„Seitdem jeder hohle Baum, fast jeder Baum, wenn er nur einen Aststumpf mit faulem Holz hat, der Säge verfällt, ist immer größere Wohnungsnot über die Höhlenbrüter gekommen: die Stare, Meisen, Kleiber, Spechte. … An den Garten- und Feldbesitzer richtet der Vogelfreund die Bitten: Fälle nicht jeden hohlen Baum, schütze die alten Weiden! Erhalte die Feldhecken und Feldgebüsche! Schaffe Nisthöhlen nicht nur im Garten, sondern auch am Waldrand! Die nach dir kommen, werden dein edles Tun zu schätzen wissen.“
Nein, dieses Zitat stammt nicht von den Baumumarmern und Gehölzromantikern der Grünen Liga Osterzgebirge. Das stand 1924 so in einem flammenden Aufruf in den „Müglitztal-Nachrichten“, wahrscheinlich aus der Feder des verdienstvollen Glashütter Lehrers und Heimatforschers Alfred Eichhorn.
Knapp hundert Jahre später geht es den alten Bäumen der Region kaum besser. Zu Brennholzbegierden und widernatürlichen Ordnungsidealen sind seither Autoabgase und Tausalze, tatsächliche und vermeintliche Verkehrssicherungspflichten, Feldrainbegradigungen nach Agrarfördervorgaben, neuartige Pflanzenkrankheiten und Klimawandelextreme getreten. Gerade die vergangenen Dürrejahre haben auch vielen Baumdenkmalen heftig zugesetzt.
Rückblick Baumdenkmaltag
So stand eine weite Themenpalette zur Diskussion beim „Baumdenkmaltag“, zu dem die Grüne Liga Osterzgebirge und der Tharandter TU-Lehrstuhl für Biodiversität und Naturschutz am 24. April nach Reinhardtsgrimma eingeladen hatten. Ca. 40 Naturfreunde aus der Region beteiligten sich an den verschiedenen Angeboten der Tagesveranstaltung: Vorstellung von drei Naturdenkmalbäumen rund um die Reinhardtsgrimmaer Kirche, fachgerechte Pflanzung eines Wildapfelbäumchens, zwei Vorträge im Erbgericht zum Baumdenkmal-Projekt, Besuch im Pilzmuseum sowie eine landschaftsgärtnerisch-gehölzkundliche Führung im Schlosspark Reinhardtsgrimma (bei strömendem Regen).
Gleichermaßen mitreißend-motivierend wie fachlich fundiert bereicherte der Altmeister der sächsischen Gehölz- und Parkkunde, Rudolf Schröder, den Baumdenkmaltag mit seinem unvergleichlichen Erfahrungsschatz. Dabei sparte er aber auch nicht mit Kritik an der Art, wie im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit alten und wertvollen Bäumen umgegangen wird – insbesondere mit den Naturdenkmalen. 2014 hatte die Naturschutzbehörde zahlreichen Naturdenkmal-Bäumen den Schutzstatus aberkannt, weil deren Pflegekosten zu teuer wurden (und im Landkreis andere finanzielle Prioritäten gesetzt werden). Was damals einen heftigen Aufschrei der ehrenamtlichen Naturschützer, aber z.B. auch der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft hervorrief.
Dass dieses Thema noch nicht ad acta gelegt ist, unterstrich vor allem Dr. Rolf Steffens, der in seiner Funktion als Bezirksnaturschutzbeauftragter da nochmal nachhaken will. Zu den ehemaligen (bereits seit den 1950er Jahren bestehenden) Naturdenkmalen gehört auch eine mächtige Sommer-Linde bei Reinhardtsgrimma, die vor acht Jahren ihren ND-Schutz verlor. Im Verlaufe der damaligen Auseinandersetzungen sagte die Behörde zu, diesen (und vier weitere Bäume) per Einzelanordnung doch wieder zum Naturdenkmal zu erklären – wie Dr. Steffens anhand eines Protokolls zeigte.
