Natur im Osterzgebirge

Geduldsprobe für eine Erfolgsgeschichte: Naturschutzstation Osterzgebirge

Nur im Landkreis SSO gibt es noch immer keine Ausschreibung für künftige Finanzierung!

 

Vor dreieinhalb Jahren beschloss der sächsische Landtag, für den in der damaligen Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD verankerten Satz „Ein Konzept für die
Zukunft der Sächsischen Naturschutzstationen ist zu entwickeln“ Geld lockerzumachen. Vorausgegangen waren: Jahre intensiver Lobbyarbeit seitens der nichtstaatlichen Naturschützer (während die meisten Beamten, bis hoch in die damalige Spitze des Umweltministeriums, sich nicht so sehr dafür zu interessieren schienen); eine von paartausend Menschen unterzeichnete Landtagspetition; eifriges Werben des damaligen Oppositionsabgeordneten Wolfram Günther bei seinen Kollegen hinter den Kulissen. Gemessen am tatsächlich Notwendigen erwies sich der sich auftuende neue Finanztopf zwar als viel zu klein, gar keine Frage. Aber dennoch öffnete sich ein Fenster der Möglichkeiten an einer Stelle, wo nichtstaatliche Naturschützer früher immer nur gegen Wände rannten.

Wirklich optimal genutzt wurden diese neuen Möglichkeiten hier im Ost-Erzgebirge (zumindest dessen nordöstlichen Drittel, im SSO-Kreis). In einer wunderbaren Sternstunde des Naturschutzes bündelten im Herbst 2017 die vier in der Region aktiven Umweltvereine (Förderverein für die Natur des Osterzgebirges, Grüne Liga Osterzgebirge, Landschaftspflegeverband Sächsische Schweiz – Osterzgebirge, Landesverein Sächsischer Heimatschutz) ihre Interessen und Kapazitäten. Gemeinsam bewarben sie sich mitsamt ihren naturschutzstationsartigen Einrichtungen (Lindenhof Ulberndorf, Botanischer Garten Schellerhau, Biotoppflegebasis Bielatal – jetzt: Außenstellen der Naturschutzstation) um die Naturschutzstationsförderung. Gegen so manche Widerstände gelang es damit, das Geld für die Unterstützung, Organisation und Koordination  ehrenamtlicher Naturschutzaktivitäten zu sichern.

Aus dem anfänglich losen Zusammenschluss der Naturschutzvereine ist dann ein neuer „Dachverein“ namens Naturschutzstation Osterzgebirge e.V. entstanden. Vor allem dank der engagierten Freizeitarbeit der Vorständler (je ein Vertreter der beteiligten Vereine) und der Koordinatorin konnten damit praktische Naturschutzarbeit und Umweltbildung auf ein zuvor kaum zu erhoffendes Niveau gehoben werden.


Die Menge der Aktivitäten, die allein dieses Jahr unter dem Dach der Naturschutzstation Osterzgebirge liefen, sind für Außenstehende kaum noch zu überblicken. Das reicht von praktischen Naturschutzeinsätzen in verschiedenen Teilen des Landkreises (Feuerlilienwiese an der Bahntrasse Geisingberg, Kalksumpf im NSG Gimmlitztal, Wieseneinsatz in Oelsen, Entbuschung im FND Grauer und Weißer Bruch Blankenstein, …) über Artenschutzmaßnahmen (Dohlenkästen im NSG Weicholdswald, Sumpf-Sitter-Habitat bei Hermsdorf, Feuerlilienstandort am Geisingberg, …) und Monitoring-Aufgaben (Steinrückenkataster Oelsen, Weißstorchmonitoring) bis hin zu breit gefächerten Umweltbildungsangeboten (Vorleseheftchen „Trollius auf Wanderschaft“, Projekttage an der Grundschule Berggießhübel sowie an Jugendherbergen im Raum Altenberg, öffentliche Führungen).

Als  besonderes Markenzeichen kristallisiert sich dabei die Verknüpfung von praktischen Naturschutzmaßnahmen und Umweltbildung heraus. Dazu gehören die Aktivitäten mit der Cunnersdorfer Kindergartengruppe auf der Apfelallee Alte Eisenstraße ebenso wie die Anlage von artenreichen Blühflächen mit Dippoldiswalder Schülern im Heidepark, oder der Umwandlung eines Scherrasens an der Rehaklinik Raupennest mit Altenberger Gymnasiasten.

