Natur im Osterzgebirge

Lithium-Bergbau Zinnwald (2019)

Erneuerbare Energien sollen das Klima retten – doch ist offensichtlich: Energie – auch erneuerbare – gibt es nicht zum ökologischen Nulltarif. Zu den Hauptproblemen zählt offenbar die Verfügbarkeit von Batterierohstoffen.  Und somit ist auch der Lithiumglimmer Zinnwaldit in den Fokus der E-E-Branche gerückt.

Nun könnte es ernst  werden mit einem neuen “Berggeschrey” im Ost-Erzgebirge. Vom 11. September bis 10. Oktober 2019 lagen die Planungsunterlagen im Rathaus Altenberg und beim Oberbergamt Freiberg aus bzw. standen unter http://www.bigdata.sachsen.de/oba/2019_06_20_RBPZinnwald_gesamt.pdf im Netz.

Die Grüne Liga Osterzgebirge hat sich durch die 900 Seiten durchgewühlt und am Ende folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Stellungnahme / Einwendungen zum Bergrechtlichen Betriebsplanverfahren für das

Bergwerk Zinnwald der Deutschen Lithium GmbH

Grundsätzlich steht die Grüne Liga Osterzgebirge als Umweltverein dem zunehmenden Ressourcenverbrauch gegenwärtigen Wirtschaftens sehr kritisch gegenüber. Gleichwohl wird anerkannt, dass Lithium als Batterie-Rohstoff wahrscheinlich unabdingbar ist, soll die Abkehr von fossilen Energieträgern gelingen. In diesem Fall ist es sicher besser, diesen Rohstoff unter Wahrung strengster Umweltnormen im eigenen Land zu gewinnen, als von fernen und kaum kontrollierten Quellen zu importieren.

Allerdings werfen die veröffentlichten Planungsunterlagen einige erhebliche “Fragezeichen” auf, ob tatsächlich die Wahrung strengster Umweltnormen verlässlich gewährleistet werden kann.

  • Wo und wie soll die chemische Aufbereitung des gewonnenen Materials stattfinden?

Die Aussage “Die Weiterverarbeitung des Glimmerkonzentrats erfolgt an einem externen Standort.” (S. 77) kann nicht zufriedenstellen. Im Gespräch waren bislang die Varianten “Schwarzheide” und “Freiberg”, aber auch Altenberg selbst scheint nicht ausgeschlossen zu sein. Die Grüne Liga Osterzgebirge wendet sich entschieden gegen jegliche Form der “Salamitaktik”! Das Vorhaben muss in seiner Gesamtheit betrachtet, die verschiedenen Optionen hinsichtlich ihrer Umweltwirkungen analysiert werden. In die Betrachtung einfließen müssen dabei unter anderem auch die unterschiedlichen Verkehrsströme und ggf. notwendige Aufhaldungen am Bergbau- oder Aufbereitungsort.

  • Ist eine Wiederinbetriebnahme der Spülkippe/IAA Bielatal mit den vorliegenden Planungen jetzt ausgeschlossen?

In den letzten Jahren wurde in der öffentlichen Diskussion auch immer wieder die ehemalige Bielatal-Spülkippe in Zusammenhang mit den Lithiumabbauplänen gebracht. Aus den Planungsunterlagen scheint nun hervorzugehen, dass eine Zwischen- oder Enddeponie für irgendwelches nicht zu nutzendes Bergbaumaterial nicht erforderlich ist. Kann sichergestellt werden, dass das Material tatsächlich komplett wieder als Versatz ins Bergwerk eingebracht wird oder als Baustoff (ohne größere Zwischenlagerung) Abnahme findet? (“Damit ist für die gesamte Menge von ca. 397.000 t/a Bergematerial eine vollständige Verwertung bereits gesichert.” – S. 90)

Die ehemalige Spülkippe Bielatal hat sich seit ihrer Stilllegung zu einem höchst wertvollen Lebensraum zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten entwickelt. Außerdem kommt dem Gebiet eine große Bedeutung für den Biotopverbund zwischen den Naturschutzgebieten Weicholdswald und Geisingberg (bzw. “Kohärenz” zwischen den gleichnamigen FFH- und SPA-Gebieten) zu. Eine erneute bergbauliche Inanspruchnahme muss unbedingt unterbleiben!

  • Kann die Wasserqualität des Heerwassers und des RotenWassers tatsächlich sichergestellt werden?

Bezüglich der Bergwerksentwässerung wecken die Planungsunterlagen doch erhebliche Zweifel. Einerseits konstatiert das Hydrologische Gutachten bereits jetzt erhöhte Chloridgehalte sowie Schwebstoffe aus den Stolln-Mundlöchern (Hydrolog. Gutachten S. 30), und der Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie erwähnt die Belastungen mit Arsen und Zink (Fachbeitrag WRRL S. 12). Die Einhaltung eines “guten chemischen Zustands” gemäß WRRL wurde schon auf 2027 verschoben.

