„Hinter mir liegen beglückende sechszehn Tage auf erzgebirgischen Wiesen und ich freue mich auf jene, die ihnen noch folgen!“ So ähnlich beendete ich meinen kleinen Text kurz nach dem diesjährigen Heulager und zum Auftakt meines Bundesfreiwilligendienstes bei der Grünen Liga. Mit den nun winterlich früh beginnenden Abenden fällt es leicht, der Gedankenwelt mehr Aufmerksamkeit zu geben und dabei auch so manches zurückliegende Erlebnis Revue passieren zu lassen. So ließ ich in den letzten Wochen hin und wieder meinen Blick im lodernden Flammenspiel des Ofens im Werkszeugraum der Biotoppflegebasis versinken, während ich überlegte, wohin wir von dort aus in den wärmeren Monaten ausgeschwärmt sind. Meine Erinnerungen zeichneten Bilder des Heulagers, das ich atmosphärisch mit keiner anderen Vereinsveranstaltung vergleichen kann. Nur die sommerlichen Temperaturen hielten sich bis in die Folgewochen, sorgen beispielsweise für Schweißbäder während der Pflegearbeiten rund ums Haus. Wirklich gebadet werden konnte leider nicht mehr, weil das Schwimmbecken nicht nur Farbe, sondern altersbedingt und mangels funktionstüchtiger Pumptechnik regelmäßig zu viel Wasser verlor. Borges entschied aus diesem Grund, auch noch die übrigen Tropfen abzulassen, ihm eine letzte aufwändige kosmetische Behandlung zu schenken und ihn bis auf weiteres in den Ruhestand zu setzen. Das mit anzusehen war, als flüstere der Sommer schon leise adé…
Zum Glück blieb es ein bloßer Eindruck, denn das fröhliche Mähen und Räumen der Wiesen ging weiter, mit ungefähr fünfzehn Studierenden grüner Studiengänge während des Schellerhauer Naturschutzpraktikums. Es war spannend und erfrischend, in abendlichen Referaten von Naturschutzarbeit aus ihren unterschiedlichen Heimatländern zu erfahren. Nicht weniger interessant und sehr umfangreich gab Jens dem Ganzen einen informativen Rahmen, indem er auf Exkursionen, Wanderungen, in Diskussionskreisen und zwischendurch – also nahezu unentwegt – über Flora und Fauna des Osterzgebirges berichtete (in English, of course). Andreas Frieseke, Borges, Lothar und ich waren dabei Studierende gleichermaßen, aber auch als Heinzelmännchen der Küche und anderer Räume sowie als „Weidetiere“ am Werk.
Was zur Heulager- und Praktikumszeit nicht gemäht worden ist, kam unter anderem zum ruhigeren Nachmähwochenende unter die Sense. Schaue ich dieser Tage von meinem Ofenplatz auf, sehe ich Mähwerkzeug und Rechen im Winterschlaf. Wenn sie es könnten, träumten sie sicherlich auch von kleineren „Vernetzungsarbeiten“ am Schloss Lauenstein.
Was an Grashalmen getrocknet und in unvorstellbarer Zahl angehäuft im Lager liegt, wird zwischendurch immer wieder in Tüten gestopft, die in Filialen der Dresdner Verbrauchergemeinschaft als Einstreu für Hamster & Co verkauft werden.
Meine Winterträumereien bringen nicht nur Erinnerungen an duftendes Heu. Mir kommt auch die Redewendung „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“ in den Kopf, so beschreibe ich Freunden oft unsere Arbeit im Erzgebirge. Am deutlichsten drängte sich dieser Gedanke wohl auf, als Borges und ich die einst im Rahmen einer Förderung durch die Grüne Liga gepflanzten Wacholder suchten. Nach groben Karten in mäßiger Druckqualität gerieten wir auch mal auf unbeabsichtigte Abwege, die immer wieder wunderbare Ausblicke auf die Landschaft bescherten. Eine schöne Überraschung auf einer dieser Touren waren außerdem Holzapfelbäume, die der Grünen Liga bisher unbekannt waren und bei dieser Gelegenheit gleich beerntet wurden. Vor allem Borges schnippelte in feinster Handarbeit dünne Scheiben und dachte beflissen jeden Abend daran, die Bleche vor Eintritt der nächtlichen Feuchtigkeit ins Haus zu holen. Heute freue ich mich neben sommerlichen Erinnerungen besonders über die duftenden, wohlschmeckenden Geschenke für Nase und Gaumen aus der Tasse heißen Apfeltees…
Während im Sommer kaum ein Tropfen Regen gefallen war, plätscherte es am letzten Septemberwochenende zur Apfelernte umso kräftiger. In gelbe Regenmäntel versteckt, sammelten kleine und große Kapuzenzwerge die vielfältigen Köstlichkeiten in und unter den Bäumen der Eisenstraße, um sie später zu Saft oder unvermittelt zwischen den Zähnen zu verarbeiten.
