Natur im Osterzgebirge

NATURA 2000 Gebietsbetreuung: Das untere Wild-Weißeritztal

Natura 2000 ist ein EU-weites grenzenloses Netz von Schutzgebieten. Es setzt sich zusammen aus den Schutzgebieten der Vogelschutz-Richtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) und den Schutzgebieten der Fauna-Flora-Habitat (FFH) Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG). Diese Gebiete dienen in besonderem Maße dem Schutz der biologischen Vielfalt durch den Erhalt von seltenen, gefährdeten oder typischen Lebensräumen oder Arten.

Die Grüne Liga Osterzgebirge ist Träger des NATURA-2000-Gebietsbetreuerprojektes im Landkreis Sächsische Schweiz Osterzgebirge (ausführliche Info im Grünen Blättl, Ausgabe April 2018). Die dritte Betreuungssaison des Projektes ist abgeschlossen. Und so werden wir weiter die betreuten Gebiete in loser Folge kurz vorstellen. Dieses Mal geht es um das Schutzgebiet der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 037E „Täler von Vereinigter und Wilder Weißeritz“ unterer Teil.

Kurzcharakteristik

Der in ehrenamtlicher Betreuung befindliche Ausschnitt des Unteren Weißeritztales umschreibt das Gebiet in südlicher Abgrenzung in etwa der Linie Dorfhain – Edle Krone und in nördlicher Abgrenzung entlang der Wilden Weißeritz bis Freital Hainsberg, wo die Rote und Wilde Weißeritz sich zur Vereinigten Weißeritz zusammenschließen. Es handelt sich hier um ein Übergangsgebiet, das von den Unteren Berglagen des Osterzgebirges zum Hügelland, geologisch von den Freiberger Grauen Gneisen zum Rotliegenden im Döhlener Becken und vegetationskundlich von den Buchenmischwäldern zu den Eichen-Mischwäldern reicht.

In ihrem Unterlauf hat sich die Wilde Weißeritz ein zum Teil über einhundert Meter tiefes Kerbsohlental geschaffen, vorwiegend im Freiberger Grauen Gneis, vereinzelt auch im Quarzporphyr. Die Talhänge sind nicht nur beachtlich hoch, sondern teilweise auch sehr steil mit Klippenbildungen, Felswänden und Blockfeldern. Kurze, gefällereiche Seitenbäche stürzen von den umliegenden Hochflächen hinab zur Wilden Weißeritz: Von rechts Kleiner und Großer Stieflitzbach, Höckenbach und Harthebach; von links Seerenbach, Tiefergrund- und Breitergrundbach, Schloitzbach und Pastritz. Die hier skizzierte hohe Reliefenergie des Gebietes lässt schon auf eine anspruchsvolle Gebietsbetreuung schließen.

FFH Würdigkeit

Die Weißeritztalhänge lesen sich wie ein aufgeschlagenes Lehrbuch der Geobotanik. Während bspw. an den Nordhängen Buchenmischwälder in ihren verschiedenen Ausprägungen dominieren, stocken im Bereich zwischen Tharandt und Hainsberg an den südexponierten Hängen Eichen-Hainbuchenwälder, zum Teil mit Winter-Linde. Diese wurden durch die inzwischen historische Waldnutzungsformen der Nieder- bzw. Mittelwaldwirtschaft gefördert. Bis Ende des 19., teilweise noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden bei der Niederwaldnutzung die jungen Stämme abgesägt bzw. mit Äxten abgehackt, woraufhin sich die Bäume durch „Stockausschlag“ – also mit neuen Trieben – regenerierten. Der Mittelwald ist eine Bewirtschaftungsform mit zwei Zielen: Erzeugung von Brennholz und Erzeugung von Bauholz. Beides erfolgt auf derselben Fläche aber in unterschiedlichen Schichten und in unterschiedlichen Umtriebszeiten der Bäume. Spuren dieser Waldnutzungsformen lassen sich hier immer wieder entdecken.

Der für Sachsen außergewöhnliche Reichtum an Waldgesellschaften der naturnahen Laubmischwälder führte 1961 zur Ausweisung als Naturschutzgebiet. Die hohe Anzahl und Dichte der Lebensraumtypen von europäischer Bedeutung begründen zudem die FFH-Würdigkeit des unteren Weißeritztales.

