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Es gibt viele Möglichkeiten, Natur zu schützen.
Unverzichtbar ist zunächst das naturschutzgerechte Verhalten jedes einzelnen Bewohners und Besuchers des Ost-Erzgebirges sowie seine Bereitschaft, selbst aktiv zu werden.
Doch wirken die Gefährdungen, denen Natur und Landschaft, die Biologische Vielfalt ausgesetzt sind, häufig so komplex, dass das Aufhängen von Nistkästen oder das Belassen von Blühinseln bei der Wiesenpflege hinterm Haus nicht ausreichen.
Zu den „klassischen“ Naturschutzinstrumenten gehört zunächst die Ausweisung von Naturdenkmalen und Schutzgebieten. Entsprechend seiner besonders reichhaltigen Naturausstattung verfügt der Naturraum Ost-Erzgebirge über derzeit 27 Naturschutzgebiete – vom gerademal 14 ha kleinen NSG Schwarzbachtal bei Dippoldiswalde bis zum mit nunmehr fast 1000 ha unter die „Top Ten“ der sächsischen Schutzgebiete aufgestiegenen NSG Grenzwiesen Fürstenau – Fürstenwalde.
Ergänzt wird das Schutzgebietsnetz durch zahlreiche Naturdenkmale: über einhundert Flächennaturdenkmale (faktisch: Mini-Naturschutzgebiete bis maximal 5 ha) und ebenfalls rund einhundert Baumnaturdenkmale. Eingebettet sind diese „echten“ Schutzgebiete in die zwar großflächigen, aber nur sehr begrenzt naturschutzwirksamen Kategorien Landschaftsschutzgebiet sowie Naturpark / Přírodní park.
Zusätzlich wurden seit Anfang der 2000er Jahre – nach gehörigem Druck seitens der Europäischen Union – auch in Sachsen und Tschechien die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie der EU umgesetzt und entsprechende Gebiete für das System NATURA2000 ausgewiesen. Die Grüne Liga Osterzgebirge koordiniert hier derzeit ein NATURA-2000-Gebietsbetreuungsprojekt mit zahlreichen Orts- und Fachkennern als halb-ehrenamtliche Gebietsbetreuer.
Doch auch mit „Schutzgebietsinseln“ in ansonsten eher naturfeindlicher Umgebung (Pestizidäcker, Monokulturen, Gewerbegebiete, Autobahn …) lässt sich allenfalls nur ein kleiner Teil der landschaftsprägenden Artenvielfalt erhalten. Wichtig ist, dass diese Refugien in einen funktionalen Verbund gebracht werden – idealerweise ein Netzwerk aus Kernlebensräumen, Trittsteinbiotopen und Verbundkorridoren bilden.
Im Bundesnaturschutzgesetz (§21) wird die Schaffung eines „Netzes verbundener Biotope“ gefordert, das mindestens 10 % der Fläche eines jeden Landes umfassen soll. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat vor längerer Zeit bereits fachliche Grundlagen für einen solchen landesweiten Biotopverbund geschaffen, die auch in die planerischen Zielstellungen des aktuellen Landesentwicklungsplan aufgenommen wurden. Mit der praktischen Umsetzung indes hapert es noch sehr – wie so oft in Sachsen.
Das Ost-Erzgebirge bietet für funktionalen Biotopverbund in weiten Bereichen noch recht günstige Voraussetzungen: strukturreiche Steinrückenlandschaften, das Netz der Bergbauteiche südlich von Freiberg, die steilen Gebirgstäler mit ihren naturnahen Hangwäldern, um nur einige Beispiele zu nennen.
Letztere spielen auch im europäischen Schutzgebietssystem NATURA2000 eine große Rolle, wo explizit „Kohärenz“ gefordert ist.
