Natur im Osterzgebirge

Rückblick aufs Schellerhauer Naturschutzpraktikum 2019

Auch das 24. Schellerhauer Naturschutzpraktikum der Grünen Liga Osterzgebirge war wieder ein voller Erfolg – für die Natur der Region wegen der dabei geleisteten praktischen Biotoppflege, (hoffentlich) für die Studenten durch die dabei vermittelten Naturschutzkenntnisse und -fertigkeiten, aber auch für die Organisatoren des Umweltvereins. Es ist immer gut, sich mit den kritischen Fragen und Anregungen junger Menschen von außerhalb des eigenen Lebensraum-Horizonts auseinandersetzen zu dürfen! Gerade unter den sich heute rapide wandelnden Rahmenbedingungen gehören altbewährte Naturschutzkonzepte auf den Prüfstand!

Zwanzig Studentinnen und Studenten waren diesmal ins Ost-Erzgebirge gereist. Diesmal ein großer „Block“ Geoökologen aus Freiberg dabei, außerdem vertreten: Landschaftsarchitektur (TU Dresden), Ökologie (Universität Potsdam), Landscape Management and Nature Conservation (Hochschule Eberswalde), Biologie (Jena) sowie – wie seit bereits zehn Jahren – auch wieder sechs slowakische Teilnehmer von der Universität Bratislava. Dazu fünf Leute seitens der Grünen Liga. Eine bunte Mischung, die interessante Diskussionen mit sich brachte, aber auch reichlich Spaß – nebst so mancher Blasen an den Händen und Muskelkater in Armen und Beinen.

Zu den praktischen Arbeiten gehörten auch diesmal wieder:

  • Mahd und Grünmasseberäumung des seit Anfang der 1990er Jahre von der Grünen Liga Osterzgebirge gepflegten Niedermoorbereichs im Südwestzipfel des Naturschutzgebiets Schellerhauer Weißeritzwiesen. Wobei es zunehmend schwierig wird, für diese Arbeiten hier Motivation zu finden. Trotz der fast drei Jahrzehnte extrem aufwendiger, körperlich anstrengender  Mäherei wird der  Zustand der Fläche immer schlechter. Ursache dafür ist ganz offensichtlich die fortwährende Einleitung von ungeklärten Abwässern aus dem oberhalb gelegenen Ortsbereich. Seit mindestens 15 Jahren offenbart sich das Problem ganz offensichtlich, werden die zuständigen Behörden von der Grünen Liga sowie den Schutzgebietsbetreuern immer wieder nachdrücklich zum Handeln aufgefordert. Aber abgesehen von zahllosen Vorort-Begehungen hat sich seither nichts zum Besseren verändert. Ganz im Gegenteil: Nach den vergangenen Trockenjahren hält auch keine Nässe mehr die eingetragenen Stickstoffüberschüsse mehr zurück, in hochwüchsige Biomasse umgewandelt zu werden. Diese von der Fläche zu räumen, forderte den Studentinnen und Studenten dieses Jahr wieder Höchstleistungen ab. Allen Respekt! Doch Sonnentau und Fettkraut sind heute nur noch auf winzige Restpopulationen zurückgedrängt. Die Frage ist, ob diese Art von Sisyphus-Arbeit inzwischen symptomatisch für praktische Biotoppflege geworden ist?
  • Grünmasseberäumung auf dem FND Himmelsleiter. Hier unterstützen die Grüne Liga Osterzgebirge und die Studenten des Naturschutzpraktikums die Kollegen des Fördervereins für die Natur des Osterzgebirges. Es handelt sich um eine der artenreichsten, aber aufgrund von steiler Hanglage plus Nässe am schwierigsten zu pflegenden Orchideenwiesen der Region. Die gegenseitige Unterstützung gehört seit langem zu den Selbstverständlichkeiten im praktischen Naturschutz des Ost-Erzgebirges.
  • Mäharbeiten rund um den Mayenhof Schellerhau. Das Landschulheim des Kreuzgymnasiums bietet immer wunderbare Unterkunft für das Schellerhauer Naturschutzpraktikum. Im Gegenzug für gewisse Vorzugsbedingungen erledigen wir auch immer die notwendigen Mäharbeiten auf dem Grundstück. Durch die späte Mahd (anstatt regelmäßiger Zierrasenschererei, wie sie ansonsten leider auch in Schellerhau immer üblicher zu sein scheint) haben sich teilweise typische, recht artenreiche Bergwiesenbereiche entwickeln können.
  • Praktische Arbeiten im Botanischen Garten Schellerhau. Auch hier geht es – jahreszeitbedingt – zunächst vor allem um Wiesenpflege. Per Handsense wird die „Vorzeige-Bergwiese“ im Botanischen Garten gemäht. Darüberhinaus unterstützten die Studenten die Arbeit dieses wichtigen Ortes des „Ex-situ-Naturschutzes“ mit diversen gärtnerischen Tätigkeiten wie unerwünschte Sträucher roden oder Komposthaufen umsetzen.
  • Wald-Habitatgestaltungsmaßnahmen im Vogelschutzgebiet Kahleberg und Lugsteingebiet. In Kooperation mit dem Forstrevier Schellerhau unterstützen die Teilnehmer des Schellerhauer Naturschutzpraktikums hier seit langem die Bemühungen, die Reste der letzten Birkhuhnpopulation Sachsens zu erhalten. Neben dem Freischneiden von Balz-Blößen, was in den letzten Jahren im Vordergrund stand (und nach wie vor wichtig ist), geht es auch um die Bereitstellung von geeigneten Nahrungspflanzen für die sehr selten gewordene Hühnerart. Diesmal beräumten die Studenten Flächen, auf denen Altenberger Schüler demnächst Ebereschen pflanzen sollen. Der heimische „Vuuchelbeerbaam“ soll die vorher hier stockenden „Murraykiefern“ (amerikanische Drehkiefern) wurden hier einst als „Ersatzbaumart“ für die von Braunkohleabgasen hinweggerafften Fichten gepflanzt – haben sich seither aber gar nicht bewährt. Schon seit Jahren abgängig, hat der Nassschnee des vergangenen Winters die letzten Bestände zusammenbrechen lassen. Stattdessen nun also Ebereschen. Mit hoffentlich vielfältigen positiven Wirkungen für die geschundenen Waldökosysteme auch am Kahleberg.