Beim Anlegen der Blühwiese am Heidepark mit Schülerinnen und Schülern des Dippoldiswalder Gymnasiums hätte ich mir einen derartigen Temperaturkontrast innerhalb zweier Wochen schwer vorstellen können. An einem der Tage brannte die Sonne so stark auf die emsigen Buddelflinke herab, dass Antje Lindner, die das Projekt initiiert und organisiert hat, Frank Zimmerhäckel und ich uns fragten, wie viele von ihnen an jenem Abend trotz Strohhuts mit einem Sonnenstich im Bett liegen würden. Doch obwohl die Energie gen Mittagszeit spürbar abflaute, hielten alle Kinder vom ersten Schritt des Abtragens der Grasnarbe bis zu den letzten des Andrückens des Saatguts durch. Und somit wandern meine Ofengedanken aus der Vergangenheit ins Baldige – welches Ergebnis sich wohl im Frühling zeigen wird?
Was an Kraft freigesetzt werden kann, wenn junge Menschen mit Freude und Eigenmotivation an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, sahen wir Erwachsenen mit Staunen auch an den Jugendnaturschutztagen im Oktober. Selbstbestimmt und -organisiert pflanzten ungefähr zehn Kinder und Jugendliche Beerensträucher an der Biotoppflegebasis und legten mit unermüdlichem Körpereinsatz einen Teich unterhalb der Müllerwiese an (wieder schweife ich in die Zukunft und freue mich auf die ersten faunistischen und floristischen Besiedler…). Erschöpfung am Abend? Nicht genug, um einen ‚Werwolf‘-Abend ausfallen zu lassen!
Noch in den herbstgoldenen Tagen werkelten Borges und ich an der kleinen „Schauinsland-Hütte“ oberhalb von Glashütte, um ihr den ersten Anstrich von Wiedernutzbarkeit zu geben. Dafür wurde der schmale Zuweg durch das Auslichten hereinwachsender Bäumchen, Sträucher und Gebüsche zugänglicher gemacht. Wir haben das immer grüner werdende Hausdach entmoost und zu stark beschattende Gehölze zurückgeschnitten, Borges hat in alles andere als ergonomischer Haltung das brüchige Vordach entfernt und die winzigen Eingangslöcher neugieriger Nager versperrt. Die unterhalb liegende terrassenförmige Wiese bekam die abschließende Pflege des Jahres. Über die kommenden Monate wird die Hütte sicherlich Winterschlaf halten, bis die detailliertere „Sanierung“ vorangeht.
Ähnlich einem Winterschlaf wirkt auch die einkehrende Ruhe im Bielatal. Die Arbeit im Freien beschränkt sich auf wenige Baumfällungen, Entbuschungen und einzelne Werkeleien, die in wenigen Tageslichtstunden machbar sind. Die dunklen Abende in Bärenstein, tiefschwarz im Verhältnis zu städtischen Verhältnissen, laden zum Wuseln in der Biotoppflegebasis ein – und sind, noch etwas später, bestens geeignet zum Sternegucken, zu einem Tauchgang in spannende Lektüre oder einer Teilnahme am durchaus empfehlenswerten Lehrgang „Offiziersskat“ mit dem erfahrenen Dozenten Borges Neubauer.
Ihm möchte ich übrigens an dieser Stelle noch einmal danken für einen überraschenden Feierabendausflug zum Mückentürmchen, geschichtliche Einblicke in die Region, Spaß bringende Kinderprogramme, köstlichste Pilzpfannen und immer wieder erfrischende Gespräche! (Und natürlich überhaupt allen für das wirklich schöne Arbeiten mit euch!)
Bis es im nächsten Jahr weitergeht – aus den ursprünglich angedachten sechs Monaten BFD werden neun – werde ich meine Füße wahrscheinlich nicht mehr so häufig aufs Ofengitter legen. Doch die von Erinnerungen angetriebene Gespanntheit aufs weitere Tun in einer Landschaft, „wo andere Urlaub machen“, lässt ohnehin nach Vorne schauen.