Es ist wieder soweit: der Mai lässt die Trollblumen blühen. Allerdings fast nur noch rund um den Geisingberg.
Noch vor 20, 30 Jahren kam die prächtige Bergblume auf etlichen dutzend feuchter Osterzgebirgswiesen vor. Fast alle dieser Vorkommen sind inzwischen erloschen. Auch umfangreiche Wiederansiedlungsbemühungen durch Pflanzung vorangezogener Trollblumen durch das Umweltzentrum Dresden brachte zumeist nur kurzfristige Erfolge. Nach wenigen Jahren verschwanden auch diese Pflanzen wieder aus den Bergwiesen.
Die Gründe für den rapiden Schwund dieser einstmals landschaftstypischen Frühjahrsblüher sind sicher vielfältig. Hier und da können das auch heute noch ahnungslose Blümchenpflücker oder unverantwortliche Hobbygärtner sein – aber das sind inzwischen seltene Ausnahmen. Eine Vorliebe für Trollblumen scheinen Wühlmäuse zu haben, und auch Rehe knabbern gelegentlich an den eigentlich giftigen Pflanzen. Viel gravierender sind aber offenkundig die Veränderungen in den Standorts- und Bewirtschaftungsverhältnissen der Berg- und Feuchtwiesen im Ost-Erzgebirge.
Trollblumen sind basenliebend. Das heißt, sie benötigen mehr Kalzium, Magnesium, Phosphor und andere Mineralstoffe als anspruchslosere Wiesenpflanzen. Vor hundert Jahren wurden viele Heuwiesen in unserer Region mehr oder weniger regelmäßig gekalkt. Zum Einsatz kam insbesondere das sogenannte Thomasmehl – ein kalzium- und phosphorreiches Abprodukt damaliger Stahlherstellung, das von den Bahnhöfen aus als „bester Wiesendünger“ verkauft wurde. Mit dem Ende des Thomasverfahrens in der Stahlindustrie kam das zum Erliegen. Stattdessen folgten einige Jahrzehnte „Saurer Regen“. Und so finden sich die heutigen Trollblumen noch auf den von Natur aus basenreicheren Wiesen am Fuße des Geisingbergs, die vom Basalt der Gipfelkuppe beeinflusst werden.
Mindestens ebenso wichtig scheint die Art der Wiesenmahd zu sein. Wo früher all die jungen Männer der Dörfer und Bergstädte bei Heuwetter mit Sensen ihre Bahnen auf den Bergwiesen zogen, verteilt über viele kleine Flächen und über viele Wochen, tun dies heute leistungsfähige Maschinen in kurzer Zeit und auf hektargroßen Schlägen, weitgehend gleichzeitig, so bald dies die einheitlichen Agrarförderbestimmungen zulassen. Die schwere Technik verdichtet die Böden, worunter sehr wahrscheinlich auch die Trollblume besonders leidet.
Selbst die scheinbar noch so üppigen Trollblumenbestände an der berühmten Klengelsteigwiese, die jetzt Ende Mai wieder viele tausende Besucher an den Geisingberg ziehen, schwinden von Jahr zu Jahr. Allmählich sollten sich auch hier die Naturschützer Sorgen machen.
Doch es gibt Trollblumen-Populationen, die Anlass zu Hoffnung geben. Eine davon präsentiert sich gerade in wundervoller Blütenpracht auf der „Wiese an der Bahnlinie“. Dieser schmale Wiesenstreifen im Nordwesten des Naturschutzgebiets Geisingberg wurde früher aufwendig von der Grünen Liga Osterzgebirge gemäht. Heute erfolgt die Pflege unter der Obhut der Naturschutzstation Osterzgebirge als Gemeinschaftsarbeit mit Sachsenforst, der Madagaskar-AG des Altenberger Gymnasiums und weiteren Naturfreunden. Von den kleinteiligen Maßnahmen, zu denen auch das Ausstechen von invasiven Lupinen und das fast gärtnerische Freizupfen von Jungpflanzen seltener Arten gehört, profitieren nicht nur die Feuer-Lilien, denen hier eigentlich das Hauptaugenmerk gilt. Die Trollblume – die auch das Logo der Naturschutzstation ziert – dankt die spezielle Zuwendung ebenso.
Im Juni soll ein erster Teil der Fläche gemäht werden, rund um die Trollblumenpflanzen. Deren Samen können auf der dann kurzrasigen Fläche den Boden erreichen und dort keimen, zu neuen Jungpflanzen heranwachsen. Später im Jahr kommen dann andere Bereiche der Fläche unter den Messerbalken, ein Teil bleibt bis zum nächsten Jahr stehen. So finden auch Insekten, Kreuzottern und andere Tiere ausreichend Rückzugsmöglichkeiten. Denn die Trollblume ist heute leider bei weitem nicht die einzige Bergwiesenart, um die man sich Sorgen machen muss.
Wer mehr über die Natur des Geisingberggebiets wissen möchte, ist herzlich eingeladen zu einer von drei naturkundlichen Führungen, die die Grüne Liga Osterzgebirge am Pfingstmontag anbietet: 10.00 Uhr, 12.30 Uhr, 15.00 Uhr – Start jeweils auf dem Geisinggipfel am Infostand der Grünen Liga.