Für Kinder und Erwachsene
Neulich auf der Apfelallee, da ist mir was passiert,
wir hatten vor, noch paar Obstbäume zu pflanzen und ich bin gerade so beim Graben eines Loches, da hör ich: „Aua, meine Wurzel, Mensch pass doch auf!“. Wo kam denn das jetzt her?
„Guck nicht so blöd Mensch, ja ich kann sprechen und das war meine Wurzel, die du eben angehackt hast“. Ich schätze, ich hab wirklich blöd geguckt, denn einen sprechenden Baum kannte ich bisher nur aus Schloss Lauenstein. „In der Regel spreche ich auch nicht mit euch Menschen. Aber dich hab ich schon öfter hier gesehen, meist mit dem Apfelmenschen, und da bist du eigentlich nie unangenehm aufgefallen. Aber grab ruhig weiter die Wurzel ist sowieso fast abgestorben und ich freu mich immer so über neue Bewohner hier an der Eisenstraße. Meine Tage sind ohnehin gezählt.“
Da hab ich mich dann auch getraut, ihn zu fragen, wie alt er wäre?
„Tja so genau weiß ich es nicht. Wir Bäume lesen unser Alter eher an Ereignissen ab. Mein Baumvater soll aus einem Kloster namens Osek in einem anderen Land stammen. Unter ihm soll sogar mal ein Kaiser gesessen haben. Als ich meine ersten Äpfel trug haben die Menschen sie schon unreif von mir gepflückt, weil sie solchen Hunger hatten. Als ich Erwachsen war ist das nochmals passiert. Da hab ich dann kapiert, dass immer wenn die Menschen Krieg machen eine Hungersnot herrscht. Die letzten 70 Jahre ist solcher Blödsinn nicht passiert, die Menschen machen jetzt anderen Unfug.“
Das wollte ich nun aber genauer wissen, war er etwa noch sauer auf mich.
„Das mit der Wurzel ist schon vergessen Kleinmensch. Die stirbt sowieso bald ab, da sind ständig so schwere Ungetüme drüber gefahren. Aber im Frühjahr sind jetzt immer so wenig Bienen da und die Kartoffelkäferfamilie, mit der ich befreundet war kommt auch schon lange nicht mehr. Ist ja aber auch kein Wunder, ringsherum stehen nur noch Mais und Raps – euer Speiseplan muss ja öde sein. Na und dann leiden wir Bäume hier neuerdings alle Durst. Ich kann´s nicht beweisen, aber ich vermute da seid auch ihr Menschen Schuld dran.“
Wahrscheinlich sah ich nach seinen Worten nicht ganz glücklich aus, und er wollte mich aufmuntern und ermutigen.
„Aber manches ist auch besser geworden in den letzten Jahren, Kleinmensch. Seit einigen, in einem Apfelbaumleben wenigen, Jahren kommt der Apfelmensch zu uns und bringt manchmal auch seine Apfelmenschfreunde mit. Seitdem haben hier wieder viele neue Obstbäume eine Heimat gefunden. Ich habe seit Jahren wieder mal einen Kronenschnitt bekommen – tat das gut. Das schönste aber ist, dass man uns endlich Wertschätzung erfahren lässt. Die haben wir am meisten vermisst. Viele Jahre haben sich die Menschen uns gegenüber hochnäsig verhalten und nur noch parfümierte Modell Äpfel von Laufsteg Plantagen gegessen. Aber nun erfreuen sich die Menschen wieder an unseren Früchten. Und mehrmals im Jahr ist für uns jetzt Weihnachten, dann nämlich, wenn der Apfelmensch mit den Cunnersdorfer Kindergartenkindern uns Geschenke bringt. Das sind Tafeln mit unseren Lebensläufen und von den Kindern gemalten Passbildern von unseren Äpfeln. So was hat´s in der Apfelbaumwelt zuvor noch nie gegeben. He, Mensch wolltest du nicht eigentlich einen Baum pflanzen?“
Ich erklärte ihm, dass könne ich auch später noch tun. Und wann spricht schon mal ein Baum mit einem Menschen, da muss man sich einfach die Zeit nehmen.
„Hört, hört, ´Zeit nehmen`! Ihr und Zeit, ihr habt doch nie welche. Besonders seit ihr euch die Leuchtbretter vor´s Gesicht haltet, habt ihr nicht mal mehr Zeit zum Reden. Früher, da haben die Leute viel mehr geredet. Besonders wenn die Cunnersdorfer vom Tanzen aus `Klein Tirol` in Schlottwitz kamen hat man viel erfahren – da waren ihre Zungen gelöst, wahrscheinlich vom Apfelwein aus meinen Äpfeln. So, Kleinmensch jetzt muss ich aber meine Winterruhe beginnen. Komm im Mai wieder, da können wir wieder mal quatschen. Ach und grüß den Apfelmenschen und die Kindergartenkindern aus Cunnersdorf von mir und auch schöne Weihnachten mit viel Schnee(für meine Wurzeln und zum Rodeln) wünsch ich euch allen – sag denen das bitte.“
Das tue ich hiermit und schließe mich den Wünschen an – Borges Neubauer