Eines der eindrucksvollsten Waldbilder des Erzgebirges - ja, vielleicht sogar das eindrucksvollste überhaupt - präsentiert ein etwa fünf Hektar großer Mischwald am rechten Pöbeltalhang zwischen Niederpöbel und Wahlsmühle. Von den etwa 2000 alten Weiß-Tannen, die es nach Angaben der Landesforstverwaltung in ganz Sachsen noch geben soll, stehen hier 120. Und zwar in ungleichaltriger Mischung mit Buchen, Fichten sowie einzelnen Exemplaren Berg-Ahorn und Berg-Ulme. Damit entspricht dieser Bestand in seiner Struktur einerseits den Idealvorstellungen naturgemäßer Waldwirtschaft, andererseits in seiner Artenzusammensetzung der potentiellen natürlichen Vegetation - dem Waldtyp, der ohne Einfluss des Menschen auf solchen Standorten vorhanden wäre.
Als Grundgestein liegt Gneis an mit mäßig sauren, aber doch vergleichsweise nährstoffreichen Böden - Bedingungen, die in vielen Gebieten des Ost-Erzgebirges ähnlich sind. Somit steht dieser Fichten-Tannen-Buchenwald auch exemplarisch für die bodensauren Hainsimsen-Buchenmischwälder, der Leitgesellschaft des (sub-)montanen Erzgebirgs-Gürtels. Typische Pflanzenarten sind, neben der namengebenden Schmalblättrigen Hainsimse, der Hirsch-Holunder, Purpur-Hasenlattich und Breitblättriger Dornfarn.
Im Spätwinter und auch im Herbst kann man bei einer abendlichen Wanderung auf dem Hüttenholzweg regelmäßig den melodischen Ruf des Sperlingskauzes vernehmen, der hier ideale Lebensraumbedingungen vorfindet.
Bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts widmeten der Revierförster und einige im Forst beschäftigte Naturschützer dem außergewöhnlichen Weiß-Tannenbestand ihre Aufmerksamkeit und ihr praktisches Engagement. Auch heute noch genießt "die Abteilung 18" die besondere Wertschätzung von örtlichem Forst und Naturschutz.
Die Tannen im Pöbeltal sind unterschiedlich alt, die ältesten dürften etwa 130 bis 140 Jahre hinter sich haben. Im Vergleich zu anderen Gebieten sehen ihre Kronen noch - oder wieder - recht vital aus. Da die Weiß-Tanne jedoch erst nach acht oder neun Jahrzehnten ihre ersten Zapfen bildet, gibt es nur wenige mittelalte Exemplare und auch die Naturverjüngung bereitete anfangs größere Probleme. Ende der 1980er Jahre und erneut 2004 wurden deshalb einige der alten Buchen und Fichten aus dem Bestand herausgeschlagen, um dem Jungwuchs Licht zu verschaffen. Entstanden ist dabei der vertikale Strukturreichtum, der das Waldbild heute so besonders eindrucksvoll macht. Außerdem musste der Bestand eingezäunt werden, um eine von Wildverbiss ungestörte Entwicklung zu sichern. Junge Tannentriebe gelten unter Rehen und Hirschen als Gourmetgemüse, außerdem finden Rehböcke besonderes Vergnügen daran, den Bast ihres Geweihs an den dann wunderbar duftenden Jungtannen abzuscheuern. Nicht zuletzt fressen Hirsche auch gern die Rinde von zehn bis dreißig Jahre alten Weißtannen, was unter anderem das Eindringen von Pilzen nach sich zieht.
Dass das Pöbeltal noch alte, relativ gesunde Weiß-Tannen beherbergt, ist den Wirtschaftskrisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu verdanken. Um auch die Industriebetriebe im Tal der Roten Weißeritz mit billiger böhmischer Braunkohle versorgen zu können, sollte ein Schienenstrang von Schmiedeberg nach Moldau/Moldava gebaut werden. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Pläne, doch die nach dem Hochwasser aufgeworfenen Planungen für Talsperren im Pöbeltal verzögerten die Verwirklichung. 1913 begannen die Bauarbeiten, deren Ergebnisse man heute noch in Form eines Bahndammes und mehrerer Brückenansätze vorfindet. Dann kam der erste Weltkrieg, anschließend eine erneute Verzögerung, weil der parallel geplante Staudamm bei Seyde, über den die Gleise führen sollten, auf sich warten ließ. Mitte der 1920er Jahre schließlich war die große Zeit des sächsischen Eisenbahnbaus vorbei. Zum Glück für den Wald. In anderen Tälern verschwanden die Weißtannen ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, als die ersten Dampfrösser ihre Qualmwolken ausstießen.