Natur im Osterzgebirge

NSG Hofehübel

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Kartenausschnitt Hofehübel (Quelle: www.umwelt.sachsen.de)

72 Hektar, Unterschutzstellung 1961, erweitert 2001; landesweite Registriernummer D40

Nutzungsgeschichte

Das Gebiet zwischen Roter Weißeritz und Pöbeltal gehörte zu dem Teil des Ost-Erzgebirges, der während der ersten Siedlungsperiode (12./13. Jahrhundert) ungerodet geblieben war, weil sich die Bodenbedingungen nicht für ackerbauliche Nutzung und damit die Anlage von Dörfern eigneten.  Der gesamte große Waldkomplex gehörte zur Grundherrschaft der Ritter von Bernstein (Bärenstein), die im Süden bis ins Kahleberggebiet reichte. Als im 15. Jahrhundert auf Bernstein’schem Grund die Zinnerzvorkommen von Altenberg entdeckt wurden, gelang es der Adelsfamilie nicht, diese unter ihrer Kontrolle zu halten – Altenberg und Umgebung fielen an den Landesherrn.

Ihres wichtigsten wirtschaftlichen Standbeins beraubt, versuchten die Bärensteiner Grundherren im 16. Jahrhundert, ihre bis dahin wahrscheinlich noch urwaldartig ungenutzten Holzressourcen zu erschließen. Waldarbeiter wurden in Bärenburg und Bärenfels angesiedelt, dazu jeweils ein Gutshof angelegt und eine „Insel“ im Wald gerodet.  Am Vorwerk Bärenfels vorbei verlief einer der alten Höhenwege, die „Böhmische Straße“, die Dresden über Dippoldiswalde mit dem Nachbarland verband.

Auerhahnjagd 1855: Friedrich August II. mit dem Bärenfelser Forstmeister Klotz

Doch 1618 übernahm der Landesherr auch Bärenfels und ließ den Gutshof zum Jagd- und Forstverwaltungssitz ausbauen. Dem Oberforstmeister unterstanden zeitweilig die kurfürstlichen  Wälder bis Wolkenstein im Mittleren Erzgebirge.  Mit einer fast 400jährigen Geschichte gehört Bärenfels heute zu den dienstältesten Forstverwaltungen.

Die Steilhänge des Hofehübels waren in der Folgezeit vermutlich etwas weniger vom Holzraubbau betroffen als andere Reviere im Erzgebirge. Und auch der ab Anfang des 19. Jahrhunderts folgenden Umwandlung der geplünderten Wälder in, nach streng ökonomischen Kriterien bewirtschaftete, Fichtenmonokulturen, stand die Topografie im Wege.

1926 übernahm Herrmann Krutzsch das Forstamt Bärenfels. Krutzsch gehörte zu den dezidierten Vertretern neuer forstlicher Prinzipien, die auf gemischte und strukturreiche Waldbestände abzielten anstatt der im Kahlschlagsverfahren genutzten, gleichaltrigen  Reinbestände (deren ausgeklügelte geometrische Ordnung immer wieder von Stürmen „über den Haufen geworfen“  wurde). Der Hemmschuh gehörte zu den Modell-Beständen, mit denen er seine forstlichen Auffassungen unter Beweis stellen durfte.

Forstamt Bärenfels um 1930

Nach zwischenzeitlicher Unterbrechung, als Krutzsch beim jagdversessenen Nazi-Gauleiter Mutschmann in Ungnade fiel, wurde in der Anfangsphase der DDR an diese, nunmehr „vorratspfleglich“ genannte Waldwirtschaft angeknüft, zumindest theoretisch.  Mit dem politischen Schwenk zu den „industriemäßigen Produktionsmethoden in der Forstwirtschaft“ endete in den 1960er/70er Jahren schließlich auch das Bärenfelser Modell naturgemäßer Waldwirtschaft.  Der Hofehübel hinter dem Forstamt hatte 1961 jedoch den Status eines Naturschutzgebietes erhalten. Damit durfte hier der in seiner Bewirtschaftung erheblich anspruchsvollere, naturnahe Mischwald erhalten bleiben, während fast überall sonst die Krutzschen Ansätze wieder zunichte gemacht wurden.

