Natur im Osterzgebirge

Begegnungen im Regenwald

Altenberger Madagaskar-AGler zu Besuch bei Freunden in Anjahambe

nach der Ankunft in Antananarivo

Weltoffenheit gegenüber Menschen und Natur speist sich aus der offenen Begegnung mit den Menschen und der Natur der Welt. Schülerreisen zu Umweltprojekten in anderen Teilen der Welt können für das Engagement der jungen Leute sehr motivierend sein.

auch im Stadtverkehr: volle Buschtaxis

Der Besuch der madagassischen Jugendlichen 2018 in Altenberg zum Beispiel. Die sechs Schülerinnen und Schüler sowie ihre beiden erwachsenen Begleiter hatten sich teilweise schon über viele Jahre beim Analasoa-Club in ihrem Heimatort Anjahambe (im Regenwaldgebiet Ost-Madagaskars) für Wiederaufforstungsprojekte eingesetzt. Und die meisten sind auch jetzt noch mit bewundernswertem Engagement dabei.

Müll – eines der größten Probleme

Zwischenzeitlich brachten die Corona-Pandemie und die damit einhergehende Selbstisolation des Inselstaats die persönlichen Begegnungsmöglichkeiten zum Stillstand.  Nun aber, im Oktober 2022, konnten Hannes, Niklas und Simon zum Gegenbesuch nach Anjahambe reisen. Die drei Zwölftklässler sind schon seit Beginn ihrer Altenberger Gymnasiumszeit im Rahmen der hiesigen “Madagaskar-AG” aktiv. Viele gute Projektideen gehen auf sie zurück, eine Menge Spendeneuros sind durch die

Wiedersehen in Tamatave

daraus resultierenden Aktionen den Regenwaldprojekten zugeflossen, und auch hier im Raum Altenberg verdanken zahlreiche Bäume ihre Existenz den Pflanzeinsätzen der Madagaskar-AG. Simon, Niklas und Hannes gehören seit vielen Jahren zu den besonders engagierten Schülern am Glückauf-Gymnasium.

Die Projektreise jetzt im Oktober konnte zu einem erheblichen Teil über den EKU-Preis des sächsischen Umweltministeriums finanziert werden, den die Madagaskar-AG 2021 für ihr Engagement erhalten hatte. Noch besser aber: im Reisegepäck steckten 2.500 € Spenden für gemeinsame Aktionen mit den madagassischen Freunden. Der größte Teil dieses Geldes stammte aus den phänomenalen Einnahmen der Versteigerung von Schülerkunstwerken des “Rainforest Art Contest”, am 1. Oktober im Bärensteiner Geißlerhaus.

 

Parsons Chamäleon

Von Altenberg nach Anjahambe

Willkommensgruß am Lycée

Nach fast einwöchiger Anreise kamen die Besucher (neben den drei Schülern noch ein Vater, die madagassische Dolmetscherin vom Dresdner Regenwaldverein Ranoala und ich) am 15. Oktober in Anjahambe an. Es folgte ein überaus herzliches Wiedersehen mit den Gästen von 2018 – mit Saniolin, Deliatrice, Edram, Cerva, Mamanadji. Und dann eine vollgepackte Woche mit Empfang am Lycee (offiziell Partnerschule des Glückauf-Gymnasiums), Fußballturnier und einem großen Workshop zur Zukunft des Analasoa-Waldes.

Auf dem Höhenrücken beginnt der Analasoa-Wald

Das vor allem auch mit Altenberger Spendengeldern finanzierte und größtenteils durch die Schüler von Anjahambe bepflanzte Wiederaufforstungsgebiet rund um den kleinen Rest-Regenwald am Rande des Ortes wird inzwischen seinem Namen durchaus gerecht: Analasoa heißt auf Deutsch “der gute Wald”. Vielstimmiges Vogelgezwitscher empfängt die Waldbesucher, Schildechsen und mitunter auch Madagaskar-Boas rascheln im Laub auf dem Boden. Besonders beeindruckend: eine große Kolonie Flughunde, mindestens 200 Exemplare, hat sich den Analasoa-Wald als neue Heimstätte auserkoren. Das sind zwar nur 0,1 % des Gesamtbestandes an Roten Madagaskar-Flughunden, aber die Zahl dieser endemischen Art nimmt mit der Entwaldung  der Insel weiter rasant ab. Auch deshalb kommt sekundären Regenwaldinseln wie Analasoa große Bedeutung zu.