Zu einem sehr vielversprechenden Kooperationsobjekt entwickelt sich die „Feuerlilienwiese an der Bahnlinie“, nordwestlich des Geisingbergs. Früher wurde diese Fläche viele Jahre von der Grünen Liga Osterzgebirge jedes Jahr beim Heulager gemäht – bis dies aus verschiedenen Gründen nicht mehr ging (was viele von uns sehr bedauerten). Jetzt untersteht die Fläche dem Forstbezirk Bärenfels. Dessen derzeitiger „WÖNS-Förster“ („Waldökologie und Naturschutz“) ist auch an Naturschutzmaßnahmen außerhalb der Baumgrenzen interessiert und hat den Weg für ein solches Kooperationsprojekt überhaupt erstmal geöffnet (normalerweise muss der Forst auch für alle seine Biotopflächen die Pflege öffentlich ausschreiben). Die Mitarbeiter und Vorständler der Naturschutzstation, teilweise unterstützt von Grüne-Liga-Helfern, haben seither in mehreren Einsätzen die Fläche entbuscht, die sich ausbreitenden Lupinen bekämpft (ausgestochen), abschnittsweise gemäht. Auch 2020 engagierten sich die Schüler der Madagaskar-AG wieder mit einem Pflegeeinsatz speziell für den Feuerlilienstandort (Feuer-Lilie: in Sachsen vom Aussterben bedroht!). Gemeinsam und ganz parktisch etwas für die Natur zu tun, das bringt offenbar auch heute noch Begeisterung hervor. Bei einer Befragung nach den Gründen, warum sie bei der Madagaskar-AG mitmachen, kreuzten alle (!) Schüler an: „gutes Gefühl, etwas Praktisches für die Natur zu tun“ (ebenfalls einhellige Zustimmung gab es für „Spaß mit meinen Freunden“, 90 % außerdem für „etwas tun für die Erhaltung der Regenwälder“).

 

Eine zentrale Rolle im Aktivitäten-Portfolio der Naturschutzstation kommt darüber hinaus dem sogenannten „C.3-Projekt“ mit dem Titel „Osterzgebirge entdecken, Flächen pflegen, Gutes schmecken“ zu – ein größeres Förderprojekt, finanziert über den Abschnitt C.3 („Zusammenarbeit zum Schutz der Biologischen Vielfalt“) der sächsischen Förderrichtlinie Natürliches Erbe. Es geht darum, gemeinsam mit den vielfältigen Akteuren in der Region Wege zum Erhalt naturschutzbedeutsamen Grünlands zu finden, indem Vermarktungsstrukturen für Produkte der Grünlandpflege aufzubauen bzw. zu stärken. Im Rahmen dieses Projekts konnte auch eine Konzeption zur Wiedereinführung von Hüteschäferei  entstehen – als Grundlage dafür, dass in den nächsten Jahren hoffentlich doch wieder Schafe über die Fluren des oberen Müglitztales ziehen und für „dynamischen Biotopverbund“ sorgen können.

 

All das brachte der (noch jungen) Naturschutzstation Osterzgebirge in diesem Jahr immerhin den 3. Platz im Wettbewerb „Verein des Jahres“ der Ostsächsischen Sparkasse (Kategorie Soziales) ein.

 

Doch im Moment werden die Aktivitäten ziemlich ausgebremst. Und das liegt ausnahmsweise nicht daran, dass wegen der Coronaverordnungen erneut alle Veranstaltungen abgesagt werden mussten.

Vielmehr hat es das SSO-Landratsamt – als einziges in ganz Sachsen! – bisher nicht geschafft, für die auch 2021/22 aus dem Landeshaushalt zur Verfügung stehenden Finanzmittel rechtzeitig das Bewerbungsverfahren in die Wege zu leiten. Bestehende Verträge hängen in der Schwebe, ein personeller Umbruch scheint kaum noch abwendbar. Der Unmut derjenigen, die in den letzten zwei Jahren extrem viel Zeit und Nerven, Energie und Herzblut in das Kooperationsprojekt Naturschutzstation gesteckt haben, ist groß (und auch für Halbaußenstehende allzu verständlich)!

Bleibt nur weiterhin zu hoffen, dass wenigstens mit Dezember-Ausgabe des Landkreisboten das Interessensbekundungsverfahren endlich auch in unserem Kreis eröffnet wird – mit mehreren Monaten Verzögerung. Mit der „Naturschutzstation Osterzgebirge“ steht ein außerordentlich wertvolles Produkt kollegialer, gleichberechtigter, ergebnisorientierter Zusammenarbeit ansonsten sehr unterschiedlicher Umweltvereine vor großen Fragezeichen!

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