Im ersten Lockdown war ich, auch infolge coronabedingter Abwesenheit meines Autos, oft viele Tage am Stück allein im Bielatal. Kein Fernseher, kein weltweites Netz, kaum Handyempfang und wenige Menschen. Und da man nicht nur arbeiten kann und die Tage lang waren, war wieder mal viel Zeit zum Nachdenken/Besinnen und für Ideen.
So viel bekam ich aber in der Einsamkeit mit, dass meine Enkel und viele Kinder die Schule vermissten. Und wenn ich dann mal die Mathe-Aufgaben der Enkel sah, bekam ich das Grausen – keine Zeitbezüge und Verknüpfungen – einfach sinnentleertes Rechnen.
So fing ich an, mir interessante, verknüpfende und hoffentlich auch weltverstehende Aufgaben auszudenken. Eigentlich muss man die sich gar nicht ausdenken, denn sie sind immer um uns. In Vorausschau auf etwaige Virenangriffe aufs weltweite Netz und des Verständnisses wegen empfehlen sich nur analoge Hilfsmittel, wie Kopfrechnen, Thermometer, Maßband, Waage, etc.
Beispiel gefällig?
Viele Kinder und Erwachsene kennen Schloss Lauenstein.
Der Bund stellt 3,5 Mill. EUR zur Vorschlosssanierung bereit. 550 000 gehen als Mehrwertsteuer weg, 800 000 für Planung, macht noch 2,15 Mill., ziehen wir noch 1,15 Mill. EUR für Material ab, bleiben noch 1,0 Mill. für die Arbeitslöhne. Legen wir jetzt für Planer wie Arbeiter 40,0 € Stundenlohn zu Grunde kommen, haben die Arbeiter 25 000 – und die Planer 20 000 Stunden geleistet. Nehmen wir jetzt noch die fiktive Arbeitszeit von 200 Stunden pro Arbeitskraft, so haben auf unserer Baustelle 125 Arbeiter und 100 Planer gearbeitet.
Alles nichts Supergenaues. Es geht vielmehr darum etwas zu vergleichen, Verhältnisse oder Missverhältnisse kenntlich zu machen. Auf Niveau Grundschule herunter gebrochen, könnte das Ergebnis dann lauten: Für unseren privaten Häusle-Bau brauchen wir bei 5 Arbeitern 4 Planer. Noch eine Stufe tiefer, in der Vorschule, wäre die Antwort wahrscheinlich. „Wir brauchen einen Bauarbeiter, einen Elektriker, einen Maler, einen Dachdecker und Installateur, aber von den Planern nehmen wir nur Einen.“
Zugegeben, die Aufgabe muntert nicht unbedingt auf, und die Planer machen auch nur, was ihnen „von oben“ vorgegeben wird.
Jetzt aber zu richtig schönen Aufgaben:
Besonders dieses Jahr haben wir wieder schöne Stunden auf der Wiese an der Angermannmühle verbracht. Neben Kaffee-Runde mit Konzert fand dort natürlich auch wieder Mähen, Wenden und Pressen statt. Die Fakten zur Wiese sind: Größe 1ha, gepresst wurden 50 Ballen á 20kg, 50cm hoch, und 1 Tüte Bergwiesen-Heu der Liga enthält 1kg. Wieviel m2 Heu in einer Tüte sind, wäre nur eine der Berechnungen, die man machen könnte.
Der Kreativität sind zu einem Thema kaum Grenzen gesetzt, um so mehr Informationen man einbezieht. Die Presse, die genannte Ballen produziert, wurde vor 15 Jahren gekauft, jedes Jahr werden ca. 300 Ballen gepresst. Wer ist am höchsten? All diese Ballen über einander gestellt, der Fichtelberg oder die Zugspitze?
Die erste Aufgabe zum Schloss setzt wahrscheinlich außer Ohnmacht kaum Gefühle frei. Bei den Heu-Aufgaben sieht das schon ganz anders aus. Wenn es auch Mathematik ist, bewegt man sich immerhin in einer Welt, die man in Gerüchen, Geräuschen und Farben schon mal wahrgenommen hat.
Solch angenehmen Wahrnehmungen wünsche ich allen in der Weihnachtszeit und im nächsten Jahr
Glück Auf! Borges Neubauer