Zu Beginn des Jahres ploppten so viele neue Baustellen bei den beiden Lithium-Bergbauvorhaben auf, dass man kaum noch die Übersicht behalten kann (die Februarausgabe des Grünen Blätt’ls berichtete). Zum Glück handelt es sich bislang noch nicht um reale Baustellen, sondern „nur“ um solche innerhalb von verschiedenen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Und die Bürgerinitiativen von Bärenstein, Cínovec, Liebenau und Zinnwald sind gut aufgestellt, um mit hohem Freizeit-Engagement sowie inzwischen viel Fachkompetenz die meisten Herausforderungen bewältigen zu können. Hier eine aktuelle „Baustellenübersicht“:
- tschechisches Planfeststellungsverfahren zu den Transportanlagen des Bergbauunternehmens Geomet s.r.o.
Vor dem Hintergrund eines auch in Tschechien stark angewachsenen politischen Drucks auf heimische Rohstoffausbeutung fand von Mitte Januar bis zum 20. Februar die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Teilabschnitts der Geomet-Planungen statt. Es geht in dieser Phase der planerischen Salamitaktik unter anderem um die Transporteinrichtungen, mit der das Erz vom geplanten Bergwerksausgang (Waldgebiet Sedmihůrky bei Cínovec) bis hinunter an den Fuß des Ost-Erzgebirges geschafft werden soll. Teilweise umfassten die (tschechischen) Unterlagen aber auch Betrachtungen zum Gesamtvorhaben. Daraus ging hervor, dass Geomet seine Förderpläne drastisch nach oben geschraubt hat, auf 3,2 Millionen Tonnen pro Jahr! (Wiedermal zum Vergleich: das Fördermaximum von Zinnerz Altenberg lag Mitte der 1980er Jahre bei ca. 1 Mio Tonnen pro Jahr; die damaligen Fördermengen in Cínovec lagen weit darunter).
Die drei deutschen Bürgerinitiativen haben sich mit einer gemeinsamen Stellungnahme auch bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im tschechischen Planfeststellungsverfahren eingebracht und schickten am 15. Februar ihre Einwendung an das tschechische Umweltministerium: https://osterzgebirge.org/wp-content/uploads/2025/02/Stellungnahme-dt-BI-zu-cz-PFV-15-2-25-1.pdf
- Zinnwald Lithium beantragt ein weiteres Gebiet zwecks „einer bergrechtlichen Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken im Feld ‚Liebenau'“
Das Unternehmen besitzt bereits für weite Gebiete des Osterzgebirges derartige „Erlaubnisse“ (Altenberg, Bärenstein, Falkenhain, Sadisdorf), um das Vorhandensein von Rohstoffen zu erkunden, nun kommt also auch noch ein breiter Streifen zwischen Trebnitz und Harthe hinzu. Was nach einer eher unproblematischen frühen Vorstufe von eventuell „ernsthafteren“ Bergbauplanungen klingt, kann nach deutschem Bergrecht einen ziemlich verhängnisvollen Automatismus in Gang setzen. Falls diese „Erlaubnis“ auf Erkundung tatsächlich abbauwürdige Rohstoffvorkommen offenbart, dann hat das Unternehmen faktisch eine Art Rechtsanspruch auf die nächste Genehmigungsstufe: die „Bewilligung“ eines Bergbauvorhabens. Und nach einer besonders krassen Absonderlichkeit des Bundesberggesetzes, der sogenannten „Rohstoffsicherungsklausel“, steht dieses Abbauinteresse dann generell über allen anderen öffentlichen Belangen („Bei Anwendung dieser Vorschriften ist dafür Sorge zu tragen, daß die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.“, §48 BBergG).
Die Ortschaftsräte hatten bis 21. Februar Zeit für eine Stellungnahme, die weitere Öffentlichkeit wird nach Bergrecht an dieser ersten Genehmigungsphase nicht beteiligt. Leider haben wir es nicht geschafft, auch bei dieser „Baustelle“ aktiv zu werden.
- Scoping-Unterlagen für Umweltverträglichkeitsprüfung „Liebenau-Variante“
Ende Januar erhielten wir durch die Naturschutzverbände Kenntnis davon, dass das Oberbergamt den sogenannten „Trägern Öffentlicher Belange“ (TÖB) ein Dokument mit dem prosaischen Titel „1. Fortschreibung der Tischvorlage zur Abstimmung des Inhaltes und des Umfangs der Antragsunterlagen des PFV für das Zinnwald Lithium Projekt“ zugeschickt hatte. Es handelt sich um die Unterlagen für das „Scoping“ – faktisch der erste Schritt der Umweltverträglichkeitsprüfung. Dabei wird der jeweilige Untersuchungsrahmen für die Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf die verschiedenen, vom UVP-Gesetz vorgegebenen „Schutzgüter“ festgelegt: Menschen, insb. Gesundheit; Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt; Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft; kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter; Wechselwirkung zwischen den Schutzgütern.
