Natur im Osterzgebirge

Lipská hora, Impressionen vom 15. Bergwiesenmahdjubiläum im September 2023

Auch dieses Jahr trafen wir uns nun schon traditionell am zweiten Septemberwochenende zum Pflegeeinsatz der Wiesen am Lipská hora. Ja, wie hatte alles begonnen? Vor langer, langer Zeit, man schrieb das Jahr 1979, retteten Gymnasiasten in einer wilden, wenn nicht gar damals verbotenen Aktion, seltene Pflanzenarten vor den gefräßigen Schaufeln riesiger, an Dinosaurier erinnernder Maschinen, die man als Eimerkettenschaufelradbagger bezeichnete. Der Hunger der Industrie nach Braunkohle war gigantisch und um Bilina fraßen sich die Braunkohletagebaue in die Landschaft. Die geborgenen botanischen Raritäten pflanzten die Schüler auf die kalkigen „Weißen Hänge“ in einen verbuschten Halbtrockenrasen am Südfuß des Lipská hora im Böhmischen Mittelgebirge. Üppig wucherten Heckenrosen, Roter Hartriegel, Schlehen, Weißdorn, Berberitzen, Mehlbeere, Gemeiner Schneeball, Liguster, Zwergmispel, Feldahorn, …. Im dichten Buschwerk konnten sich auch einige Walnuss- und Obstbäume behaupten. Die Dornenhecken bildeten ein schier undurchdringbares, dunkles Dickicht. Dank der unermüdlichen Rodungs- und Mäharbeiten durch Naturfreunde des tschechischen Umweltverbands Arnika wurde aus dem Dornendickicht mehr und mehr eine kleinteilige, artenreiche Bergwiese mit Baumgruppen und Obstgehölzen. Die lichtbedürftigen Arten der Magerrasen konnten sich gut entwickeln. Im Herbst des Jahres 2009 unterstützten erstmals Helfer der Grünen Liga Osterzgebirge den tschechischen Umweltverband Arnika.
Nunmehr fand der gemeinsame Wochenendeinsatz im September zum 15. Mal statt und gehört zum festen Programm beider Vereine. So entwickelte sich über die Jahre eine einzigartige zwischenmenschliche Atmosphäre. In den zurückliegenden 14 Jahren Jahren ist es gelungen, auf der einst brachliegenden und nahezu vollständig von Dornenhecken überwucherten Fläche wieder einen artenreichen Halbtrockenrasen zu etablieren. Von der Südhanglage auf Kalkmergelboden profitieren weit mehr als 60 Kräuter- und Grasarten. Früher wurden das Mahdgut und die gerodeten Dornensträucher auf große Haufen geworfen und verbrannt. Seit 2018 holt eine Schäferin das Mahdgut und im zurückliegenden Jahr nahm die Schäferin die Fläche in ihre Obhut und beweidet diese mit ihren Herden. Die Entbuschung und Mahd zeigten mehr als den erhofften Erfolg und nun werden derartige Entbuschungen mit der Unterstützung tschechischer Umweltbehörden im ganzen böhmischen Mittelgebirge durchgeführt. Das Ziel der gemeinsamen Arbeit ist erreicht, die Fläche wurde in eine extensive, den Artenreichtum fördernde Bewirtschaftung im Weidebetrieb mit Schafen und Ziegen überführt.
Hochsommer, pünktlich mit dem Monatsbeginn bringt ein Omegahoch nochmal Hochsommer. Tagelang fast wolkenloser, dunkelblauer Himmel, nahezu windstill und heiß. Das Auto rollt die Straße von Cínovec hinab nach Dubí in die flirrende Hitze. Schweißgebadet erreichen Britta, Annegret und ich die kleine Wiese am Lipska Hora. Nun heißt es, das Zelt den Hang hinauf zu schleppen. Jana und Čestmir, Ellen und Tomáš, Christoph, Wolfram, Torsten und viele weitere Stammteilnehmer sind schon da. Freudig werden wir von allen begrüßt. Schon bald stehen die Zelte auf der kleinen Lichtung. Rötlich flimmert der Lipská Hora im Abendlicht, Dunst liegt über der Ebene, Grillen und Zikaden zirben, das Lagerfeuer brennt und Jana rührt schon im mächtigen, großen Suppentopf. Bald sitzen wir alle um das Feuer, ein milder, mediterraner Abend senkt sich über das Land.