Keine Frage: Naturschutz gibt es unter heutigen Bedingungen nicht zum Nulltarif! Zum einen stehen dem altruistischen, gesamtgesellschaftlichen Ziel „Biologische Vielfalt erhalten“ zahllose gewinnorientierte Einzelinteressen entgegen. Zum anderen resultieren Arten- und Strukturreichtum in der Kulturlandschaft größtenteils aus früheren Landbewirtschaftungsformen, die ohne zusätzliche Förderung niemals konkurrenzfähig wären. Kleine Bergwiesen würden verbuschen, große in blütenarmes Einheitsgrün umgewandelt.
Da die Mehrzahl der Menschen – und nicht nur die konkreten Landeigentümer – „intakte Natur“ für wichtig ansehen (wie etwa die aller zwei Jahre erscheinende „Naturbewusstseinsstudie“ des Bundesamts für Naturschutz immer aufs Neue belegt), ist der Einsatz von Steuergeldern dafür nur recht und billig. Aber kompliziert! Vor allem in Sachsen. Fördermittelbeantragung ist hier eigentlich nur noch was für Spezialisten mit viel Duldsamkeit.
Prinzipiell stehen für die Förderung von Naturschutzmaßnahmen in Sachsen folgende Töpfe bereit:
Richtlinie Natürliches Erbe – RL NE/2014
NE umfasst u.a. die „Fördergegenstände“: Biotopgestaltung (A.1), Artenschutz (A.2), Technikanschaffung (A.3), Fachplanungen (B.1), Dokumentation von Artvorkommen (B.2), Öffentlichkeitsarbeit (C.2), Komplexvorhaben (D), Wolfsschadenprävention (E), Anlage von Landschaftsstrukturelementen (z.B. Hecken, F). Also in der Regel einmalige, nicht ständig wiederkehrende Aktivitäten (wie Biotoppflege). In unvorhersehbaren Abständen veröffentlicht das SMUL für bestimmte „Fördergegenstände“ einen Aufruf, dann darf man bis zu einem bestimmten Stichtag für entsprechende Maßnahmen um Förderung „bitten“. alle eingegangenen Förderanträge werden von der Behörde dann nach einem Punktsystem bewertet, kommen in ein „Ranking“, und so lange das für den „Aufruf“ zur Verfügung gestellte Budget reicht, können dann die Förderbewilligungen ausgestellt werden. Wie gesagt: nur noch ein Geschäft für Spezialisten, Otto Normalnaturschützer sollte sich an einen Umweltverband mit solchen Spezialisten wenden.
Richtlinie Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen – AUK/2015
In erster Linie ein Agrarförderprogramm für umweltgerechte Landbewirtschaftung – in dem aber die Biotoppflegemahd von besonders naturschutzbedeutsamen Wiesen mit untergeackert wurde. In einem komplizierten Verfahren, das wiederum nur Landnutzer mit entsprechend großen Flächen (Bagatellgrenzen 0,1 bzw. 0,3 ha), den notwendigen Büropersonalkapazitäten und abermals hoher Duldsamkeit zur Verfügung steht, kann man für die Mahd von Biotoppflegeflächen Förderung beantragen. Diese ist gestaffelt nach Erschwerniskategorien, die im Vorfeld von Leuten festgelegt wurden, die in der Regel die Pflegeflächen gar nicht kannten. Wobei die allerhöchste Erschwernis in der Beantragungsprozedur selbst besteht.
Richtlinie Insektenschutz und Artenvielfalt – ISA/2021
Für einige (wenige) Maßnahmen zur Erhaltung der Kleintiervielfalt gibt es seit Februar 2021 ein spezielles Insektenschutz-Förderprogramm: mehrjährige Blüh- und Brachestreifen am Feldrand sowie Brachestreifen im Grünland. Antrgsberechtigt sind kleine und mittlere Landwirtschaftsunternehmen.
