Natur im Osterzgebirge

Landesförderprogramm Naturschutz – Auf der Strecke blieb dabei die Naturschutzpraxis.

„Wir werden ein Landesförderprogramm Naturschutz auflegen, um den praktischen Naturschutz zu unterstützen, insbesondere für Pilotprojekte mit Vorbildwirkung.“
(„Gemeinsam für Sachsen“- Koalitionsvertrag 2019 bis 2024)

Wer hat es in den letzten Jahren schon mal selbst versucht, staatliches Fördergeld für eine Naturschutzmaßnahme zu beantragen? Klar, es gibt die förderbürokratiegestählten Antragsprofis bei einigen (größeren) Naturschutzvereinen und Landschaftspflegeverbänden, die da jede Menge Nerven und Selbstausbeutung reinstecken. Und viel Geld geht auch an Unternehmen, denen Naturschutz nicht ganz so wichtig ist, die aber über die Finanzkraft verfügen, sich all die Antragstellungsprozeduren, Vorfinanzierungen und Eigenanteile leisten zu können. Für Otto Normalnaturschützer ist staatliche Unterstützung für gemeinnützige Projekte und Maßnahmen meist unerreichbar geworden.

Die Tendenz der immer weitergehenden Professionalisierung, Bürokratisierung und Praxisentfernung fördermittelfinanzierten Naturschutzes zeichnete sich schon seit langem ab. Doch als die (vor-)letzte sächsische Staatsregierung entschied, so gut wie alles aus EU-Töpfen kofinanzieren zu lassen, wurde es richtig kompliziert – und für Antragsteller auch riskant (jeder Fehler kann jetzt gleich als EU-Subventionsbetrug gewertet werden, was auch allzu oft und gnadenlos so passiert).

Insbesondere das komplette Unterackern der Biotoppflege unter die Agrarförderung zog schwere Konsequenzen für die Biologische Vielfalt nach sich. Einerseits dürfen jetzt z.B. wertvollste  Nasswiesen von viel zu schwerem Landwirtschaftsgerät „gepflegt“ werden, andererseits fallen etliche artenreiche Kleinbiotope unter die Bagatellgrenzen.

Bevor die Richtlinien Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AuK) und Natürliches Erbe (NE) zu Beginn der letzten EU-Förderperiode in Kraft treten konnten, mussten die Fördermittelrichtlinienschöpfer im sächsischen Umweltministerium enorme Kraftanstrengungen vollbringen, um all die beabsichtigten Bausteine irgendwie in den europäischen Rahmen (namens ELER = Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raumes) einzupassen. Dummerweise spielen „Naturschutz“ und  „Biologische Vielfalt“ im ELER nur eine sehr untergeordnete Rolle. Als Außenstehender macht man sich wahrscheinlich gar keine Vorstellung davon, was für raffinierte Winkelzüge – und wie viele Überstunden – die Mitarbeiter im Umweltministerium anstellen mussten, um da sächsische Naturschutzförderung unterzubringen!

Auf der Strecke blieb dabei leider: die Naturschutzpraxis.

Und die Roten Listen werden länger, die Erhaltungszustände von Lebensräumen und Arten sind beängstigend mies. Mit sehr viel Geld werden vielleicht artenarme Agrarlebensräume etwas besser gemacht, doch die Verarmung vieler der wirklich noch artenreichen Biodiversitätszentren lässt sich mit Schema-F-Pflege (F wie Fördermittelwahnsinn) nicht erhalten.

Seit Jahren kämpfen wir deshalb darum, dass es wieder echten Vertragsnaturschutz geben muss. Konkret maßnahme- und schutzgutbezogen. Und vor allem: auf Augenhöhe zwischen den Vertragspartnern „Naturschutz-Macher“ und „Naturschutz-Behörde“ – im Gegensatz zur digitalen Friss-oder-stirb-Fördervorgabe „von oben“ wie bei AuK. Das geht natürlich nicht über die zwar finanziell üppig ausgestattete, aber extrem unflexible EU-Förderung.

Nun aber: „Landesförderprogramm Naturschutz“ im Regierungsprogramm von CDU, Grünen und SPD. Große Hoffnung auf neue Perspektiven!

Leider scheint sich der Enthusiasmus in der Naturschutzabteilung, dieses geplante neue Instrument umfassend mit Leben zu erfüllen, noch in Grenzen zu halten. So mancher ist dort offenbar nach wie vor davon überzeugt, dass Naturschutzförderung am besten bei der Agrarförderung untergebracht ist (weil dort mit Abstand das meiste Geld bereitgestellt wird). Vermutlich liegt es aber auch daran, dass Mitarbeiter und Verantwortliche der  Ministeriumsamtsstuben in der Regel nur wenig Praxisbezug haben.

(Mein schon vor Jahren beim Büro für Neuererwesen eingereichter Vorschlag: jeder Naturschutzbehördenmitarbeiter, insbesondere der oberen Ebenen, solle verpflichtet werden, für eine Naturschutzwiese seiner Wahl die Biotoppflege zu übernehmen, einschließlich eigenständiger Fördermittelbeantragung und -abrechnung, Betreuung der Flächenkontrollettis, Pachtverträge, Berufsgenossenschaft, … und natürlich der ungeförderten zusätzlichen Freizeitarbeiten wie Bruchholzberäumung oder Wildschweinwühlschäden glattharken).

