Durch den Freiberger Stadtwald verläuft eine Hochspannungsleitungstrasse, entlang derer eine 26 Meter breite Schneise durch den Forst geschlagen worden ist. Solche Schneisen können nicht forstlich genutzt werden, da sie von hohem Gehölzbewuchs freigehalten werden müssen, um ein Einwachsen der Stromleitungen zu verhindern und Wartungsarbeiten an den Leitungen zu ermöglichen. Üblicherweise geschieht dies durch Mulchen, wobei der bestehende Gehölzaufwuchs in einem Arbeitsgang gekappt, grob zerkleinert und in den Boden eingearbeitet wird. Durch diese Maßnahme entstehen im Forst Offenlandflächen mit extensiver Nutzung, die in unserer heute intensiv genutzten Kulturlandschaft selten geworden sind. Nun erhält das Verfahren des Mulchens zwar den Offenlandcharakter, vernichtet jedoch unterschiedslos jeglichen Aufwuchs. Zudem führt die Einarbeitung des Schnittguts in den Boden zu einer Nährstoffanreicherung.
Der NABU Freiberg arbeitete 2015 mit dem Trassenbetreiber Mitnetz Strom, dem Forst und der Stadt Freiberg eine Pflegevereinbarung aus, durch die ein knapp einen Kilometer langer Abschnitt der Schneise aus der allgemeinen Trassenpflege mit dem Mulcher herausgenommen wird. Dadurch ist es möglich geworden, auf konfliktarmen Terrain Biotope zu bewahren und neu zu schaffen, die aufgrund ihrer Nährstoff- und Nutzungsarmut naturschutzfachlich sehr wertvoll sind. Da auch einzelne niedrige Gebüschkomplexe erhalten werden, ist ein Nebeneinander von freien und bewachsenen Flächen entstanden.
In den vergangenen Jahren wurden mit mehreren Maßnahmen – sowohl maschinell (per Bagger), als auch manuell mit tatkräftiger Unterstützung der NAJU Freiberg – selektiv Gehölze und nährstoffreicher Oberboden entfernt und neue Amphibienlaichgewässer angelegt. Entstanden sind dadurch im Wesentlichen drei Biotopstrukturen: Die kleinflächige, von Besenheide dominierte Heidelandschaft mit kleineren Beständen der Sparrigen Binse, Borstgras, Heidel- und Preiselbeeren sowie einigen Flechten bietet Lebensraum für wärmeliebende Tiere wie Reptilien (Kreuzotter, Ringelnatter, Waldeidechse) und Insekten (z. B. Wald-Sandlaufkäfer, Dornschrecken, Kleine Goldschrecke). Die Kleingewässer weisen einen stark sauren pH-Wert auf und haben durch ein oberhalb gelegenes Moor anmoorigen Charakter. Damit bieten sie Heimat für zahlreiche Libellenarten, Kammmolche und verschiedene Wasserpflanzen wie bspw. dem Südlichen Wasserschlauch. Im Übergang zwischen den trockenen und feuchten Gebieten hat sich eine Pfeifengras-Flur etabliert.
Es bleibt uns Aufgabe und Herausforderung für die Zukunft, diese Offenlandschaft zu pflegen, vielleicht weiter auf angrenzende Bereiche der Stromtrasse auszudehnen und damit einen wichtigen Beitrag zur Biotopvernetzung zu leisten. Und es ist uns Hoffnung und Wunsch, dass dieses Kleinod Vorbildcharakter hat und seine Nachahmer findet.
Juliane Schäfer