Vom 18.08.-31.10.2022 präsentiert der Botanische Garten Schellerhau eine Kunst-Ausstellung mit Werken von Eveline Jahn.
Die Künstlerin wurde in Halle geboren und wuchs in Dresden und Magdeburg auf. Sie studierte Musiktheater/Gesang in Weimar. Bis 1999 hatte sie ein Engagement als Sopranistin im Opernchor der Semperoper. Seit 2003 wendet sie sich gezielt der Encaustic-Malerei zu, einer Malart, die älter ist als die Ölmalerei! (Es wird mit erwärmten Bienenwachsfarben gearbeitet!) Eveline Jahn hatte in den vergangenen Jahren Einzelausstellungen z.B. in Bayreuth (2007, 2009, 2011), in Elbersdorf Belvedere „Schöne Höhe“ 2008 oder in 2011 eine Kabinett-Ausstellung in der Dresdner Galerie Mitte. Seit 2008 besteht mit der Galerie-Mitte-Dresden eine enge Ausstellungsbeteiligung. So sind derzeit vom 22.07.-10.09.2022 in der Sommerausstellung „Im Reich der Flora“ Werke von Eveline Jahn zu betrachten.
Kontakt unter: eveline.jahn@gmx.de, Uwe Jahn 0172/7903899.
FARBKLÄNGE – KLANGFARBEN
„Für den Maler sind nur die Farben wahr. Ein Bild stellt zunächst nichts dar, soll zunächst nichts darstellen als Farben. Geschichten, Psychologie, das steckt trotzdem drin. Es gibt eine Farbenlogik… der Maler muss ihr gehorchen, nicht der Logik des Gehirns. Wenn er sich an diese verliert, ist er verloren. An die Augen muß er sich verlieren. Die Malerei ist eine Optik, der Inhalt unserer Kunst liegt primär in dem, was unsere Augen denken. Die Farbe ist biologisch. Sie macht die Dinge lebendig.“ Paul Cézanne
Die strömenden Metamorphosen von Klangfarben und Farbklängen von Eveline Jahn unterliegen Gesetzmäßigkeiten, die mit ganz persönlichen Lebenserfahrungen einhergehen. Eine mitreißende Sinnlichkeit von Materialwertigkeiten, Strukturen ist das Kennzeichen ihrer Kunst. Irdisches und Atmosphärisches, zeitlich Gebundenes und unendlich Existentes münden in den sinnlichen Strom von Innerlichkeit ein, der die bewegte Stille beherrscht: rätselhafte Räume, nebulöses Gewölk, vulkanische Begegnungen, geheimnisvolle Natur in Bruchstücken, kaleidoskopartige Innen- und Außenbilder. Die Arbeiten erschließen sich nicht im Vorübergehen. Sie fordern den Betrachter heraus, das „Äußerlich-Zufälligen“ mit dem „Innerlich-Wesentlichen“ zu verbinden, sich dem archetypischen Kosmos des Dazwischen, in dem alles fließt, entsteht und vergeht, zu nähern. Zuweilen ähneln die Werke symphonisch-minimalistischen Partituren. So abstrakt das Sichtbare mitunter auch erscheinen mag, handelt es sich doch um die lesbaren Buchstaben eines persönlichen Alphabets, um das gebärende Chaos, die Welt und deren Klang zu beschreiben, vor- und rückläufig. Die Arbeiten verraten eine begeisterte Malerin, die alle Möglichkeiten der Encaustic am liebsten gleichzeitig ausreizen möchte, eine, die eine einzelne Farbe in allen nur möglichen Nuancen zum Leben erwecken kann oder die sich in Farben stürzt, um ihre spirituelle Magie zu ergründen. Eveline Jahn ist besessen von der Farbe als formbarer, herausfordernder Masse und sie vertraut sich intuitiv deren Macht an und so nehmen Gedanken und Gefühle zuweilen auch melancholische Tonarten an. Man sollte Eveline Jahn als malende Kompositeurin bezeichnen, die im Prozess des Arbeitens, die Chemie von Farbe, Form, Fläche und Raum ergründet. Das Bild an sich ist eine multimediale Realität. Es erscheint zwar auf dem Bildträger, kann aber Kraft der Imagination weit mehr sein als man auf dem ersten Blick wahrzunehmen meint, nämlich Berührung, Geruch, Geschmack, Musik, der Klangkörper eines Orchesters von enormer Dynamik. Allegro energico e passionato. Hier zählt nicht Wirklichkeit sondern der Zauber des Möglichen. Man braucht den Zauber, um in einer Welt rationaler Lösungen als sinnlicher Mensch überleben zu können. Es zählt im Bild die Stärke der Komposition, die über das Sichtbare hinausweist. Eindeutigen Zuordnungen entzieht sich das Werk, in welchem expressive, informelle, tachistische Elemente ineinander verfließen. Die Titel geben Anhaltspunkte für eine rationale Interpretation, wenngleich die den Werken innewohnenden musikalischen Rhythmen, die wirbelnden Farbunancen, der Sturmwind, der zuweilen über die Arbeiten weht, die anarchisch archaischen Bewegungen der Strukturen, das vehemente Wachstum, die glutvolle Innerlichkeit der Farben, welche verwunschene Tiefenräume aufschließen, dem Betrachter die Möglichkeit geben, für sich unterwegs zu sein. Es besteht sogar in gewissem Sinne eine Parallelität zur Aussage Dürers, der da meinte, dass alle Kunst aus der Natur komme, „wer sie heraus kann reißen, der hat sie“. Natur ist alles Sichtbare und Fühlbare in der Welt, davon ist Eveline Jahn überzeugt. Die Farbe als Schwingung spiegelt ihre innere Kraft, die Linie ihre feinnervige Sensibilität wider, mit den Augen zu hören! Eveline Jahn erzählt ihre Geschichten über den Menschen in seiner Selbst, über das Innen und das Außen, das ihn berührt, bewegt, quält, einschränkt oder wachsen lässt. Sie beherrscht die Poesie des „Noch-Nicht“ und „Nicht-Mehr“ und besitzt die Fähigkeit, die Nuance, den flüchtigen Moment einer Erlebnissekunde verschlüsselt mitzuteilen, wobei sich Farbe als ein letztes Aufleuchten oder als Neubeginn behauptet. Nichts erscheint aus der Mitte gerückt. Es ist die Welt der erinnernden Phantasie, der man gegenübersteht. Vergänglich in eine vergängliche Welt gestellt, versucht die Künstlerin dem Fließenden und Wandelbaren mit den Klangfarben ihrer Kunst Dauer entgegenzusetzen, einen Halt im Haltlosen. Man kann viel entdecken auf ihren Arbeiten, im transzendentem Blau mit seinen ätherischen Höhen und alles verschlingenden Tiefen, in warmen Rottönen, in den linearen Arabesken, gekräuselten Linien und irrationalen Vernetzungen, den Andeutungen von Licht und Schatten. Es existiert ein innerer, unsichtbarer Halt, eine Harmonie in Farblängen und Klangfarben.
Karin Weber