Aber das Landesförderprogramm Naturschutz ist ein von grüner Seite hart erkämpfter, wichtiger Baustein im Regierungsprogramm – und erfährt daher nun auch unter dem grünen Minister Wolfram Günther hohe Priorität. Demnächst werden die Vorarbeiten zum Landesförderprogramm beginnen. Das Vorhaben ist sportlich: bereits nächstes Jahr sollen erste Antragstellungen möglich sein.

In einem Gespräch mit den Chefs der SMEKUL-Naturschutzabteilung haben wir sehr darum gebeten, dass bei diesem Programm wirklich von Anfang an die Naturschutzpraxis einbezogen wird. Dr. Schwarze, der Abteilungsleiter Naturschutz, bat uns daraufhin um inhaltliche Zuarbeiten. Er bot uns an, eine Liste mit wichtigen Naturschutzvorhaben  zu erstellen, die nicht oder nicht zielgerecht über bestehende Förderrichtlinien umsetzbar sind. Und zwar sehr zeitnah.

Darum hier die Bitte an alle, die in den letzten Jahren versucht haben, Naturschutzmaßnahmen oder -projekte über die Richtlinien „Natürliches Erbe“ oder „AuK“ zu beantragen, aber gegen Mauern gelaufen sind: schreibt bitte auf, was in welcher Form in einem Landesförderprogramm untergebracht werden soll!

Bis 10. Juni an: claudia.pommer@naturschutzzentrum-erzgebirge.deClaudia Pommer vom Naturschutzzentrum Erzgebirge sammelt alle Vorschläge, aus ganz Sachsen.

Bitte keine langen Essays (so wie ich immer im Grünen Blätt’l), sondern kurz und knapp nach folgendem Muster:

– Stichwort oder Titel

– 3 – 5 einfache Sätze als Kurzbeschreibung des Sachverhalts

– Name und Kontakt für Rückfragen (nicht zur Weitergabe bestimmt)

Umfangreichere Ausarbeitungen können wegen der knappen Zeit und der (hoffentlich) vielen Zuarbeiten aus allen Teilen Sachsens nicht berücksichtigt werden. Aber: eure praktischen Hinweise sind ganz, ganz wichtig!

Die Chance, als Naturschutzpraktiker an der Entwicklung eines Naturschutzfinanzierungsinstruments gestaltend mitwirken zu können, ergibt sich wahrscheinlich nicht allzu oft im Leben. Wir sollten die Chance unbedingt nutzen. Das könnte uns hinterher vielleicht auch so manchen Fördermittelfrust ersparen! Mir persönlich am wichtigsten bei alledem: Naturschutzförderung muss auch wieder für „Otto Normalnaturschützer“ zugänglich sein und darf nicht immer mehr zu den Pfründen immer spezialisierterer Antragsprofis werden. Statt Ehrenamtliche und vor allem junge Nachwuchsnaturschützer mit immer schrecklicherer Bürokratie und Unterordnung unter gefühlte staatliche Gängelung abzuschrecken, muss praktischer Naturschutz endlich wieder Motivation ausstrahlen, auch mit unkomplizierter Maßnahmenfinanzierung!

 

Was sollte unbedingt und mindestens rein in ein Landesförderprogramm Naturschutz?
laut Koalitionsvertrag vor allem: „praktischer Naturschutz“ und „Pilotprojekte“

Unser Vorschlag:

Teil A: Erhaltungsmaßnahmen für gefährdete und seltene Arten und Biotope

  • Maßnahmen auf der Basis von Schutzgebietsvorschriften/ –
    behandlungsrichtlinien oder FFH-Managementplänen, die
    nicht oder nur ungenügend über bestehende Förderrichtlinien
    umgesetzt werden können;
  • praktische Maßnahmen auf Kleinflächen oder Kleinprojekte,
    die entweder die Bagatellgrenzen bestehender
    Förderrichtlinien unterschreiten oder für die der
    bürokratische, zeitliche bzw. finanzielle Aufwand in keinem
    vertretbaren Verhältnis zum praktischen Maßnahmevolumen
    steht;
  • Vorbereitungs- und Managementaufwendungen für
    Maßnahmen in anderen Förderrichtlinien

Teil B: Entwicklungsprojekte – „Pilotprojekte mit Vorbildwirkung“

  • Schaffung neuer Lebensräume, Erweiterung oder
    Renaturierung vorhandener Lebensräume mit dem Ziel,
    Populationen geschützter Arten oder den Biotopverbund zu
    fördern
  • Projekte mit Versuchscharakter, für die der tatsächliche
    Erfolg nicht von vornherein mit hinreichender Sicherheit
    garantiert werden kann, um den strengen Maßstäben EUkofinanzierter
    Förderung zu entsprechen;
  • beispielgebende Projekte zur praktischen Umsetzung des
    Biotopverbunds

Grundlage jeglicher Förderung über dieses Programm soll „echter“ Vertragsnaturschutz sein, im Sinne eines zielspezifischen, flächen- und maßnahmenkonkret vereinbarten Vertrags zwischen förderbewilligender Naturschutzbehörde und maßnahmeumsetzenden Naturschutzakteurs.

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