LEADER-Förderung in der Region „Silbernes Erzgebirge“
LEADER ist ein EU-Förderprogramm zur Stärkung ländlicher Räume. Als ein solcher ländlicher Raum hatten sich der ehem. Weißeritzkreis und der ehem. Kreis Freiberg als Projektregion „Silbernes Erzgebirge beworben. Dabei geht es nicht um erster Linie um Naturschutz, aber mit entsprechendem fördertechnischem Geschick lassen sich da durchaus auch „ökologische“ Maßnahmen teil-finanzieren („Handlungsfeld F“: Umwelt, Natur und Landschaft)
INTERREG V A: deutsch-tschechische Projekte
Wie beim Vorgängerprogramm „ZIEL 3“ gibt es hier die Möglichkeit zur anteiligen Finanzierung von deutsch-tschechischen Projekten. Ein Teil des Budgets war für auch für „Gewässerschutz, Natur- und Kulturerbe, Naturschutz“ vorgesehen, allerdings im selben Topf wie „Tourismus“ und „Straßenbau“. Inzwischen sind die hier eingeplanten Mittel für „Großprojekte“ (über 30.000 €) in der laufenden Förderperiode ausgeschöpft.
Kleinprojekte (bis 30.000 €) können über die Euroregion Elbe/Labe bzw. Euroregion Erzgebirge beantragt werden.
Naturschutzprojekte im Ost-Erzgebirge
Neben den genannten Fördertöpfen gibt es noch zahlreiche weitere mögliche Finanzierungsquellen auf europäischer, Bundes- und Landesebene sowie im Stiftungsbereich. Oft ist es eine aufwendig zu managende Kombination verschiedener Geldgeber mit ihren jeweiligen Bürokratie-Anforderungen. Dennoch kamen und kommen zahlreiche größere Projekte der Natur des Ost-Erzgebirges zugute. Hervorzuheben sind insbesondere:
- „Wiesenprojekte“, u.a.:
– Naturschutzgroßprojekt „Bergwiesen im Osterzgebirge“ (1999-2018)
www.bergwiesen-osterzgebirge.de
– Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben Grünland um Oelsen (2003-07, 2013-16), genauer: „Vergrößerung, Wiederherstellung und Verbindung (sub-)montaner Grünlandgesellschaften in der Agrarlandschaft durch die Regeneration schutzwürdiger Biotope …“
www.gruenland-osterzgebirge.de
- „Gehölzprojekte“, u.a.:
– Wildapfelprojekt der Grünen Liga Osterzgebirge (2007-2011)
– Wildobstprojekt (2012-2017)
– Streuobstprojekte des Landschaftspflegeverbands (2013-15, 2019-20)
- „Waldprojekte“, u.a.:
– Waldbehandlung, Waldmehrung und Auengestaltung (2005-08)
- „Gesteinsbiotopprojekte“, v.a.:
– FloraLith – Gesteinsbiotope im Erzgebirge (2018-20)
- „Fließgewässerprojekte“, u.a.:
– Bäche-Lebensadern (2012-14)
- „Moorprojekte“
- „Artenschutz-Projekte“, u.a.:
– Birkhuhn-Hilfsprogramm Sachsen (???)
– Wiederansiedlung gefährdeter Offenlandarten (2016-18)
- Betreuung von Schutzgebieten
– Natura-2000-Gebietsbetreuung (2009-14, 2016-2021)
Ein weiteres Instrument des Naturschutzes kann die sogenannte Eingriffskompensation sein – allerdings ein sehr zweischneidiges! Steht doch auf der Gegenseite selbst noch so grüner „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ immer eine Naturzerstörung. Nur sehr selten kann der durch Bauvorhaben aller Art – Straßen, Gewerbegebiete, Hochwasserdämme, Windkraftanlagen – entstandene Schaden an Flora, Fauna, Ökosystem oder Landschaftsbild tatsächlich „wiedergutgemacht“ werden. Komplizierte Neuregelungen wie Ökokonten und Kompensationsflächenkataster haben neue Möglichkeiten geschaffen – wahrscheinlich mehr gegen als für die Natur.