Endlich… nach der Reihe von Dürrejahren seit 2018, gab es 2023 mal wieder ein normales Niederschlagsverhältnis. Wie schnell wir uns an Ausnahmen gewöhnen, zeigte sich daran, dass das Jahr vielen als ungewöhnlich nass in Erinnerung blieb. Nicht alle Menschen auf der Erde sind so gesegnet, wie wir in Mitteleuropa. In vielen Teilen der Erde haben die Extreme schon jetzt weitaus katastrophalere Folgen. Doch, dass wir in Zeiten des Klimawandels gut wegkommen, lässt sich bei einem aufmerksamen Blick in unsere Umwelt bezweifeln. Schon seit einigen Jahren lässt sich eine Verschiebung der Artenzusammensetzung beobachten. Einige Arten für den Erzgebirgskamm eigentlich untypische Arten der Flachland-Mähwiesen fühlen sich dort schon jetzt wohl. Daneben fassen immer mehr eingeschleppte, invasive Pflanzen, wie die vielblättrige Lupine, Staudenknöterich und Indisches Springkraut im Osterzgebirge Fuß. Außerdem haben Wetterextreme auch für die heimische etablierte Flora und Fauna unmittelbare Folgen. Mittlerweile gleicht das Osterzgebirge einem gigantischen Freiland-Labor, in dem die Folgen des Klimawandels auf unsere Umwelt sichtbar werden. Unlängst bekam das Beobachtungsprotokoll ein neues Kapitel.
Nach einem sehr nassen, aber auch schneearmen Winter 2023/24 hieß es durchatmen. Die Dürre scheint überstanden. In unseren Wäldern stellt sich eine Entspannung der Situation ein und Grundwasserreserven können aufgefüllt werden. Die Wasserversorgung der Vegetation war im Frühjahr so gut, wie schon lange nicht mehr. Dazu die milden Temperaturen des Winters und Frühjahrs ließen die Vegetation – als wolle sie nach der langen entbehrungsreichen Phase zuvor etwas nachholen – nahezu explodieren. Das Austreiben der Knospen und die Blüte fand dieses Jahr rund 3 bis 4 Wochen früher statt, als im Durchschnitt. Noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnung, welche die Ermittlung der sogenannten Grünlandtemperatursumme beinhaltet, war der Start der Vegetationsperiode deutschlandweit so zeitig wie dieses Jahr. Eine Veränderung wie ein Fingerzeig. Doch an sich klingt das erstmal nicht danach, als hätte das einschneidende Auswirkungen.
Wäre da nicht der späte Frost in den Nächten Ende April gewesen. Während die Vegetationsperiode immer früher beginnt, bleibt die Wahrscheinlichkeit von Spätfrösten seit Jahrzehnten gleich (Abbildung 1). Spätfrost ist also erst einmal nichts Ungewöhnliches. Allerdings gab es noch nie zuvor einen Spätfrost bei dem die Vegetation so weit fortgeschritten war, wie dieses Jahr.
Die Folgen haben nicht zuletzt die Obstbauern und Gärtner zu spüren bekommen. Und während Otto-Normalverbraucher zunächst noch mit den Schultern zuckt, wird wohl auch bei ihm spätestens zur Erntezeit im Herbst das böse Erwachen kommen. Wir können uns schon einmal auf deutlich steigende Obst- und Gemüsepreise in den Läden einstellen. Regionales Obst und Gemüse wird sowieso zur Mangelware werden.
Aber nicht nur unsere beliebten Apfel-, Birnen-, Kirsch-, Nuss-, Esskastanienbäume und gar Stadtbäume wie Platane und Robinie sind betroffen. Der Blick in den Wald offenbart Schockierendes. Buchen, Eschen und Pappeln haben vielerorts erhebliche Schäden erlitten (Abbildung 2). Nach der Schwächung der vergangenen Dürre und Hitze, haben die Bäume nun noch mit dem anderen Extrem zu kämpfen. Ob sich die Bäume wirklich wieder erholen können, wird sich zeigen. Es werden aber dieses Jahr sicherlich wieder einige Bäumen dran glauben müssen. Insbesondere für die heimischen Eschen, die schon seit rund 20 Jahren mit dem von einer eingeschleppten Pilzart ausgelösten Eschentriebsterben zu leiden haben, sieht es schlecht aus. Nach der starken frostbedingten Schwächung der Bäume, hat der Pilz ein noch leichteres Spiel. Das Aussterben dieser bei uns eigentlich typischen Baumart rückt immer näher. Auch für die ebenfalls vom Aussterben bedrohten Wild-Apfelbäume, einst neben der Eberesche der Erzgebirgsbaum schlechthin, sind diese Klimaextreme ein herber Rückschlag. Nach dem großflächigen Erfrieren der Blüten ist dieses Jahr noch weniger als ohnehin schon mit Nachwuchs zu rechnen. Im Gegensatz zur Dürre, von der insbesondere Nadelgehölze betroffen waren, sind es jetzt insbesondere Laubbaumarten. Dies führt uns vor Augen wie unglaublich wichtig Artenvielfalt ist. Und das gilt überall… nicht nur im Wald. Auch kann man sich kaum ausmalen, wie viele Jungvögel beispielsweise der Kälte wohl zum Opfer gefallen sind. Die Brutsaison war überall schon in vollem Gange.
Doch sind nicht immerhin batteriebetriebene Elektroautos mit regionalem Lithium aus dem Osterzgebirge die Lösung zum Klimaschutz? Wohl kaum… die damit einhergehende unvermeidliche massive Umweltzerstörung ist kein Beitrag zu einer klimafreundlichen Zukunft. Die Versiegelung einer Fläche von 200 Fußballfeldern, wie sie die „Zinnwald Lithium GmbH“ derzeit plant, wirkt sich nicht nur negativ auf das lokale Klima aus, sondern vernichtet selten gewordene intakte Lebensräume wie die hiesigen artenreichen Mischwälder, Bergwiesen und Steinrücken, die wir dringend bräuchten, um das ökologische Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Dass diese Waage global immer mehr ausschlägt, ist ein entscheidender Grund, warum sich das Klima gerade rasant verändert. Das Klima wirkt wiederum umgekehrt ebenfalls auf das ökologische Gleichgewicht ein – der Effekt verstärkt sich somit selbst.
Klima retten durch Konsum, hier am Beispiel von E-Autos, ist damit nichts weiter als Green-Washing. Keine Frage… technische Innovationen können ungemein wichtig sein, im Wandel zur Nachhaltigkeit. Aber dennoch müssen wir ehrlich damit umgehen, welche Wege tatsächlich hilfreich und effektiv sind – insbesondere hinsichtlich der Mobilität der Zukunft. Augenwischerei und Verdrängung vergrößern nur unsere Probleme und sind letzten Endes keine guten Ratgeber.