Baumdenkmalpaten gesucht
Noch viel wichtiger aber als ein formeller Schutzstatus ist es für die alten Bäume, dass sich jemand um deren Wohlergehen wirklich kümmert. Im Kern geht es beim laufenden Projekt vor allem darum, ein Netz von ehrenamtlichen Baumdenkmalpaten aufzubauen. Für möglichst viele der großen, bedeutenden Exemplare werden Naturfreunde gesucht, die künftig ein-, zweimal „ihren“ Baum besuchen, dessen offensichtlichen Zustand dokumentieren und fotografieren sowie, vor allem, frühzeitig drohende Gefahren für den Baum zu erkennen versuchen. Dabei ist es egal, ob es sich um ein offizielles ND oder Nicht-mehr-ND handelt, ob der Baum in einem Naturschutzgebiet wächst (und deshalb in der Regel nicht zusätzlich als ND ausgewiesen ist) oder ob es einfach nur ein besonders mächtiger, markanter Baum bzw. ein Vertreter einer seltenen Gehölzart ohne jeglichen Schutzstatus ist.
Im Moment arbeiten die Projektbeteiligten von Grüner Liga und Uni-Professur noch an der Ersterfassung von Bäumen, die nach Möglichkeit in das Betreuungssystem mit einbezogen werden sollen. Rund 300 Bäume stehen inzwischen auf den Listen. Die meisten Exemplare finden sich in der vorläufigen Kartenübersicht bei https://osterzgebirge.org/de/natur-erkunden/schutzgebiete/naturdenkmale/baum-naturdenkmale. Eine Datenbank (samt Kartendarstellung) wird derzeit professionell programmiert. Hier sollen dann in Zukunft auch alle Fotos und Dokumentationen der Baumdenkmalpaten eingepflegt werden.
Ein Teil der Bäume ist darüberhinaus für vertiefte wissenschaftliche Untersuchungen vorgesehen, vor allem Kartierung sogenannter Mikrohabitate, faunistische Erfassungen (Naturschutzinstitut Freiberg sowie Dr. Jörg Lorenz) und 3D-Laserscan (TU Lehrstuhl Biodiversität und Naturschutz).
Öffentliche Veranstaltungen zu Baumdenkmalthemen
Während sich die federführende Uni vor allem den wissenschaftlichen Projektteilen widmet, kümmert sich die Grüne Liga Osterzgebirge vorrangig um Öffentlichkeitsarbeit und praktische Maßnahmen. so fand im Rahmen des diesjährigen Bäumchenpflanz-Wochenendes eine naturkundliche Wanderung zu seltenen Gehölzen auf den Fluren von Jahonsbach und Falkenhain statt – im Schneesturm!
Bei dann hoffentlich besserem Wetter steht die nächste Veranstaltung am kommenden Wochenende auf dem Programm:
Beim Schlottwitzer Heimatfest am 11.6. werden wir ebenfalls präsent sein. Im Juni wird es außerdem zwei größere Studentenexkursionen im Raum Altenberg geben, unter anderem ebenfalls mit einem thematischen Schwerpunkt „Alte Bäume = Lebensräume“. Und am Wochenende 18./19. Juni geht es auch beim Camp der Jungen Naturwächter auf der Tharandter Johannishöhe um alte Bäume.
Besondere Baumbilder für Fotoausstellung
Stimmungsvolle, aussagekräftige Fotos rund um das Thema Baumdenkmale sucht derzeit die Grüne Liga Osterzgebirge, um damit über den Sommer eine Ausstellung im Botanischen Garten Schellerhau zu gestalten. Wer hat besonders eindrucksvolle Baumfotos aus dem Ost-Erzgebirge in seinem Fotoarchiv und kann diese für diesen Zweck zur Verfügung stellen? Willkommen sind natürlich auch aktuelle Frühlingsaufnahmen von frisch austreibenden oder blühenden Gehölzen.
Die Fotopräsentation wird am Sonntag, den 19. Juni, eröffnet – in Zusammenhang mit weiteren Informationsangeboten.
Es ist zu hoffen, dass mit all diesen Aktivitäten die alten, wertvollen Bäume im Ost-Erzgebirge wieder mehr Aufmerksamkeit und Respekt bekommen, als hochbetagte Mitbewohner der Region, die uns vielerlei Mehrwert bieten, trotz und gerade wegen ihres Alters. Lasst uns verhindern, dass „… fast jeder Baum, wenn er nur einen Aststumpf mit faulem Holz hat, der Säge verfällt. …“!
Mehr zum Baumdenkmalprojekt gibt es hier.