Für die „Bärenstein-Variante“ von Aufbereitungsfabrik und Abraumhalden hatte dieses „Scoping“ bereits 2023 stattgefunden. Die dortigen Pläne haben sich zwar, gemäß der Öffentlichkeitsarbeit von Zinnwald Lithium, seither auch im Raum Bärenstein erheblich verändert, aber die damals festgelegten Untersuchungsgrundlagen gelten dort weiterhin. Nun kommt also „Liebenau“ offiziell hinzu. Und auch hier sind die zugrundeliegenden Angaben von Zinnwald Lithium mehr als vage. Es gibt weiterhin keinerlei Angaben zu:
– Art und Umfang der unter Zinnwald geplanten Sprengungen und deren kumulativer Auswirkungen in Zusammenhang mit dem „nebenan“ geplanten Bergwerk von Geomet s.r.o.;
– Wasserbedarf für chemische Prozesse und „Unschädlichmachung“ des fein gemahlenen Abraums;
– Abwasser-/Grubenwasseranfall und dessen wahrscheinliche Inhaltsstoffe;
– Energiebedarf und wie dieser gedeckt werden soll;
– zu erwartendes Aufkommen an Schwerlastverkehr;
– Risiko von Havarien (Lithium-Fabriken gelten als besonders feuergefährdet, siehe aktuell der Großbrand im Batterie-Speicher Moss Landing in Kalifornien)
Im Unterschied zum Scoping-Verfahren in Bärenstein, als sich die betroffene Öffentlichkeit nachdrücklich Gehör verschafft hatte, verweigert das Oberbergamt diesmal kategorisch die Öffnung des Verfahrens für „sonstige Dritte“ (eine „Kann-Bestimmung“ nach § 15 UVP-Gesetz, also im freien Ermessen der Behörde). Zweimal hat die BI Bärenstein Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung in diesem Verfahrensschritt eingefordert, zweimal gab es eine Absage. Auch die Stadträte von Altenberg erfuhren zuerst auf dem informellen Weg über die BI’s von der Unterrichtung der „Träger öffentlicher Belange“.
Die Bürgerinitiativen haben sich gründlich mit den Scoping-Unterlagen befasst und eine 16-seitige Argumentesammlung zu den Untersuchungsrahmen-Festlegungen verfasst:
Weil die Zivilgesellschaft der betroffenen Region aber eben offiziell ausgeschlossen ist, stellten die BI’s diese Argumentesammlung den anerkannten Naturschutzverbänden sowie den Städten Altenberg und Glashütte und dem Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge zur freien Verfügung als Grundlage für deren Stellungnahmen. Abgabetermin ist der 28. Februar.
- Raumordnungsverfahren Zinnwald Lithium
Dem bergrechtlichen „Rahmenbetriebsplanverfahren“ (= „Planfeststellungsverfahren“) vorgeschaltet wird ein „Raumordnungsverfahren“ (= „Raumverträglichkeitsprüfung“). Verfahrensführend hierfür ist nicht das ansonsten allmächtige Oberbergamt, sondern die Landesdirektion Sachsen. Auf der Basis des Raumordnungsgesetzes, des Landesentwicklungsplans und des Regionalplans wird geprüft, inwiefern das Vorhaben mit den anderen Ansprüchen an den betreffenden „Raum“, also Landschaft, Siedlungen, Infrastruktur, in Übereinstimmung zu bringen ist. Es handelt sich keineswegs um ein „Verhinderungsinstrument“, ist aber ebenfalls mit einer (relativ oberflächlichen) Umweltverträglichkeit – samt FFH-Verträglichkeitsprüfung – verbunden. Vor allem aber wird es die allererste Chance in dem gesamten Prozess sein, wo die Meinung der betroffenen Bürger aufgenommen werden muss.
Dumm ist in diesem Fall, dass 2023/24 Bergbauunternehmen gegen die wichtigsten Bestimmungen des Regionalplans „Oberes Elbtal – Osterzgebirge“ geklagt – und vom Oberverwaltungsgericht Bautzen aus formellen Gründen Recht bekommen haben.
Der Beginn des Raumordnungsverfahrens wurde für das 1. Quartal 2025 angekündigt. Es kann also jederzeit losgehen: dann haben Bürger, Umweltvereine und alle anderen wahrscheinlich einen Monat Zeit, ihre Argumente einzuwenden. Diese müssen gründlich und fachgerecht von der Landesdirektion geprüft werden. Zur Vorbereitung auf diese neue Herausforderung trafen sich am 22. Februar Vertreter von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden im Bärensteiner Bielatal zu einem workshop. Krankheitsbedingt leider nur online zugeschaltet, erklärte Auskennerin Andrea Seidel fundiert die doch recht komplexen Prozesse in einem Vortrag:
https://osterzgebirge.org/wp-content/uploads/2025/02/Workshop-Bielatal_2025-02-22.pdf
- Warten auf CRMA
Sowohl Geomet s.r.o. als auch Zinnwald Lithium Plc. hatten sich im vergangenen August bei der EU-Kommission um die Einstufung als „Strategische Projekte“ beworben, gemäß des letzten Jahres neu geschaffenen Critical Raw Materials Act (CRMA, = Europäisches Gesetz zu Kritischen Rohstoffen). Mit der Anerkennung als solche wäre zum einen eine extreme zeitlich Straffung der Genehmigungsverfahren verbunden, zum anderen würden sich wahrscheinlich die Geldbörsen von Investoren – und sicher auch staatliche Fördertöpfe – öffnen. (Aktuell sieht es laut Börsendaten so aus, als könnte Zinnwald Lithium in wenigen Monaten das Geld ausgehen).