Pflanzeinsatz

Das Besuchsprogramm in Anjahambe begann dann auch gleich mit einem gemeinsamen Pflanzeinsatz – zusammen mit ca. 60 Schülerinnen und Schülern aus Anjahambe, teilweise auch schon seit etlichen Jahren im dortigen “Analasoa-Club” aktiv. Dazu noch einige Freunde, die inzwischen die Schule und Anjahambe verlassen haben, um in der Provinzhauptstadt Tamatave/Toamasina zu studieren oder zu arbeiten. (Sie haben dort jetzt übrigens einen “Analasoa-Club Tamatave” gegründet). Solche Pflanzeinsätze sorgen stets nicht nur für neue Bäume, sondern auch für jede Menge gute Laune bei den Teilnehmern. Nach getaner Arbeit gibt es ein üppiges Reis-Mittagessen auf großen, auf dem Waldboden ausgebreiteten Ravinala-Blättern (“Baum des Reisenden”, typische madagassische Regenwaldart mit riesigen Blättern, ähnlich wie die von Bananen). Und so ganz nebenbei auch einiges an Umweltbildung durch die Betreuer des Analasoa-Clubs.

Mittagspause beim Pflanzeinsatz

Seit vor reichlich zehn Jahren sowohl der Analasoa-Club in Anjahambe als auch die Madagaskar-AG in Altenberg entstanden, hat sich die Kombination aus “Erst-gemeinsam-für-die-Natur-arbeiten”, dann “Gemeinsam-verreisen-zum-Natur-erleben” zum vielfach bewährten Grundgerüst entwickelt. Die Altenberger Schüler besuchen nach ihren Pflanzeinsätzen vor allem Zoos und Botanische Gärten, in denen es Regenwald oder madagassische Arten zu erleben gibt. Für die Freunde aus Anjahambe hingegen sind Wochenendexkursionen in madagassische Naturschutzgebiete immer etwas ganz Besonderes. Denn in Madagaskar ist das Verreisen zu einem für normale Dorfbewohner unerschwinglichen Luxusvergnügen geworden. Ein Liter Benzin kostet umgerechnet inzwischen 1,50 € – bei einem Waldarbeiterverdienst von rund 2 € … pro Tag! Entsprechend teuer sind die Fahrten mit Buschtaxis (= in Europa ausrangierte, meist klapprige Minibusse), dem landestypischen Transportmittel.

 

Andasibe-Nationalpark

Gemeinschaftserlebnis Regenwald

Und so waren die üppigen Spendeneinnahmen aus der “Rainforest Art Contest”-Versteigerung überaus willkommen. Wir konnten zwei solche Taxi Brousse für drei Tage mieten, die beiden Mercedes-Sprinter mit 45 jungen Leuten vollstopfen und in den Andasibe-Mantadia-Nationalpark reisen. Mit seinen recht

Indri

zutraulichen Lemuren gehört Andasibe zu den bestbewahrten Perlen des madagassischen Schutzgebietssystems – und zum Standardprogramm nahezu aller ausländischen Touristen. Die meisten Guides, ohne die man den Nationalpark nicht besuchen kann, kennen sich wirklich gut aus, sprechen neben Malagasy und Französisch auch mehr oder weniger gut Englisch, und einige sind darüberhinaus wirklich engagiert, um ihren “Arbeitsplatz” vor illegalem Holzeinschlag und Wilderei zu schützen. Während des über zweijährigen Ausbleibens von Touristen infolge der Corona-Selbstisolation Madagaskars wurden die Männer und Frauen auf eine harte Probe gestellt!

Jetzt sind sie wieder zurück, die naturinteressierten Besucher aus aller Welt, die Guides haben gut zu tun. Dennoch nahmen sich zwei von ihnen Zeit für einen ganzen Tag Umweltbildungsprogramm mit den Schülerinnen und Schülern aus Anjahambe sowie ihren deutschen Freunden. Die Jugendlichen konnten Lemuren sehen, die ihre Großeltern auch noch in der Umgebung ihres Heimatortes erlebt hatten. Und sie lernten auch Vieles zu praktischen Maßnahmen für die Erhaltung des Regenwaldes. Die Guides betreiben ein gemeinsames Wald-Renaturierungsprojekt (“Park Mitsinjo”) unmittelbar angrenzend an den Nationalpark.

Grußbotschaft an die Madagaskar-AG

Bericht aus Altenberg am Abend

Bei der Andasibe-Exkursion wurden Erinnerungen wach: 2012, also vor reichlich zehn Jahren, hatten wir zum erstenmal die Kombination ausprobiert: zuerst ein Pflanzeinsatz mit freiwilligen Schülerinnen und Schülern im Analasoa-Wiederaufforstungsprojekt, dann eine Exkursion nach Andasibe (auch schon mit vorrangig Altenberger Spendengeldern). Damals waren 12 junge Leute dabei – die Verständigung sehr schwierig, weil faktisch keiner Englisch sprach. Aber es wurde ein großartiges Erlebnis!