Hinzu kamen die Schwefeldioxid-Waldschäden, deren Auswirkungen Ende der 1980er Jahre auch immer mehr bis nach Bärenfels reichten. Die Zahl der Weiß-Tannen hatte ohnehin schon bedenklich abgenommen, der Anblick der  verbliebenen 30 bis 40 Alttannen ließ keine hohen Lebenserwartungen mehr erhoffen. Mit der – nach massiven Bürgerprotesten Mitte der 1990er Jahre – mittlerweile erfolgten drastischen Senkung der SO2-Belastungen hat sich der Gesundheitszustand sowohl der Fichten wie der Weiß-Tannen unerwartet rasch gebessert.

Demgegenüber geben die spießastigen Buchenkronen am Hofehübel heute Anlass zu großer Besorgnis. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um sogenannte „Neuartige Waldschäden“, die vor allem auf Kraftfahrzeugabgase zurückgehen. Deren Stickoxide reagieren unter dem Einfluss UV-reicher Sonnenstrahlung (also im Gebirge mehr als in den Ballungszentren) mit dem Luftsauerstoff, wobei hochreaktives Ozon entsteht – und den Biochemismus der Bäume stört.

Mit der Abkehr der sächsischen Forstwirtschaft von Fichtenmonokulturen und Kahlschlagbetrieb folgen auch die Bärenfelser Förster wieder naturnäheren Prinzipien.  Im Hofehübel  wird mit einzelstammweisen und femelartigen (kleine Baumgruppen entnehmenden) Eingriffen versucht, Altbäumen Raum zur Entfaltung und gleichzeitig Licht für Verjüngung zu schaffen. Zusätzlich wurden zahlreiche kleine Weiß-Tannen gepflanzt. Das Ergebnis am Hofehübel kann sich durchaus sehen lassen.

Sehr problematisch indes erscheint die strikte Handhabung (vermeintlicher) Verkehrssicherungspflichten durch die Verwaltung des Forstbezirks Bärenfels, zumal das NSG Hofehübel von einem dichten Wegenetz durchzogen ist.

2001 erfolgte die Neuausweisung und gleichzeitig Erweiterung des Naturschutzgebiets  von 51 auf 72 Hektar. Dabei kamen auch angrenzende Wiesen sowie ein instandgesetzter Teich am Forstamt hinzu. Vor allem im Rahmen der Lehrlingsausbildung werden wichtige Biotoppflege- und sonstige  Naturschutzmaßnahmen umgesetzt.

Das NSG ist Bestandteil des Landschaftsschutzgebiets „Oberes Osterzgebirge“ sowie des Natura-2000-Gebiets „Pöbeltal und Hofehübel“ (entsprechend der sog. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU).

Naturraum

Blick vom Spitzberg auf Bärenfels und den Hofehübel

Bis auf 700 m Luftlinie nähern sich Rote Weißeritz und ihr Nebenbach Pöbel bei Bärenfels einander an, bevor sie anschließend noch einmal etwas Raum für die Flur von Oberkipsdorf geben.  Wo sich beide Gewässer am nächsten kommen, erhält die Landschaft einen ausgesprochen gebirgigen Charakter. Der Höhenunterschied zwischen dem höchsten Punkt des Hofehübels und der Pöbeltalsohle oberhalb der Wahlsmühle beträgt 155 Meter (auf 300 Meter Entfernung!),  auf der anderen Seite geht es 130 Meter herab zur Bärenfelser Mühle an der Roten Weißeritz. Das eher kleine Naturschutzgebiet überspannt Höhenlagen von 530 bis 693 m üNN, mit jeweils einem steilen ost- und westexponierten Hang und nur einem kleinen „Gipfelplateau“.

Zur vielgestaltigen Topografie kommt noch eine markante geologische Zweiteilung: Die Westseite besteht aus osterzgebirgstypischem Gneis; die Ostseite hingegen wird von Schellerhauer Granit gebildet, der in großen Blöcken an der Oberfläche vorzufinden ist. Dieser Granit gilt eigentlich als nährstoffarm. Doch erlebt man auch hier eindrucksvolle Waldbilder. Gefördert wird das Wachstum einer breiten Palette  von (auch anspruchsvolleren) Baumarten sicherlich durch etliche Sickerquellen. Vor allem aber kann der Wald am Hofehübel als Beleg dafür dienen, wie gut sich Laubmischwälder mit ihrer Laubstreu und der intensiven Bodendurchwurzelung ihre eigenen Standortbedingungen optimieren können, wenn sie über Jahrhunderte nicht kahlgeschlagen oder zu Fichtenforsten degradiert worden sind.

