„Vielleicht habe ich mich nicht immer richtig verhalten in meinem langen Leben. So einige Generationen Wald sind in meiner Umgebung schon gekommen und wieder gegangen (worden). Doch immer, wenn die anderen Bäume hochwuchsen, trieben mich Eitelkeit und Ehrgeiz mit empor. Mit der heutigen Weisheit des Alters ist mir schon klar, dass das für eine schattenverträgliche Art gar nicht unbedingt nötig gewesen wäre, zumindest nicht in dem Ausmaß. So ist das eben mit dem Drang, immer der Größte, die Schönste sein zu wollen … kennt Ihr ja auch, oder? Was war ich stolz auf meine gewaltige Krone, weit über 30 Meter hoch!
Aber ab einem gewissen Alter – man schätzt mich auf über 300 Jahre! – reicht die Kraft dann doch nicht mehr, den selbstgesteckten Maßstäben gerecht zu werden. 2013/14 brachen mir die ersten Äste aus der Krone. Andere wurden „sicherheitshalber“ abgesägt. Die hoch aufragenden Stämme in der Mitte blieben unbeschnitten und ragten fortan als Pinselfrisur in die Höhe.
Aber dann kamen die Trockenjahre. Keine Chance mehr für eine betagte Buche, da noch genügend Wasser aus dem prasseldürren Boden zu saugen und bis in die obersten Triebspitzen zu pumpen. Immer spießastiger fühlte ich mich. Und auch der böse Zunderschwamm, der mich nach den Brüchen und Sägereien vor zehn Jahren befallen hatte, machte mir immer mehr zu schaffen. Sollte ich nun auseinander- und zusammenbrechen?
Zumeist grünberockte Zweibeiner trafen sich dann letztes Jahr in meinem längst nicht mehr so dichten Schatten und beratschlagten, was zu tun sei. Sie gaben sich erkennbar Mühe, eine möglichst behutsame Therapie zu finden. Am Ende wurde es dann doch eine Radikalamputation. War offenbar unvermeidbar geworden. Bis auf die Hälfte der ursprünglichen Höhe wurde die Krone abgetragen. Ohje, damit war sie dahin, die einstige Pracht der Prachtbuche! Fachgerecht mag der Schnitt gewesen sein, bloß so richtig prächtig sehe ich aktuell nicht mehr aus.
Aber immerhin: mein kurzer, massiver, über 6 Meter umfassender Stamm muss jetzt weit weniger Last durch die immer heftigeren Stürme balancieren. Freilich wird sich der böse Zunder mitsamt seiner Weißfäulekumpels jetzt noch mehr breitmachen. Aber wenn nicht grad die nächste große Dürre hereinbricht, werde ich gegenhalten. Die ersten buschigen Neutriebe habe ich schon an den Schnittstellen wachsen lassen. Vielleicht schaffe ich es im Alter nochmal zu neuer Pracht, wenngleich auf niedrigerem Niveau.
Wer mich kennenlernen möchte, kann mehr erfahren unter osterzgebirge.org/nd-prachtbuche-panoramahoehe-beggiesshuebel
oder kommt mich besuchen bei der nächsten Naturkundlichen Wanderung der Grünen Liga Osterzgebirge am 13. Oktober!“