Natur im Osterzgebirge

Alte Bäume = Lebensräume – Ein Rückblick auf das Baumprojekt – 2021 bis 2023 mit Ausblick

Im Juni 2023 „offiziell“ beendet, und nun zum Jahresende abgerechnet und mit einer Website gekrönt, wurde das Baumprojekt erfolgreich abgeschlossen. Ab Herbst 2021 haben wir über 150 Bäume im Osterzgebirge systematisch erfasst und hinsichtlich ihres Habitat- und Klimaschutzpotenzials sowie ihrer Lebensgemeinschaften untersucht.

Die Wissenschaftliche Bilanz

Von Herbst 2021 bis Juni 2023 wurden im Naturraum Osterzgebirge zahlreiche alte, große und in anderer Weise besondere Bäume systematisch erfasst. Mithilfe eines standardisierten Erfassungsbogens wurden sie hinsichtlich ihres Zustands und ihrer ästhetisch-kulturellen Qualität bewertet. Zudem wurde bei einem großen Teil auch das Habitatpotenzial (Mikrohabitate: Höhlen, Totäste u.a.) untersucht, sowie der Bewuchs mit Moosen und Flechten. 51 Bäume wurde mithilfe des terrestrischen Laserscannings erfasst – Auf Basis des Holzvolumens kann so die Menge des gebundenen Kohlenstoffs abgeschätzt werden. 20 ausgewählte Bäume und Baumgruppen vom Naturschutzinstitut Freiberg faunistisch untersucht (Vögel, Fledermäuse), ein Baum wurde von Dr. Jörg Lorenz (Löthain) auf holzbewohnende Insekten untersucht.

Gemäß den Erfassungsbögen, die Punkte nach Erhaltungszustand, Ästhetischen Merkmalen wie auch Alter und Größe vergeben, sind drei Bäume besonders hoch bewertet: Die Lärche am Schlosspark Pfaffroda (270 Jahre alt) (Abb. 1), die Schmorsdorfer Linde (um 800 Jahre) sowie die Körner-Eiche in Dippoldiswalde (210 Jahre). Zu diesen „Prominenten“ und weiteren, über 150 besonders wertvollen Bäumen wurden auch historische Daten zu ihrer Lebensgeschichte ermittelt und werden demnächst online verfügbar sein.

Hinsichtlich des Habitatpotenzials gibt es große Unterschiede zwischen den Baumarten, hier finden sich die meisten Mikrohabitat-Typen bei Esskastanien (Abb. 2), Kultur-Äpfeln und Linden. Das Habitatpotenzial wurde durch die faunistischen Untersuchungen teilweise eindrucksvoll bestätigt, etwa Beobachtungen von höhlenbrütenden Vögeln, manche erst im Gefolge von Spechten (Abb. 3). Nachweise der Fledermäuse geben immer auch über die Qualität der Umgebung (Biotopvielfalt, Verknüpfung großen Waldgebieten) Auskunft. Hier zeigten sich an einer Esche in Mohorn-Grund 9 verschiedene Arten – ein Baum an einer regelrechten Fledermaus-Autobahn!

Besonders spannend waren die Ergebnisse der Käfer-Erfassung an der alten Ess-Kastanie im Forstgarten Tharandt mit 103 Holzkäfer-Arten, darunter auch sehr seltenen Arten. Hier zeigt sich, dass selbst „Urwald-Reliktarten“ die an besonders alte Bäume und starkes Totholz gebunden sind, auch außerhalb von naturnahen Wäldern vorkommen können. Das unterstreicht den enormen Wert, den auch alte Bäume außerhalb der Wälder haben können. Und wichtig es ist, gerade auch solche Bäume zu erhalten.

Die mit Abstand höchste Vielfalt an Moosen und Flechten findet sich hingegen an Eschen, Holz-Äpfeln und Sal-Weiden (Abb. 4). Interessant sind auch Ergebnisse zu älteren Bäumen von Rot-Eichen, Douglasien, Colorado-Tannen und Ess-Kastanie, die hinsichtlich Mikrohabitaten und Epiphyten kaum ärmer als einheimische Arten sind. Bemerkenswert sind aber die insgesamt schlechteren Epiphyten- und Mikrohabitat-Werte bei Nadelbäumen. Einzig die Weißtanne mag im höheren Alter – bis zu 600 Jahren wären möglich, keine der untersuchten Tannen dürfte über 250 Jahre alt sein – noch höhere Werte erwarten lassen.

