Natur im Osterzgebirge

Erinnerungen an Hannelore und Harald Voß

Hannelore verbrachte viele Kindheitsjahre bei ihrer Tante, einer damals recht bekannten Schauspielerin, in der „Renner-Villa“. Seither trug sie das Bielatal in ihrem Herzen. 

Die nächsten Jahrzehnte indes lebte Hannelore in Hamburg, an der Seite des Afrika-Wissenschaftlers Harald Voß und dann auch mit den beiden Töchtern Nicola und Sibylle. Sie arbeitete als Lektorin für einen Verlag, engagierte sich aber in ihrer Freizeit auch gesellschaftspolitisch. 

Anfang der 1990er Jahre ergab sich dann die kaum noch erwartete Gelegenheit, das Traumdomizil aus Kindheitstagen, besagte „Renner-Villa“ im Bielatal, zu erwerben. Mit viel Elan und Liebe zum Detail widmete sie sich von nun ab der möglichst originalgetreuen Renovierung des inzwischen in die Jahre gekommenen Hauses an der Kleinen Biela bei Bärenstein. 

Zum historischen Grundstück gehören auch rund drei Hektar Berg- und Nasswiesen sowie ein inzwischen recht naturnah herangewachsener Erlen-Mischwald beidseits des Baches. Über all die DDR-Jahre waren die LPG-Rinder hier immer erst recht spät und nicht allzu oft in diesen abgelegenen Winkel gekommen, so dass sich die „Bielatal-Biotope“ einen guten Teil ihrer Orchideen- und sonstigen Pflanzenpracht bewahren konnten. Ortskundige Naturschützer wussten das damals schon. 

Hannelore und Harald, die neuen Besitzer, waren anfangs freilich keine ortskundigen Naturschützer. Und so stellte sich ihnen die Frage: Was tun, um diese wundervoll bunten Wiesen zu erhalten?

So erreichte Britta und mich am Ende unserer neunzehnmonatigen „Halbweltreise“ ein Brief mit dem Angebot, ins Bielatal zu ziehen und uns um die naturschutzgerechte Pflege zu kümmern. Im Februar 1995 zogen wir ein. Es brauchte zunächst ein Weilchen, bis Hannelores Liebe zum Design-Detail und mein „Hauptsache-es-funktioniert-irgendwie“ sich aufeinander einstellten. Doch im Laufe der Jahre wurde daraus ein sehr harmonisches Miteinander im „Vossilienbiotop“ (wie ein Handwerker das schmuck renovierte Haus im Bielatal durchaus wohlmeinend bezeichnete). Wir haben Hannelore und Harald viel zu verdanken!

Was wäre wohl aus der Biologischen Vielfalt im Bielatal ohne sie geworden? 1996 fand hier das erste „Heulager“ statt, organisiert von der Grünen Liga Osterzgebirge. Die Zelte standen direkt vorm Haus auf der Streuobstwiese, die Heulagerer konnten Duschen und Toiletten in der Rennervilla nutzen und bei schlechtem Wetter auch mal die schicke „Bauerndiele“. Es entspannen sich viele interessante Gespräche zwischen den Generationen. Eine großartige Zeit!

Von Jahr zu Jahr brachten das Heulager und die zusätzlich organisierten Wochenend-Naturschutzeinsätze immer mehr Helfer ins Bielatal, und bald waren die Kapazitätsgrenzen erreicht. Da ergab sich die nächste glückliche Fügung: das ehemalige Ferienlager gegenüber der Bielatalstraße, das seit der Wende im Besitz verschiedener Steinbruchunternehmen und in fortschreitendem Verfall war, stand 2000 als Konkursmasse zum Verkauf. Nach konzeptionellen Vorabsprachen mit der Grünen Liga Osterzgebirge und dem Förderverein für die Natur des Osterzgebirges investierte die Familie Voß hier nochmal ein sicher beträchtliches Vermögen.

Die Gebäude des ehemaligen Ferienlagers (in Hannelores Jugendtagen noch „Gasthaus zum Bielatal“) wurden saniert und Wohnungen wiederhergerichtet, im Erdgeschoss des Haupthauses richtete der Förderverein seinen Sitz und im angrenzenden ehemaligen Speisesaal seine Werkstatt ein. Die Grüne Liga Osterzgebirge hat seither den Scheunenanbau gemietet, wo fortan auch das Heulager und viele andere Naturschütze stattfinden. Aus dem Objekt wurde die „Biotoppflegebasis Bielatal bei Bärenstein (BpbBbB)“.

Von Anfang an engagiert war die gesamte Familie Voß auch bei „Bielatalsolar“. 2005 fanden sich drei Dutzend Freunde und Unterstützer der Grünen Liga Osterzgebirge zusammen, um gemeinsam in eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach der Biotoppflegebasis zu investieren. Da die meisten dieser Solaranlagen-Mitbesitzer ihren Erlösanteil aus dem Stromverkauf teilweise oder gänzlich der Grünen Liga spenden, kann damit ein Gutteil der Heulagerverpflegung bezahlt werden.  Hannelore und Harald haben darüber hinaus auch zeitlebens verschiedene Naturschutzvereine hier nach Kräften finanziell unterstützt. 

Aber eben nicht nur finanziell, sondern auch mit Rat und Tat. Wann immer es sich zeitlich einrichten ließ, waren sie bei Versammlungen des Fördervereins, der Grünen Liga oder Bielatalsolar dabei. Hannelore gehörte viele Jahre der „Schiedskommission“ der Grünen Liga Osterzgebirge an (die in einem so respektvoll-kooperativen Verein aber zum Glück noch nie viel zu tun hatte).

In Erinnerung bleiben aber vor allem die vielen interessanten Gespräche, ob am Lagerfeuer im Bielatal oder bei naturkundlichen Wanderungen. Harald war eher ein zurückhaltender Mensch, der aber schier enzyklopädisches Wissen und einen reichen Erfahrungsschatz aus seiner Forscherzeit vermitteln konnte. Hannelore hingegen sprach gern über – auch für den Naturschutz heute wichtige – Bielatal-Details von früher, ebenso wie über den Zauber, den sie bis zum Schluss in diesem Winkel des Ost-Erzgebirges sah und verspürte. Ihr charakteristisches „Hannelore-Lachen“ verbreitete einfach auch gute Laune. 

Harald Voß starb 2018 im Alter von 90 Jahren. Ende März ist ihm nun, fast 95-jährig, auch Hannelore nachgefolgt. Wir behalten beide in dankbarer Erinnerung für alles, was sie hier im Bielatal und darüber hinaus geleistet haben. Sie gehören zu den Menschen, die heute sehr fehlen.

 

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