Im Oktober hatten sich die vier Bürgerinitiativen in einem gemeinsamen Schreiben an die zuständige Generaldirektion gewandt und Argumente gegen die Einstufung der beiden konkurrierenden Vorhaben als „strategische Projekte“ vorgebracht. Im Februar legten sie noch einmal nach und informierten die EU-Kommission über die Einwendung im tschechischen Planfeststellungsverfahren und die Bemühungen, beide Staaten zu grenzübergreifender Umweltprüfung nach der sogenannten Espoo-Konvention zu bewegen.
Bis 20. März 2025 will die EU-Kommission nun ihre Entscheidung zu den „strategischen Projekten“ verkünden. Wenn man die im CRMA festgeschriebenen Anforderungen zugrundelegt, dürften beide Bergbauplanungen in ihrem jetzigen Stadium keinesfalls die Anerkennung als „strategische Projekte“ bekommen. Beide verfügen noch nicht einmal über einen technischen Machbarkeitsnachweis, geschweige denn über eine Darstellung der ökonomischen Tragfähigkeit („Bankable Feasibility Study“) – von den im CRMA hervorgehobenen Kriterien Umwelt-/Sozialverträglichkeit und Transparenz ganz zu schweigen! Andererseits freilich ist aktuell der politische Druck enorm.
Dies betrifft nicht nur das Ost-Erzgebirge, sondern auch etliche weitere Regionen in Europa, wo sich Menschen gegen die drohenden Zerstörungen in ihrer Heimat zur Wehr setzen. In den letzten Monaten sind wir Teil eines Netzwerks von sehr engagierten Initiativen geworden, die nicht zum Opfer einfachen Umschaltens von einem Ressourcenüberverbrauch zum nächsten Ressourcenüberverbrauch werden wollen. Pünktlich zur Sitzung des „Europäischen Ausschusses für Kritische Rohstoffe“ am 20.2.25 haben Friends of the Earth und andere europäische Umweltverbände eine Reihe sogenannter „fact sheets“ über die verschiedenen Bergbauvorhaben veröffentlicht. Ein solches „Faktenblatt“ widmet sich auch dem Zinnwald-Projekt:
Geplant ist, nach der Veröffentlichung der „Strategischen Projekte“ gemeinsam bei der EU-Kommission ein „Request of Internal Review“ (RIR = Antrag auf interne Überprüfung) nach Artikel 10 Aarhus-Richtlinie einzulegen. Wenn dieses RIR zur selben Einschätzung kommt (wovon ja leider auszugehen ist, weil eine Krähe der anderen …), dann besteht auch die Möglichkeit zur Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (Artikel 12 Aarhus-RL).
Solch eine EuGH-Klage ist dann natürlich noch eine ganz andere Herausforderung. Man braucht vor allem:
- A) eine auf der „großen Ebene“ klagebefugte Umweltorganisation. Der Grüne-Liga-Bundesverband hat dafür bereits Unterstützung signalisiert. Voraussetzung allerdings: es gibt vor Ort einen Verein, der mit der Grünen Liga kooperiert und sich um die Arbeiten vor Ort (einschließlich Spendenakquise) kümmert. Wir planen, Mitte März einen solchen „BI-übergreifenden Verein“ hier zu gründen. Engagierte Mitstreiter gegen überdimensionierte Bergbaupläne im Ost-Erzgebirge willkommen!
- B) motivierte und mit Bergrecht vertraute Anwälte, die pro bono oder für wenig Honorar bereit sind, diesen sehr speziellen Fall (zwei konkurrierende Bergbauunternehmen am gleichen Erzkörper, getrennt durch eine Staatsgrenze und fast ohne grenzübergreifender Abstimmung) mit zu übernehmen. Wir hoffen, dass uns das im Verbund mit den anderen europäischen Bergbaubetroffenen gelingen kann.
- C) (Spenden-)Geld, um die finanziellen Anforderungen durchstehen zu können. Vermutlich werden da in den nächsten Monaten noch so einige Bettelartikel auf die Grüne-Blätt’l-Leser zukommen …
Die wichtigste Voraussetzung, um gegen die politisch forcierten Landschaftszerstörungsbedrohungen großindustriellen Bergbaus eine Chance zu haben, ist die Kooperation unter den Akteuren. Diese Zusammenarbeit funktioniert aktuell wunderbar zwischen den Bürgerinitiativen, über die Grenze hinweg – und darüberhinaus auch zunehmend auf europäischer Ebene. Großes Dankeschön an alle, die sich derart engagiert für die Erhaltung der Osterzgebirgsnatur einsetzen!
Jens Weber