Zweifelsohne kommt auch das kühl-feuchte  Bärenfelser Klima  der Wuchsleistung montaner Baumarten entgegen. Der Hofehübel liegt westlich, also im Luv, des Quarzporphyr-Höhenrückens Pramenáč/Bornhau – Kahleberg – Tellkoppe – Kohlberg. Mit über 900 mm übersteigt hier der Jahresniederschlag deutlich die Werte vergleichbar hoch gelegener Orte im Müglitztal (im Lee des Höhenrückens).

Vegetation

Trotz seiner standörtlichen Vielfalt beschränkt sich die Artenvielfalt am Hofehübel weitgehend auf typische Pflanzen bodensaurer Hainsimsen-Buchenmischwälder des Berglandes. Neben der namensgebenden Schmalblättrigen Hainsimse findet man  u.a. Wolliges Reitgras, Drahtschmiele, Fuchs-Kreuzkraut, Breitblättrigen Dornfarn, Wald-Sauerklee, Purpur-Hasenlattich und Heidelbeere. An einigen Stellen deuten Wald-Flattergras und Quirlblättrige Weißwurz etwas bessere Nährstoffversorgung an. Die Baumschicht wird von Rot-Buche dominiert, daneben Fichte (in einigen neu ins NSG aufgenommenen Bereichen noch in forstlicher Monokultur), weiterhin kommen Berg-Ahorn, Esche und Berg-Ulme vor. Letztere wird inzwischen auch hier Opfer des allgemeinen „Ulmensterbens“ (hervorgerufen durch einen vor hundert Jahren in Europa eingeschleppten Pilz, der vom einheimischen Ulmen-Splintkäfer übertragen wird).  In der Nähe des Forstamtes betrifft dies einige sehr mächtige Exemplare.

Ehemalige Krutzschtanne

Von der natürlicherweise als Hauptbaumart zu den „Herzynischen Bergmischwäldern“ gehörenden Weiß-Tanne existieren im NSG noch ca. 30 ältere Bäume. Der Rückgang der Tanne hatte offenbar schon vor hundert Jahren eingesetzt und sich zu DDR-Zeiten infolge der Luftbelastungen beschleunigt.  Eine Informationstafel neben einem verrottenden Baumstumpf erinnert heute noch an die vor 50 Jahren gefällte „Krutzschtanne“. Der Baum war 220 Jahre alt und brachte damals zwölf Festmeter Holz (zum Vergleich: im normalen Wirtschaftswald schaffen es Bäume auf einen halben bis einen Festmeter, wenn sie mit rund einhundert Jahren geerntet werden). Dabei war das noch nicht einmal das stattlichste Exemplar. Die „Wandwegtanne“ auf der anderen Seite des Berges zeigte sogar 300 Jahresringe. Und eine 1958 gefällte Fichte streckte sich auf 53 Höhenmeter, was so ungefähr das Maximum sein dürfte, wozu Bäume im Ost-Erzgebirge fähig sind. Auch heute befindet sich am unteren Weißeritzhang mindestens eine Fichte, die in den 50-Meter-Bereich aufragt.

Ohne Pilze wäre der Boden unfruchtbar.

Durch die NSG-Erweiterung wurden auch zwei wertvolle Wiesenflächen mit einbezogen: oberhalb des Forstamtes und im Pöbeltal. Es handelt sich um typische Berg- (mit Bärwurz, Alantdistel, Kanten-Hartheu u.a.) und Feuchtwiesen (Kuckucks-Lichtnelke, Wiesen-Knöterich, Hohe Schlüsselblume, Kleiner Baldrian).  Auch einige Exemplare der Orchidee Breitblättrige Kuckucksblume kommen vor.

Insgesamt gibt es im Naturschutzgebiet Hofehübel ca. 70 Farn- und Blütenpflanzen.