Ergänzt wurde das umfangreiche Arbeitspensum während des einwöchigen Schellerhau-Praktikums durch drei längere Wanderexkursionen: Zum Geisingberg, zum Georgenfelder Hochmoor und zum Hofehübel. (Wobei wieder einmal überdeutlich wurde, wie miserabel das ÖPNV-System innerhalb der Tourismusregion Altenberg ist: sonntagnachmittags per Bus von Zinnwald nach Schellerhau zu kommen, geht nur mit langer Eis-Pause in Altenberg, umgekehrt morgens von Schellerhau nach Zinnwald geht gar nicht!)

Bei den Wanderungen wie bei der Arbeit versuchte die Grüne Liga Osterzgebirge, möglichst umfassende Einblicke in die Bedeutung der Region für die Biologische Vielfalt zu vermitteln – und gleichzeitig auch zum Nachdenken darüber anzuregen, wie diese am besten zu erhalten sei. Bei vielen Exkursionsstopps in Schutzgebieten wurden die Studenten aufgefordert: „Stell dir vor, dieses Gebiet wäre deins – was würdest du damit tun?“ Mancherorts folgten spannende Diskussionen.

Nach einer geisteserfrischenden und körperermüdenden Woche war wiedermal sehr deutlich geworden: Naturschutz braucht beides: Nachdenken UND Machen! (Was er definitiv nicht braucht: Labern)

Ein herzliches Dankeschön an alle, die auch dieses Schellerhau-Praktikum wieder möglich gemacht haben: das Landratsamt für die finanzielle Unterstützung, ans Kreuzgymnasium für die Mayenhof-Übernachtungen, an die Kollegen von Forstbezirk Bärenfels und vom Botanischen Garten Schellerhau, an die Unterstützer der Grünen Liga Osterzgebirge. Und an die Studentinnen und Studenten, die auch diesmal wieder dem Naturschützeralltag im Ost-Erzgebirge sehr gut getan haben!

(Jens Weber)

 

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