Natur im Osterzgebirge

Schafe in der Landschaft

Über Jahrhunderte prägten bis zu tausendköpfige Schafherden der Rittergüter die Landschaft des Ost-Erzgebirges (und vieler anderer Gebiete Sachsens). Vor allem nach der Einkreuzung spanischer Merinos im 18. Jahrhundert bildeten die sehr feine Wolle der Merino-Landschafe einen wichtigen Wirtschaftsfaktor für die Gutsherrschaften der Region – sowie die Grundlage für die bedeutenden sächsischen Tuchmanufakturen und Textilfabriken.

Mit dem rapiden Einbruch der Wollpreise in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – infolge billigerer Wollimporte aus Übersee, aber auch der zunehmenden Verwendung von Baumwolle – verschwanden diese Schafherden nahezu komplett aus der Landschaft. Mit ihnen gingen die aus der jahrhundertelangen Hüteschäferei hervorgegangenen Biotope und Arten weitgehend verloren. Das betrifft insbesondere die einstmals landschaftsprägenden Borstgrasrasen und die daran gebundenen Pflanzen. Heutige Biotoppflege mittels Mahd ist offenbar nur sehr eingeschränkt in der Lage, deren letzte Relikte zu erhalten.

(Einen kurzen Abriss zur „Schafsgeschichte des Ost-Erzgebirges“ gibt es im Naturführer Ost-Erzgbirge, Band 3, Seiten 334f, https://www.osterzgebirge.org/gebiete/12_16.html)

Dynamischer Biotopverbund durch Hüteschäferei

Mindestens ebenso wichtig für die Biologische Vielfalt des Ost-Erzgebirges war vermutlich die Dynamik, die die ziehenden Schafherden in der Landschaft verursachten. In der Wolle, in den Klauen und auch im Kot der Schafe können unzählige Samen und andere Pflanzendiasporen und (in der Wolle) auch nicht wenige Kleintiere von A nach B „wandern“. Gleichsam: „Artentaxis“ für Dynamischen Biotopverbund!

In den 1970er/80er Jahren geb es noch einmal eine kleine Renaissance für Hüteschäferei. Insbesondere die Schafe und Schäfer des Dippoldiswalder Volksgutes spielten auch für die Biotoppflege eine nicht zu vernachlässigende Rolle – z.B. im Raum Glashütte, wo viele der einstmals behüteten Hangflächen heute verbuscht sind. Mit dem Ende der DDR kam dann auch das prompte Aus für die ohne ausreichende Subventionen nicht konkurrenzfähige Schafhaltung.

Im Rahmen des Projekts „Osterzgebirge entdecken, Flächen pflegen, Gutes schmecken“ befasst sich die Naturschutzstation Osterzgebirge auch mit den Möglichkeiten zur Wiedereinführung von Hüteschafhaltung im Gebiet des Oberen Müglitztales. Dazu wurde eine Konzeption in Auftrag gegeben. Deren Zusammenfassung findet sich hier.

Biotoppflege durch Koppelschafhaltung

Nach der Abschaffung der gutsherrschaftlichen Schafherden um 1870 war das Ost-Erzgebirge für einige Jahrzehnte nahezu „schaf-frei“. Dies änderte sich ab den 1930er Jahren, als im Zuge der nationalsozialistischen Wirtschaftsstrategie („Autarkie des Reiches“) Ostfriesische Milchschafe eingeführt wurden. Diese Rasse liefert gleichzeitig Milch, Fleisch und halbwegs brauchbare Wolle – und sie kann in Einzelhaltung auf hofnahen Flächen untergebracht werden.

Bis zum Ende der DDR-Zeit erfreute sich die Haltung Ostfriesischer Milchschafe erheblicher Popularität unter den Hofbesitzern in den Dörfern. Einige Schafe durften auch unter den sozialistischen Bedingungen privat gehalten werden, und deren Produkte brachten ein nicht unbeträchtliches Zusatzeinkommen.

Davon kann heute kaum noch die Rede sein, und dennoch scheint es in den Dörfern des Ost-Erzgebirges wieder mehr Schafe zu geben – v.a. als „lebendige Rasenmäher“. Die Rasse „Ostfriesisches Milchschaf“ indes gehört inzwischen zu den gefährdeten Haustierrassen. Stattdessen wurden allerorten Fleischrassen eingekreuzt.

Auch wenn Schafhaltung bei den gegenwärtigen ökonomischen Rahmenbedingungen ein sehr schwieriges Geschäft ist: einige Unternehmen in der Region widmen sich dennoch mit großer Hingabe und sehr viel Arbeit diesem für die Landschaftspflege so wichtigen Bereich. Hervorzuheben sind u.a.:

Insbesondere Nachbeweidung mit Schafen (auf vielen Biotopen aber mit Sicherheit auch: Vorweide!) hat oft einen positiven Effekt für die Arten- und Strukturvielfalt von Berg- und Magerwiesen, der kaum zu überschätzen ist! Sei es die Schaffung von Keimnischen durch die „Goldene Klaue“ der Schafe, sei es die Bodenverbesserung durch den Schafkot, oder aber die Verhinderung von Grasfilzbildung durch das Abfressen des spätsommerlichen Zweitaufwuchses – die Kombination von (Heu-)Mahd und Schafbeweidung kann wahre biologische Wunder bewirken! (Dasselbe gilt – wahrscheinlich in noch größerem Maße – für Ziegen!)

Jedoch: alle Schafhaltung im Ost-Erzgebirge (und weit darüber hinaus) erfolgt heute in Koppelhaltung, unter Nutzung mobiler Elektro-Netzzäune. Abgesehen davon, dass diese Elektrozäune für (Wild-)Tiere potentiell tödlich sein können und deren Handhabung viel Arbeit macht, dient diese Art der Biotoppflege nur noch sehr eingeschränkt dem „Dynamischen Biotopverbund“.

Schafe unter Wolfsbedingungen

Mit der Rückkehr des Wolfes kommt dem Thema Herdenschutz heute wieder eine große Bedeutung zu. Am sichersten können Schafe vermutlich in der über Jahrhunderte und andernorts „unter Wolfsbedingungen“ praktizierten Haltungsform geschützt werden: mit erfahrenem Schäfer und gut ausgebildeten Hunden in Hütehaltung.

Der Freistaat Sachsen fördert Präventionsmaßnahmen gegen Wolfsübergriffe: die Anschaffung von Herdenschutzhunden ebenso wie neue Elektrozäune samt Zubehör.

Ungeeignet für Schafschutz sind die Elektrozäune im Winter. Wo die Tiere nicht für die gesamte kalte Jahreszeit im Stall eingesperrt sind und über genügend Außenflächen verfügen, bedarf es ausreichend massiver, hoher und gut im Boden verankerter Zäune. Im Rahmen der Ausbildung zu Natur- und Landschaftspflegern haben im Herbst 2020 die Kursteilnehmer des Berufsbildungswerks einen solchen Zaun für die „Bielatalbiotoppflegeschafe“ gebaut und diese Arbeit dokumentiert:

https://osterzgebirge.org/de/natur-pflegen/biotope-richtig-pflegen/wiesenpflege/landschaftspflege/wolfsschutzzaun-selber-baun

bzw. hier als pdf