Tierwelt

Trauerschnäpper (Foto: Gläßer)

Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte scheinen die Wildverbissschäden im NSG deutlich zurückgegangen sein, selbst an den bevorzugt befressenen kleinen Weiß-Tannen. Offenbar haben die Staatsförsterhier die (Rot-)Wildbestände besonders drastisch reduziert, um der Baumverjüngung eine Chance zu geben. Da inzwischen diese Verjüngung zu dichtem Unterwuchs herangewachsen ist, hat man ehesten auf den angrenzenden Grünlandflächen – während der Dämmerung – die Chance, Rehe oder Hirsche zu beobachten.

Der struktur- und altbaumreiche Bergmischwald des Hofehübels beherbergt die dafür typische Vogelwelt. Schwarzspechte zimmern Baumhöhlen, die auch von Raufußkauz und Hohltaube bezogen werden. Schon etwas durch Fäulnispilze „aufgeweichte“ Buchen benötigt der kleinere Grauspecht. Dessen Höhlen wiederum nutzen Trauer- und der seltene Zwergschnäpper.  Im vorjährigen Buchenlaub am Boden baut hingegen der Waldlaubsänger sein Nest. Die Zahl der Waldlaubsänger in Sachsen ist in den letzten drei  Jahrzehnten auf etwa ein Drittel zurückgegangen. Weitere Singvogelarten im Gebiet sind Fichtenkreuzschnabel, Heckenbraunelle, Birkenzeisig, Sommer- und Wintergoldhähnchen, Sing- und Misteldrossel, Blau-, Kohl-, Sumpf-,Tannen- und Haubenmeise,

Bemerkenswert ist das Vorkommen des sehr selten gewordenen Feuersalamanders, dessen Larven im sanierten Teich am Forstamt leben.

Naturerlebnismöglichkeiten:

3-Tage-Wanderung Grüne Liga 2014

Zahlreiche Forstwege und Fußpfade durchziehen beide Hänge des Hofehübels. Markierte Wanderwege sind die Alte Böhmische Straße und der Dunkle Gang als kürzeste Verbindung zwischen Kipsdorf und Bärenfels. Mehrere Informationstafeln vermitteln Wissenswertes zur Natur:  rund um das historische Forstamt, an der Böhmischen Straße und auf dem Weg über den „Gipfel“ (mit der Grabstätte eines Forstmeisters aus dem 19. Jahrhundert). Teile des Forstamtes wurden zu einem

Informationstafel an der Alten Böhmischen Straße

„Walderlebniszentrum“ erklärt, mit einer Ausstellung über das Wirken von Herrmann Krutzsch und die Naturgemäße Waldwirtschaft, mit Besichtigungsmöglichkeit einer restaurierten Samendarre (in der Fichtensamen aus den Zapfen gewonnen wurden) sowie einem im Jahr 2000 angelegten Arboretum im Außenbereich.  In diesem sind 75 heimische Gehölzarten entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu Vegetationsgesellschaften gepflanzt worden.  Jeden Mittwoch, 10.00 Uhr, bieten pensionierte Förster öffentliche Führungen um das Forstamt und am Hofehübel an.

Im Pöbeltal betreibt Sachsenforst ein Waldschulheim mit Umweltbildungsangeboten für Schulklassen.

weitere naturkundlich interessante Ziele in der Umgebung:
Adressen:

Landratsamt Sächsische Schweiz – Osterzgebirge, Referat Naturschutz (Untere Naturschutzbehörde) Weißeritzstraße 7, 01744 Dippoldiswalde; Tel. 03501 515-3430; bernard.hachmoeller@landratsamt-pirna.de

Forstbezirk Bärenfels: Alte Böhmische Straße 2, 01773 Bärenfels; 035052-6130; poststelle.sbs-baerenfels@smul.sachsen.de

Waldschulheim Wahlsmühle: Niederpöbel 37, 01744 Dippoldiswalde; 035052-2230; wsh.wahlsmühle.sbs@smul.sachsen.de

Schutzgebietsverordnung:

Verordnung des Regierungspräsidiums Dresden zur Festsetzung des Naturschutzgebietes „Hofehübel Bärenfels“ vom 30. Oktober 2001 (SächsABl. S. 1169)

Literatur:

Weber, Jens (2007): Zwischen Roter Weißeritz und Pöbeltal; in: Naturführer Ost-Erzgebirge, Band 3: Naturkundliche Wanderziele, Hrsg: Grüne Liga Osterzgebirge

SMUL (2009): Naturschutzgebiete in Sachsen, S. 584

http://www.osterzgebirge.org/gebiete/14_11.html