 

Zusammenfassende Zustandsbeurteilung

Vom Gebietsbetreuer wurden im Gebiet keine erheblichen Beeinträchtigungen festgestellt, möglicherweise aber unterhalb in der Weißeritz am Ortsausgang Freital eine Gewässerverschmutzung durch eine eingeleitete Substanz. Trotz mehrfacher Nachfrage wurde bisher durch die Untere Wasserbehörde keine Antwort gegeben.

Ein Beispiel für weitere Eingriffe im FFH-Gebiet ohne Vorinformation des Betreuers sind Arbeiten im Gewässer am Ortsausgang Tharandt Richtung Edle Krone, die lt. Firma im Auftrag der Landestalsperrenverwaltung durchgeführt wurden; mit mehreren Baggern in der fließenden Welle, wo vorher Hochstaudenfluren sich entwickelt haben u. a. mit dem Zottigen Weidenröschen als potenzielle Nahrungspflanze des Zottigen Nachtkerzenschwärmers.

Arbeiten in dem Gewässer der Wilden Weißeritz am Ortsausgang Tharandt in Richtung Edle Krone in der fließenden Welle Foto: Hanno Voigt

Vermeidungsmaßnahmen waren nicht erkennbar. Information an den Gebietsbetreuer fand nicht statt.

Die durch Sicherungszäune vernetzten Fels-LRT eutrophieren immer mehr. Die Felssicherungen dienen auch als Laubfangnetze. Dadurch erfolgt eine Verdrängung der typischen Felsflora, so z. B. der Fetthenne durch konkurrenzstärkere Arten aufgrund des Nährstoffeintrags. Hier ist dringend ein Konzept geboten, wie auf der einen Seite die wertgebenden Arten, Habitate und Lebensraumtypen existieren können – und auf der anderen Seite die Felssicherung gewährleistet bleibt.

Beispiel Fetthennen-Bläuling

Fetthennen-Bläuling Foto: Olaf Leillinger, Quelle: Wikipedia

Das Primärhabitat sind steile besonnte Felshänge, an denen die Nahrungspflanze der Raupen wächst, insbesondere in Flusstälern. Die Fetthennen-Bläulinge fliegen je nach Region in Deutschland in einer Generation von Juni bis Ende August. Die Eiablage erfolgt an Fetthennen (Sedum), meist Sedum telephium/maximum.

Die Raupen sind anfangs nicht sichtbar, da sie im Blattinneren fressen. Mit zunehmender Größe treten sie hervor und werden wie fast alle Bläulingsraupen von Ameisen „bewacht“. Die Verpuppung erfolgt in Gesteinsritzen oder in der aufliegenden Streuschicht. Die Falter saugen an einer Vielzahl von Nektarpflanzen, wobei eine Vorliebe zu weißen Blüten zu beobachten ist.

Der Fetthennen-Bläuling gehört in Sachsen zu den streng geschützten Arten. Er ist nach der Roten Liste in Sachsen und in Deutschland vom Aussterben bedroht. Sein Erhaltungszustand wird als schlecht eingeschätzt. Bundesweit gibt es nur noch Vorkommen in Sachsen, Thüringen, Bayern und Rheinland-Pfalz. Die Art gilt als empfindlicher Bioindikator und Kulturflüchter.

Ich habe durch unseren Gebietsbetreuer und profunden Kenner Dr. Hanno Voigt Kenntnis von der Art und der Problematik erhalten. Durch die Felssicherung, bzw. deren gegenwärtige Ausübung derselben ist der Fetthennen-Bläuling in seiner Existenz bedroht ist. Die meisten von uns wissen nicht einmal von der Existenz der Art und dann womöglich von dem lautlosen Verschwinden… Auch diese Art verdient es zu existieren. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf!

Eckehard-G. Wilhelm

Quellen: Naturführer Ost-Erzgebirge, Gebietsbetreuerbericht 2020, https://www.deutschlands-natur.de/tierarten/tagfalter/fetthennen-blaeuling

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