So etwa lässt sich die derzeitige Situation des Birkhuhns im (Ost-)Erzgebirge
sowie die sich daraus ergebende Handlungsnotwendigkeit kurzfassen. Aber
der Reihe nach. Die derzeit durch die Grüne Liga Osterzgebirge e.V.
koordinierte „Natura2000-Gebietsbetreuung“ im Landkreis Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge umfasst neben der Betreuung zahlreicher FFH-Gebiete
auch das Monitoring zahlreicher seltener Vogelarten in drei
Europäischen Vogelschutzgebieten (SPA-Gebiete). Einmal jährlich stellen
wir im Rahmen unserer für die Natura2000-Gebietsbetreuer organisierten
„Praxistage“ gebietsübergreifende Konfliktfelder bei der
Lebensraumerhaltung in den betreuten Gebieten zur Diskussion, untersetzt
durch eine Exkursion und einem eigenen, kleinen praktischen Beitrag zur
Verbesserung der Lebensraum- und Habitatverhältnisse. Nachdem im letzten
Jahr der Lebensraumtyp „Flachland-Mähwiese“ im Fokus stand,
beschäftigten wir uns Mitte September diesen Jahres mit dem Thema
Birkhuhnschutz im Vogelschutzgebiet „Kahleberg und Lugsteingebiet“.
Obwohl es mit knapp 330 ha ein eher kleines und mitten im touristischen
Winterrummel der Region Altenberg/Zinnwald gelegenes Gebiet ist, zählt es
doch zu den wichtigsten Rückzugsorten des scheuen Huhns. Bis in die
1980er Jahre waren die Bestände rückläufig und fast erloschen. Das bald
darauf fast flächendeckende Absterben der Fichtenbestände in den
Kammlagen des Erzgebirges gab dem „Katastrophenhuhn“ eine neue Chance
– nun fast optimale Habitatverhältnisse (große, freie Blößen als Balzplatz;
strukturierte und mit kleineren Offenflächen und Pionierbaumarten als
Nahrungsquelle durchsetzte Waldreste) führten im Kammgebiet zu einer
Vervielfachung der Bestände mit einem Höhepunkt Anfang der 1990er Jahre,
nicht nur im Osterzgebirge (etwa 100 balzende Hahnen in Sachsen). Und
nun? Die Bestände im Erzgebirge sinken allen Ortens. Die mit bis zu 50
Tieren einst reichste Population Deutscheinsiedel ist erloschen, kümmerliche
Restbestände existieren noch im Mittleren und Westerzgebirge. Auch im
Kahleberg/Lugsteingebiet sowie den angrenzenden tschechischen Gebieten
wird die Zweistelligkeit der Bestände, wenn überhaupt, nur knapp erreicht.
Doch wo sind die ursächlichen Probleme zu suchen? Wesentlich sind für’s
Huhn (und auch sonstige Tierarten) die drei Aspekte Habitateignung,
Prädatoren (Fressfeinde) sowie Gebietsbeunruhigungen; alle drei Kriterien
geben hier Anlass zur weiterführenden Sorge. Die ehemaligen
Rauchschadflächen sind längst wieder bewaldet. Restflächen, insbesondere
im tschechischen Habitatteil, werden umfangreich aufgeforstet, und auch auf
deutscher Seite werden neue „Katastrophenflächen“ (Windwurf,
Schneebruch) bzw. die langsam zusammenbrechenden Interimsbestockungen
meist wieder mit Fichten bepflanzt. So fehlen dem Birkhuhn die essentiellen,
wirklich großen, zusammenhängenden Balzflächen. Inzwischen auch in den
Kammlagen stark zunehmende Wildschweinbestände sowie Füchse führen
zu geringen Bruterfolgen und Altvogelverlusten, stark überhöhte
Rotwildbestände erschweren eine Naturverjüngung der als Winterfutter
wichtigen Birken, Ebereschen oder Erlen. Ein nicht mehr nur auf die
Wintermonate begrenzter, stetig befeuerter und wachsender Tourismus auch
abseits der Hauptwege führt zu flächigen Gebietsbeunruhigungen. Ein
ehemals wichtiger Balzplatz an der tschechischen Grenze wurde durch die
Schaffung eines großen Golfplatzes hinfällig.
All dies kann Volker Geyer, SPA-Betreuer des Kahleberg-Lugsteingebietes,
aus seiner mehrere Jahrzehnte umfassenden Erfahrung der
Birkhuhnbeobachtung unserer Gruppe berichten, während wir uns
verbliebene Balzplätze und verschiedene Habitatstrukturen anschauen und
Notwendigkeiten als auch Möglichkeiten einer Habitataufwertung
diskutieren.
Die Situation für das Birkhuhn ist inzwischen so prekär, dass seitens des
Staatsbetriebs Sachsenforst nun Maßnahmebündel geschnürt und schrittweise
umgesetzt werden. Was dies konkret vor Ort umfasst erläutert und zeigt uns
ein Mitarbeiter des Forstbezirkes Bärenfels im Kahleberggebiet. Als
Zielgröße gilt die Schaffung und Erhaltung von zwei bis drei Balzplätzen
ausreichender Ausdehnung sowie mehrerer kleinerer Blößen als nötige
Trittsteine. Darüber hinaus sollen eine intensivere Bejagung Brutverluste
verringern sowie die Einbringung von Laubbaumarten und Beersträuchern
das Nahrungsangebot verbessern. Erste Flächen sind bereits freigestellt,
weitere sollen zeitnah folgen. Eine entsprechende waldbauliche Planung
(Forsteinrichtung) soll diese Flächen dann langfristig erhalten und sichern.
Und unser praktischer Teil? Der folgte auf einer kleineren Blöße südlich des
Kahleberges, die eher der Kategorie „Trittstein“ zuzuordnen ist. Auch hier
schreitet die Sukzession in Form des Aufwachsens von Fichte und Kiefer
fort, nun vorerst unterbrochen durch den motivierten Einsatz von Astschere,
Hand- und Motorsäge sowie räumender Hand. Auch in den Randbereichen
konnten die Gehölze zurückgedrängt werden, nun fehlen nur noch die
Hühner, um sich hier zu tummeln… Es bleibt noch viel zu tun fürs Huhn,
und eine gute Portion Glück dürfte auch nötig sein, um aus der
verschwindend kleinen Restpopulation zwischen Kahleberg und Lugstein
wieder einen stabilen und sich mit anderen Populationen austauschenden
Bestand zu machen. Einen herzlichen Dank an die Exkursionsführer und die
teilnehmenden Gebietsbetreuer für diesen gelungenen Praxistag!