Zeitig bin ich wach. Es ist heiß und stickig im Zelt, ich liege auf dem Schlafsack. Es dämmert und ich krieche aus dem Zelt. Reichlich Tau ist gefallen, klar und mild der Morgen. Ich gehe zum Feld um die Morgendämmerung zu erleben. Schon bellen die Rehe, noch rufen ein paar Käuze. Da kommt Christoph in Begleitung zweier der Teilnehmerinnen. Sie wollen am Gipfel des Lipská Hora den Sonnenaufgang erleben. Ich schließe mich an, nur gut, dass ich meine Fotoausrüstung dabeihabe. Wacker fürbass schreitet Christoph den direkten, steilen Weg hinauf zum Gipfel. Noch liegt der Eichentrockenwald im Dämmer, ein paar Rehe springen bellend ab. Hell und laut klimpert der Phonolith unter unseren Füßen. Ja, wenn man zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Fuß auf die richtige Phonolithplatte tritt, kann man beim Laufen Melodien spielen. Vor Sonnenaufgang erreichen wir den Gipfel. Still ist es, der feine blaue Dunst liegt über dem ausgetrockneten Land. Schon färbt sich der Horizont violett und dunkelrot, dann in kräftigen Rot- und Orangetönen. Glutrot schiebt sich der Feuerball der Sonne hinter dem Horizont empor. Violett, Rot Orange und Gelb erstrahlt das Firmament, die uns umgebende Landschaft.
Nach dem gemeinsamen Frühstück dröhnen die Motorsensen, werden nochmals die Rechen geschwungen, das Mahdgut hinab zur Straße gebracht und dort in die von der Schäferin bereit gelegten Säcke gestopft. Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit blühen unverdrossen noch einige der vielen Arten wie Wiesen-Flockenblume, Berg-Aster, Rundblättrige Glockenblume, Schwarzwerdender Geißklee, Quirlblütiger Salbei, Herbstzeitlose, Gewöhnliches Leinkraut, Wiesen-Silau, Echtes Labkraut, Gewöhnliches Bitterkraut, Lanzett-Kratzdistel, Steifhaariger Löwenzahn, Wilde Möhre, Kleiner Odermennig, Dornige Hauhechel, Schafgarbe, Gelbe Skabiose, Greiskraut, Heide- und Kartäusernelken und viele weitere. Bis zum frühen Nachmittag ist das Tagewerk vollbracht, die Schafe haben gute Vorarbeit geleistet. Wir sitzen zum Mittagessen auf der Wiese beisammen. So verbleibt im Nachmittag genügend Zeit um nochmals dem Lipská Hora einen Besuch abzustatten. Am Abend prasselt das Lagerfeuer, garen die nach Lipská – Hora – Art auf die Mistgabel aufgespießten, an den Enden kreuzweise eingeschnittenen Würstchen, die uns gar lecker schmecken. Dazu das gute böhmische Bier. Die Abenddämmerung senkt sich herab, Farbenspiel der sinkenden Sonne, Fledermäuse gaukeln durch die Lüfte, Käuzchen rufen, Rehe bellen und die Zikaden zirpen die ganze milde Sommernacht.
Am Sonntag heißt es Abschied nehmen, vom Lipská Hora Bergwiesenpflegeprojekt. Es liegt nun in guten Händen, zwischen den Bäumen weiden die Schafe. Nach dem Frühstück wird das Lager abgebaut und alles verladen. Wir fahren in Konvoi zu einem kleinen Dorf am Fuße des Naturparadieses Kostal, einer Basaltkuppe, die von einer Burgruine gekrönt ist. Doch zuvor laufen wir durch das kleine Dorf im milden, aber hitzeflimmernden Licht. Bunte Herbstblumen schaukeln im schwachen Luftzug heißen Sommertages. Schon bald laufen wir zwischen kleinteiligen Feldern, Obstgehölzgruppen auf einen von Kalkmergel gebildeten Hangabschnitt. Zuvor kämpfen wir uns durch dichte Macchia voller Dornen. In sanften gelbbraunen Pastelltönen breitet sich das hüglige, abwechslungsreich von kleinen Feldern, Baumgruppen, Hecken und Dörfern belebte Land vor uns aus. Es duftet nach Wermut, Kräutern, Erde und Sommer. Zikaden und Grillen zirpen, eine Gottesanbeterin lauert im Gras. Neben den schon benannten Arten blüht hier die Gold-Steppenaster. Mit einem gemeinsamen Essen in Velemin endet das Treffen. Ein ganz großer Dank allen Organisatoren für diese gelungenen Aktionen. Bleibt zu wünschen und zu hoffen, dass all die freundschaftlichen Kontakte, positiven zwischenmenschlichen Beziehungen sich fortsetzen mögen. Wir uns wieder treffen, um gemeinsam auf Exkursion zu gehen, neue Biotop – Projekte anzugehen, das Begonnene fortzuführen und weiterzugeben.

 

Bitte folge und unterstütze uns: