Natur im Osterzgebirge

Die etwas andere Schulstunde

„Es ist schon imposant, das Herzstück der Bobbahn Altenberg, das Kältemaschinenhaus! Die vier gewaltigen Verdichter mit je 250 kW Leistung ermöglichen es, selbst bei einer Außentemperatur von bis zu +20 °C genügend Kälte zu erzeugen, um die Bobbahn vereisen zu können. In den Sammelbehältern befinden sich ca. 45t Ammoniak, das als Kältemittel dient. Zum
Vergleich: die Leistung der Kältemaschinen entspricht denen von ca. 12000 Kühlschränken.“ (https://wia-altenberg.de/)

Es war ein trüber Vormittag im Erzgebirge. Die Städtebahn ratterte gemächlich Richtung Müglitztal und alles schien in bester Ordnung zu sein.
Wäre da nur nicht eine aufgeregte Gruppe von Gymnasialschüler*innen, die völlig ohne Aufsicht der Lehrer*innen einen Ausflug nach Dresden unternahm. Denn der 15.März war für uns in keinster Weise ein gewöhnlicher Tag. Es war der Tag, an dem der erste globale Schulstreik
fürs Klima stattfand. Dieser Aufruf ging nicht folgenlos am Altenberger „Glückauf“-Gymnasium vorbei. Etwa 30 Schüler*innen aus nahezu allen Kassenstufen waren gekommen, um dem Demozug, beginnend vom Dresdner St.-Benno-Gymnasium, beizuwohnen.

Zuvor gab es eine ausführliche Absprache mit der Schulleiterin Frau Junghans, die großes Verständnis für unser Anliegen zeigte. Zwar gaben nicht alle Eltern das Einverständnis, ihr Kind am Schulstreik teilnehmen zu lassen, aber die Zustimmung fiel dennoch unerwartet positiv aus. Nach gut zwei Stunden Anfahrt stieg unsere Gruppe aus der überfüllten Straßenbahn aus und strömte auf die andere Straßenseite, wo sich bereits zahlreiche Menschen mit selbstgebastelten Papp-Plakaten versammelt hatten.

Nach einer kurzen obligatorischen Einweisung durch die Organisator*innen ging es auch schon los. Unter Trommelwirbel und dröhnender Rockmusik setzte sich die Menge in Bewegung – und wir waren mittendrin! Begleitet von eindringlichen Sprechchören, wie „Wir sind hier! Wir sind laut! Weil ihr uns die Zukunft klaut“, zogen wir über die Albertbrücke Richtung Regierungsviertel und schlussendlich zum Neustädter Markt, wo die Kundgebung in nächster Nähe zum Goldenen Reiter stattfand.
Während wir den zahlreichen Reden lauschten und dem nassen Nieselregen trotzten, merkte ich, wenn auch nur unterbewusst, dass in diesem Moment etwas Großes geschah. Ich bemerkte, dass ich mit meinen Sorgen über die Zukunft unseres Planeten nicht allein war. Dass so viele Menschen – egal ob groß oder klein, ob erste oder zwölfte Klasse – gekommen waren, um an
diesem Dresdner Klimastreik teilzunehmen, war ein schwer zu beschreibendes Gänsehautgefühl. Dieser Tag hatte nicht nur eine klare Signalwirkung für Politik und Gesellschaft, sondern öffnete mir auch die Augen, wie mächtig man als Einzelne*r sein kann, wenn man mit anderen Menschen gemeinsam für eine Sache einsteht.
Das ist, worum es auch in der Demokratie geht. Es geht eben nicht darum, still abzuwarten und zu hoffen, dass sich die Probleme dieser Welt irgendwann schon in Luft auflösen werden, sondern um die Überzeugung, dass jede*r von uns die Fähigkeit UND die Möglichkeit hat, die Welt auf seine, bzw. ihre Art zu verändern. Dies mag naiv klingen, aber wenn wir uns auch nur für einen Moment lang eingestehen würden, dass wir nicht alles, aber dafür etwas ändern können, dann sähe die Welt ganz anders aus. Oder, um es mit den Worten des japanischen Dichters Ryunosuke Satoro auszudrücken: Allein sind wir kleine Wassertropfen, doch gemeinsam ein Ozean, der die Welt bewegen kann.

Dieses Bewusstsein erfordert es auch, um ehrliche und angemessene Antworten auf die Fragen des Klimawandels zu finden. Es beginnt mit der persönlichen Kaufentscheidung, geht über das Ansprechen am häuslichen Essenstisch und reicht bis zur politischen Partizipation, wie wir sie an diesem 15.März 2019 live und hautnah miterlebten. Die Frage lautet nur: Sind wir mutig genug? Sind wir mutig genug, um die kritischen Warnungen der Wissenschaft einerseits und die Vorzüge der Demokratie andererseits ernsthaft wahrzunehmen? Sind wir mutig genug, um diese Erkenntnisse zu nutzen, um uns für die Zukunft zu wappnen oder warten wir weiter im Schaukelstuhl der Ignoranz während sich draußen ein Sturm zusammenbraut?! Fest steht: Die Zukunft wartet nicht. Es gibt viel zu tun und noch mehr zu verlieren. Das war der Grundtenor, der in den zahlreichen Gesprächen auf der Heimfahrt zurück ins Müglitztal anklang. Ein Schultag wie jeder andere hätte uns diese Erkenntnis kaum gebracht.
Hagen Wagner

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