Die Begeisterung ist ungebrochen. Doch kaum zu glauben, was für eine Entwicklung der Analasoa-Club inzwischen genommen hat! Diesmal waren ca. 40 Schülerinnen und Schüler dabei, und die Hälfte von ihnen nahm an den Führungen auf Englisch teil. Verständigung mit den deutschen Freunden ist heute kaum noch ein Problem.

Testquiz im großen Gemeinschaftszelt

Wie immer bei den Exkursionen gab es am Abend dann noch ein Quiz, bei denen die Jugendlichen getestet worden, was sie bei den Führungen gelernt haben. Und bei denen es die kleinen Geschenke zu gewinnen gab, die Altenberger Schüler mitgegeben hatten. Die meisten Punkte erreichte Selmah – die an den englischsprachigen Führungen teilgenommen hatte!

 

Auf zu neuen Projekten!

Workshop zur weiteren Entwicklung des Analasoa-Waldes mit Vertretern der Kommunenverwaltung, der Ligue Verte, dem Analasoa-Club und den Waldarbeitern

Nach einem Abschiedsabend am Meer mussten die madagassischen Freunde zurück nach Anjahambe, zur Schule. Und auch für die Altenberger rückte die Heimreise schon wieder näher. In der Provinzhauptstadt gab es dann nochmal ein Treffen mit den Mitgliedern des “Analasoa Club Tamatave” sowie dem Verein “JADE”, der sich für Entwicklungsprojekte in der Region engagiert. Mit dabei: Jan-Bodo aus Pirna, der seit ca. 15 Jahren in Tamatave lebt. Mit Hilfe des kleinen Pirnaer Vereins “Freunde Madagaskars” organisiert er Unterstützung für Menschen in Tamatave und Umgebung.

neue Bücher für die Bibliothek des Analasoa-Clubs

eines von drei Klassenzimmern des Lycée (insg. 250 Schüler)

Zum umfangreichen Projekt-Portfolio von JADE soll demnächst eine neue Initiative hinzukommen, an der einige Leute im Raum Altenberg derzeit schmieden: Wenn alle finanzbürokratischen Hürden genommen sind, wird es demnächst eine “Analasoa-Stiftung” geben, die mit kleinen Stipendien jungen Leuten aus Anjahambe ein Studium oder eine Berufsausbildung ermöglichen will. Im Fokus stehen dabei natürlich zuvorderst die engagiertesten und fähigsten Mitglieder des Analasoa-Clubs, die ihr Abitur geschafft haben (bei dem Niveau des Bildungswesens hier wahrlich keine Selbstverständlichkeit!). Gespeist werden soll das Ganze dann auch wieder mit Spendengeldern – mehr dazu hoffentlich bald an dieser Stelle hier!

mit Botschaftsmitarbeiter Konrad in Antananarivo

Zurück in der Hauptstadt Antananarivo erwartete die Altenberger Madagaskar-Reisenden noch ein sehr interessantes Gespräch mit Konrad Sternisko, dem für Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Mitarbeiter der deutschen Botschaft. Konrad (der aus Dresden stammt) zeigte sich sehr interessiert an unserer Partnerschaft zwischen Schülern aus Altenberg und Anjahambe, sowie den zugrundeliegenden Umweltprojekten. Vielleicht lässt sich damit auch eine längerfristige Kooperation ermöglichen. Die Botschaft verfügt über einen sogenannten Kleinprojektefonds, der für die Initiativen des Analasoa-Clubs durchaus eine Option sein könnte.

Wenig Hoffnung machen konnte uns Konrad allerdings hinsichtlich Unterstützung für einen nächsten Besuch der madagassischen Freunde in Altenberg. Die Visavergabe für den Schengenraum läuft nahezu ausschließlich über die französische Botschaft, und deren Hürden werden offenbar immer höher. Schülerinnen und Schülern aus Anjahambe eine Reise nach Deutschland zu ermöglichen, wird wieder auf ein extrem zähes Ringen mit der Bürokratie hinauslaufen. Doch wir sollten es auf alle Fälle wieder versuchen!

Weltoffenheit erfordert die Begegnung mit Menschen aus aller Welt, persönlich, unmittelbar, auf Augenhöhe. Auch in Altenberg.

Jens Weber.

 

Bilder von der Schülerreise gibt es auch bei Instagram unter we.for.the.rainforest

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