Andererseits wird erwartet: “Mit der bergbaulichen Belüftung des Gebirges” (infolge des neuen Bergwerkes) “wird sich … die Schwermetallbelastung … erhöhen.” Weiterhin lässt sich vermuten, dass die geplante Verwendung von Braunkohlefilterasche als Versatz-Bindemittel nicht ohne Ausspülungen kritischer Substanzen vonstatten gehen wird: “Überschüssiges Wasser wird nicht abbinden und aus dem Hohlraum entwässern.” (Rahmenbetriebsplan, S. 85). Unklar ist außerdem, wie sich das “als Endprodukt der externen chemischen Prozessierung entstehende gelaugte Röstprodukt” zusammensetzen und auswirken wird, dass “gleichfalls als Bergversatz in der Grube zum Einbau kommen” soll. (S. 80)

Die Fachplaner kommen im Hydrologischen Gutachten (S. 39) und im Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie (S. 16) zu dem wörtlich identischen Schluss: “Ob es zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Wasserqualität im … Heerwasser kommt, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden.”

Für die Lösung des Problems bleiben die Planungsunterlagen verdächtig vage: “Zusätzlich … ist das Wasser … in einer noch genauer zu definierenden Abwasserbehandlungsanlage zu reinigen.” (S. 16 WRRL Fachbeitrag). Weiter unten ist von der “Anwendung einer aktiven Grubenwasserbehandlung” (S. 29) die Rede, ohne dass irgendwo näher darauf eingegangen wird. Damit stellen sich die Fragen: Wie soll diese “aktive Grubenwasserbehandlung” funktionieren? Wo soll diese erfolgen (im Bergwerk oder in einer Art Kläranlage außerhalb des Stolln-Mundlochs)? Welche Dimensionen sind erforderlich? Und vor allem: kann damit tatsächlich sichergestellt werden, dass keine zusätzlichen Schadstoffe ins Heerwasser und die unterhalb anschließenden Gewässer gelangen?

Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Gutachter ohne Analyse konkreter Maßnahmen zur Wasserreinhaltung zu dem Schluss gelangen: “Unter Einhaltung aller technischen Vorschriften und Regeln erfolgt kein Schadstoffeintrag ins Gewässer und eine Betroffenheit ist nicht gegeben.” (S. 28). Das klingt doch sehr nach schöngeredeter Unwissenheit!

  • Sollen die Aussagen des Landschaftspflegerischen Begleitplans tatsächlich abschließend sein?

Generell scheinen dem LBP sehr dürftige Daten zugrunde zu liegen. Fanden die Vor-Ort-Begehungen der Planer tatsächlich nur im Spätsommer/Herbst 2018 statt? (7.8., 30.9., 7.10. und 14.10. 2018; Fachbeitrag Artenschutz S.7). Dies würde erklären, dass sich die Untersuchung nahezu ausschließlich auf Wirbeltiere bezieht, und die Gutachter keine geschützten/gefährdeten Pflanzen oder Insekten gefunden haben! Zur Erinnerung: der Sommer/Herbst 2018 war extrem trocken, viele Pflanzenarten hatten schon sehr zeitig ihre Vegetationsperiode abgeschlossen und/oder waren vertrocknet. Das hatte natürlich auch erhebliche Auswirkungen auf die Wirbellosenfauna.

Tatsächlich ist davon auszugehen, dass auf den Ruderalflächen des ehemaligen Bergbaugeländes zahlreiche seltene und gefährdete Arten nachgewiesen werden können. Im Frühjahr 2019 muss unbedingt eine Nachuntersuchung durch qualifiziertes Personal stattfinden!

Ebenfalls unverständlich ist, dass der knapp außerhalb des Untersuchungsgebiets gelegene Schwarze Teich als wichtiges Amphibiengewässer offenbar nicht mit berücksichtigt wurde. Gleiches gilt für die nahegelegenen, außerordentlich wertvollen Biotope des FND “Schwarzwasserwiese” sowie auf den Terrassen der Schwarzwasserhalde.

  • Wurden die Auswirkungen auf die Schwarzwasserhalde untersucht?

Aus den vorliegenden Unterlagen geht dies nicht hervor. Insbesondere das Sprenggutachten scheint unberücksichtigt zu lassen, dass es sich bei der Schwarzwasserhalde sehr wahrscheinlich um eine relativ instabile Konstruktion handelt. Darauf wies unter anderem stets der ehemalige Geologe bei Zinnerz Altenberg, Gerhard Hedrich, mit großem Nachdruck hin. Die beim Auffahren der Rampe vorgesehenen Sprengungen könnten die Standfestigkeit der Terrassen gefährden.

Abgesehen vom unausdenkbaren worst-case-Szenario bei einer Schädigung der Dämme der Schwarzwasserhalde hätte bereits ein Austrocknen der Terrassen (Ablaufen der Wassers durch Risse, die bei der Sprengung entstehen könnten) beträchtliche Folgen für Flora und Fauna. Auf diesen sekundären “Feuchtbiotopen” hat sich eine sehr artenreiche Vegetation mit seltenen und gefährdeten Arten entwickelt. Im Rahmen des Schellerhauer Naturschutzpraktikums hat sich hier die Grüne Liga Osterzgebirge auch hier bereits bei Biotoppflegearbeiten engagiert.

Die Grüne Liga Osterzgebirge erwartet, dass diese offenen Fragen noch geklärt werden, bevor der Betriebsplan des Bergwerks genehmigt werden kann. Nur wenn tatsächlich alle Umweltnormen in größtmöglicher Zuverlässigkeit eingehalten werden, lässt sich die Ausbeutung von Rohstoffen in Mitteleuropa heute ökologisch rechtfertigen.