugend-Workcamp „in Grün“ (Grüne Liga Osterzgebirge) – Pflegearbeiten beim Waldprojekt Hiekenbusch
  • 10. Juli 2022: GTA-Projekt „Riesen im Park“ (Grundschule Dippoldiswalde) – Reichstädter Schlosspark
  • 19. Oktober 2022: Rallye Alte Bäume Hort der Grundschule „Karl Günzel“ Freiberg (NABU Freiberg)
  • 20. Oktober 2022: Baumerfassungsexkursion mit Kindern und Jugendlichen (Natura Miriquidica)
  • 22. November 2022: Rallye Alte Bäume Hort der Grundschule „Theodor Günzel“Freiberg (NABU Freiberg)
  • 14. Dezember 2022: „Bäumchenschmücken“ mit der Lauensteiner Grundschul-AG „Junge Tierfreunde“ – Wildverbissschutz beim Waldprojekt der Grünen Liga Osterzgebirge

Die Ausbildung von Studentinnen und Studenten gehört naturgemäß zu den Hauptanliegen einer Universität. Die projektbeteiligten Kollegen des Lehrstuhls für Biodiversität und Naturschutz Tharandt haben in ihren Vorlesungen regelmäßig Bezug auf das Baumdenkmalprojekt genommen. Auch entstand im Rahmen des Projekts eine Bachelorarbeit, die nicht nur viele Ersterfassungen von Bäumen, sondern auch wertvolle Hinweise zur Projektweiterentwicklung beigesteuert hat. Bei zwei großen Exkursionen am Geisingberg (3. und 17. Juni 2022) bekamen insgesamt ca. 50 Studentinnen und Studenten praxisnahes Gehölzwissen auf den Steinrücken und bei den Waldrand-Hutebuchen im Naturschutzgebiet vermittelt.

Epiphytenseminar im Botanischen Garten Schellerhau 3-8-22

Auch für die Grüne Liga Osterzgebirge stellt der fachliche Austausch mit jungen Leuten, die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten aus der Naturschutzpraxis zu den Schwerpunkten der Arbeit. Beim internationalen Schellerhauer Naturschutzpraktikum / Schellerhau Nature Conservation Training fand am 3. August 2022 ein spezieller „Baumtag“ statt. Dabei konnten sich die

Baumpflegepraxis im Botanischen Garten Schellerhau 3-8-22

Studentinnen und Studenten mit epiphytischen Moosen und Flechten im Botanischen Garten Schellerhau beschäftigen und bei fachgerechter praktischer Baumpflege selbst mit Hand anlegen.

 

 

 

Praktische Maßnahmen

Generell gehen bei der Grünen Liga Osterzgebirge Umweltbildung und praktischer Naturschutz Hand in Hand. So hatten natürlich auch der Baumtag beim Schellerhauer Naturschutzpraktikum oder der „Bäumchenschmücken“-Einsatz mit der AG Junge Tierfreunde dezidiert praxisbezogene Komponenten. Selbst für die Natur Hand anzulegen ist die wirksamste Umweltbildung! Gleiches gilt auch für die nachfolgend aufgezählten Aktivitäten, die zwar zuvorderst dem Gehölzschutz dienten, aber für die Beteiligten ebenfalls zur Gewinnung von Wissen und Fertigkeiten wichtig waren.