Natur im Osterzgebirge

Rückblick Bäumchenpflanz-Wochenende 2021 – Vorausblick auf ein mögliches neues Waldprojekt

Ein Hauch Konspirativität umweht inzwischen wieder die Naturschutzeinsätze mit freiwilligen Helfern. Auch ohne offizielle Werbung kam wieder ein gutes Dutzend engagierte Unterstützer der Grünen Liga Osterzgebirge zum Bäumchenpflanz-Wochenende ins Bärensteiner Bielatal: zum Arbeiten an der frischen Luft, unter idealen Aerosolverdünnungsbedingungen, mit Ab- und Anstand, nach Selbsttest. Der dramatische Zustand unserer Wälder (und vieler anderer Ökosysteme auch) zeigt überdeutlich: es ist nicht beileibe nur eine einzelne Virus-Art, die entschiedenes, aktives Handeln derzeit so dringlich macht wie nie zuvor!

Willst du einen Wald vernichten, pflanze Fichten, Fichten, Fichten …

Einer dieser seit zwei Jahren zusammenbrechenden Forstbestände befindet sich am Wanderweg („Kleine Straße“) zwischen Bärenstein und Bielatal, etwa einen Kilometer von der Biotoppflegebasis der Grünen Liga Osterzgebirge entfernt. Keine Frage, die in enger Monokultur gepflanzten Fichten haben es hier den Borkenkäfern allzu leicht gemacht, sich in den Dürrejahren über die Bäume her- und diesen zum großen Teil den Garaus zu machen. Nun bieten sich hier Chancen für einen Neuanfang – mit Vielfalt und Naturnähe.  Im Gespräch mit dem privaten Waldbesitzer aus Bärenstein entstand im März die Idee, hier ein neues Waldprojekt der Grünen Liga Osterzgebirge zu entwickeln. Das Bäumchenpflanz-Wochenende 2021 stand damit nicht nur im Zeichen praktischer Arbeit, sondern auch der Ideenfindung vor Ort.

Wobei die Voraussetzungen, hier einen „richtigen“ Wald mit Artenvielfalt entstehen zu lassen, alles andere als optimal sind. Etwa die Hälfte der fünf Hektar Gesamtfläche mussten inzwischen per Harvester flächenhaft abgeholzt werden, um die Borkenkäferpopulation in Schach zu halten. Auch wenn das derzeitige feuchte Frühjahr etwas Entspannung erhoffen lässt: die verbliebenen dichten Fichtenbereiche machen nicht den Eindruck, als ob mit ihnen langfristig Stabilität zu erreichen wäre. Nur eine Frage der Zeit bis zum nächsten Sturmwurf, Schneebruch, Borkenkäferüberfall.

Von den oberhalb angrenzenden Agrarflächen wurden in das Tälchen über Jahrzehnte so viele Nährstoffe eingetragen, dass der Boden sehr stark eutrophiert ist. Das wiederum macht einerseits die Fichten zusätzlich instabil, andererseits wuchern auf den Kahlflächen die Brennnesseln übermannshoch. Damit wird einerseits die natürliche Verjüngung, die von Laubbäumen der Umgebung ausgeht, unterdrückt. andererseits tummeln sich hier die Mäuse und können, unbehelligt von Greifen und Eulen, an den den jungen Bäumchen knabbern.

Dies tun mit Hingabe auch die etwas größeren Säugetiere: fast alles, was von Natur aus an Gehölzen versucht hochzukommen, wird von Rehen zusammengefressen.

Bunte Wolleschleifchen

Dennoch ist es verblüffend, wie viel Naturverjüngung an Eschen, Ahorn und einigen anderen Laubbäumchen sich auf der Fläche versteckt. Insofern bestand die Arbeit am Wochenende nicht im Bäumchenpflanzen, sondern im Bäumchenfinden und -schützen. Getestet wurde dabei eine neue Methode – arbeitsaufwendig zwar, aber hoffentlich wirksam, auf alle Fälle schick: Schösslinge mit noch austriebsfähigen Knospen bekamen eine Schleife eines farblich auffälligen Wollfadens, und in diesen eingebunden einen kleinen Bausch intensiv riechender Schafwolle (im letzten Jahr geschoren). Letztere mögen die Rehe gar nicht gern in ihrem Äser. Die bunten Wollfäden sollen außerdem in zwei Monaten das Wiederfinden der Bäumchen unter den dann hochgewachsenen Brennnesseln ermöglichen. Spätestens im Juni ist geplant, mit Sense und Sichel der Naturverjüngung zu Licht zu verhelfen, das ihnen sonst die Brennnesseln wegnehmen.

Pflanzeinsatz im nächsten Herbst

Wenn dies klappt, ist für naturnahe Waldentwicklung zumindest ein Anfang gemacht. Doch um wirklich Vielfalt zu bekommen, die der heimischen Tierwelt Lebensräume und auch unter Klimawandelbedingungen möglichst viele Perspektiven bietet, bedarf es zusätzlicher Pflanzungen. Derzeit kreisen die Überlegungen darum, welche Gehölzarten am sinnvollsten zum Einsatz kommen sollen.

Zunächst wurde beim Bäumchenpflanz-Wochenende ein kleiner Teil im oberen, südöstlichen Zipfel der Fläche pflanzfertig gemacht. Der Harvester hatte nur die Bäume rausgeschnitten, Äste und Reisig aber liegengelassen (und auch noch mit seinem Gewicht verdichtet). Kaum möglich, da Pflanzlöcher hacken zu wollen. Daher bestand ein Teil der Arbeit am Wochenende darin, das Reisig zu großen Haufen aufzuschichten – die gleich darauf schon von Zaunkönigen und Rotkehlchen inspiziert wurden.

Die weiteren Aussichten?

Keine Frage: es ist viel, viel Arbeit, die auf die Grüne Liga Osterzgebirge und ihre Helfer zukäme, wenn die 5 Hektar Fichtenforstfläche an der „Kleinen Straße“ zum neuen Waldprojekt des Vereins werden sollten. Noch sind keine endgültigen Entscheidungen getroffen, wie viel und in welcher Form der Verein das Vorhaben auf sich nehmen will und kann. Im Moment handelt es sich noch um ein „Herantasten“ im oberen, südöstlichen Zipfel.

Mit dem vorherigen, langjährigen Waldumbauprojekt auf der Bärensteiner Sachsenhöhe und vielen anderen Forsteinsätzen verfügt die Grüne Liga Osterzgebirge auch über Walderfahrungen. Diese Kompetenz, zusammen mit dem Engagement der vielen freiwilligen Helfer des Umweltvereins, bietet durchaus Chancen, hier in der Nähe der Biotoppflegebasis Bielatal ein neues, langfristiges Waldentwicklungsprojekt in Angriff zu nehmen. Nie war Wald mit Vielfalt so wichtig wie heute!

Jens Weber

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