Ausblick

Nachdem bereits viele Bäume im Rahmen einer forstwissenschaftlichen Bachelor-Arbeit systematisch erfasst wurden (Marvin Schneider, 2022), werden aktuell viele nachgemeldete und bisher nicht näher untersuchte Bäume in einer weiteren Bachelor-Arbeit untersucht. Die spannenden Ergebnisse der Esskastanie gaben Anlass zu einer Masterarbeit, die Mikrohabitate und Epiphyten an Esskastanien im Vergleich zu Trauben-Eiche und Buche aktuell untersucht (Abschluss Anfang 2024). Schon jetzt steht eine umfangreiche Datenbasis zur Verfügung, die noch auf weitere intensive Auswertungen wartet. Sicherlich ist es eine der bisher größten systematischen Untersuchungen an Altbäumen eines Naturraumes in Deutschland.

Auch weiterhin wird nun ein Netzwerk von Baumpatinnen und Baumpaten eine große Zahl an Bäumen beobachten. Damit sind wir bei der Erhaltung alter und wertvoller Bäume im Osterzgebirge ein großes Stück vorangekommen. Dieses System der Baumpatenschaften wird über das Osterzgebirge hinaus auf das Biosphärenreservat Pol´ana in der Slowakei übertragen. Dafür wurde im November 2023 ein internationales Projekt der Grünen Liga Osterzgebirge in Kooperation mit der Comenius Universität in Bratislava von der DBU bewilligt:

„Modellhafte Umsetzung eines Citizen-Science-Konzepts zum Management wertvoller Habitatbäume“

 Hierbei soll das Baumdenkmalpatensystem auf das Biosphärenreservat in Poľana übertragen werden. Die Aufgabe der Grünen Liga Osterzgebirge e.V. besteht darin, den slowakischen Kollegen das Wissen zu vermitteln, wie ein solches System aufgebaut werden kann, wie man Baumpaten findet, welche „Ausbildung“ diese benötigen und was notwendig ist um die Baumpaten auch langfristig zu motivieren. Um diesen Informations- und Erfahrungsaustausch zu gewährleisten sind persönliche Kontakte der Projektmitarbeiter und Baumpaten aus beiden Projektgebieten die beste Gelegenheit um das Projektziel zu verwirklichen. Vorgesehen sind hierzu unter anderem: Vorträge für die interessierte Öffentlichkeit, Gastvorlesungen für Studenten, Wanderungen und Exkursionen für Baumfreunde und –paten, Pflanzeinsätze sowie Seminare zur Qualifizierung von Baumpaten vorgesehen.

Im Osterzgebirge haben sich in der ersten Projektphase hauptsächlich Baumpaten im Erwachsenenalter gefunden. Deshalb wird im deutschen Teil des Projektes angestrebt, Kinder und Jugendliche (Junioren) für das Baumthema zu begeistern und für die Übernahme einer Baumpatenschaft zu motivieren. Diese sollen von den Erfahrungen der Baumpatensenioren profitieren, indem möglichst viele der geplanten Veranstaltungen für beide Zielgruppen ausgelegt werden. Es wird aber auch extra Veranstaltungen für die junge Zielgruppe geben. Geplant hierfür sind 2 Wochenend-Workcamps sowie Projekttage für Kinder und Jugendliche.

Alle Ergebnisse sowohl aus der Ersterfassung der Bäume als auch aus den Beobachtungen der Baumpaten werden in einer Datenbank gesammelt, die über eine Website erreichbar ist. Dabei wird das Websitesystem aus dem Osterzgebirge auf einen slowakischen Server übertragen und übersetzt. Alle Daten sind frei zugänglich und erlauben die Beurteilung des Gesundheitszustands eines Baumes und seine zeitliche Entwicklung. Dies wird nicht nur für interessierte Laien, sondern auch für Fachbehörden, Baumpfleger, Naturschützer, Wissenschaftler, Behörden und Kommunen interessant sein.

Antje Lindner & Sebastian Dittrich

Lärche am Schlosspark Pfaffroda (Dezember 2022)

Eine Serie von Spechthöhlen („Spechtflöte“) an alter Esskastanie im Forstgarten Tharandt (2022)

Ein Star bringt Beutetiere zu seinem Nest (Amerikanische Kastanie im Forstgarten Tharandt, Mai 2023).

Üppiger Moos- und Flechtenbewuchs an einer Sal-Weide bei Zinnwald (September 2022)

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