Es geht weiter abwärts, steil abwärts, mit den Birkhuhnbeständen, auch im Erzgebirge. Noch vor wenigen Jahren postulierten die Ornithologen, hier lebe eine der wenigen Populationen dieses Raufußhuhns, die in Mitteleuropa noch Zukunftschancen habe. Inzwischen aber droht den Birkhühnern auch hier das Schicksal des Aussterbens, wie im 20. Jahrhundert schon ihren Verwandten Hasel- und Auerhuhn.
Was war das für ein Gefühl, Anfang der 1990er Jahre bei Fürstenau zehn oder zwanzig kollernden Hähnen beim Balzen zu erleben! Inzwischen habe ich da schon lange kein Birkhuhn mehr gesehen. Die Balzplätze am Sattelberg sind seit dem Bau der Autobahn verwaist; vor dem Bau der Grenzzollanlage konnte man auch auf den Wiesen zwischen Zinnwald und Altenberg Birkhühner beobachten. Vor allem aber haben sowohl der tschechische als auch der deutsche Staatsforst die allermeisten Offenflächen im Erzgebirgswald inzwischen zugepflanzt. Auf diese Weise ist wahrscheinlich die einstmals bedeutende Birkhuhn-Teilpopulation bei Deutscheinsiedel (fast?) erloschen.
Hinter den Kulissen tobt heftige Kontroverse zwischen den Naturschutzverbänden mit ihren engagierten Hobby-Ornithologen einerseits und dem primär an dichten Waldbeständen interessierten Staatsbetrieb Sachsenforst andererseits. Bei letzterem sehen viele Verantwortliche ihre Pflicht zum Birkhuhnerhalt mit großflächigen Moor-Wiedervernässungen als weitgehend erfüllt an. Diese Moor-Rekultivierungsbemühungen sind durchaus anerkennenswert, allerdings aus anderen Gründen. Dem Birkhuhn nützen nasse Füße nix.
Viel wichtiger ist die artgerechte Habitatgestaltung – mit ausreichend großen (halb-)offenen Balzbereichen, mit Ebereschen und anderen Futterpflanzen. So wie dies seit langem der Forstbezirk Bärenfels in Teilbereichen des Kahleberggebiets versucht. Im Rahmen des Schellerhauer Naturschutzpraktikums hat auch die Grüne Liga Osterzgebirge beim Freischneiden von Birkhuhn-Blößen mitgeholfen. Inzwischen ist dies hier eine kleine Insel der Hoffnung für die vom Aussterben bedrohte Art.
Zu den Hauptproblemen im EU-Vogelschutzgebiet „Kahleberg und Lugsteingebiet“ gehört dessen dichte Erschließung für Tourismus und Wintersport. An den „normalen“ Skifahrerrummel scheinen sich die Hühner inzwischen erstaunlich gut gewöhnt zu haben (insofern die Brettler immer schön auf ihren Loipen bleiben). Wenn allerdings in der Biathlonarena im Hofmannsloch die Flutlichtanlagen angeschaltet werden, weithin Popmusik dröhnt und die Ballerei beginnt, setzt dies die Tierwelt hier schon unter heftigen Stress. Birkhuhn und Biathlon passen nicht so richtig zusammen.
Jetzt hat der Freistaat Sachsen angekündigt, wiedermal das Förder-Füllhorn über dem Winter-Leistungssport auszuschütten. Nach den über 700.000 Euro für die neue Bob-Anschub-Trainingsanlage am Gymnasium soll nun auch die Biathlonarena für 580.000 Euro weiter ausgebaut werden (selbstverständlich ist für die Bobbahn im Kohlgrund ebenfalls schon wieder eine teure Umbaumaßnahme im Gespräch, alle Jahre wieder …).
Eine ganze Menge Steuergeld für ein fragliches Vergnügen im Klimawandel! Erkenntnis: am mangelnden Vermögen des Staates liegt es also nicht, wenn es nicht gelingt, die Biologische Vielfalt zu erhalten – eher am Unvermögen der politisch Verantwortlichen, für dieses Vermögen die richtigen Prioritäten zu setzen.
Vor zwanzig, dreißig Jahren tummelten sich noch etliche hundert Birkhühner auf dem Kamm des Ost-Erzgebirges, beiderseits der Grenze. Inzwischen dürfte die Zahl im niedrigen zweistelligen Bereich liegen, weitestgehend auf tschechische Reliktvorkommen reduziert. Und das im Kahleberg-Lugstein-Gebiet.