Natur im Osterzgebirge

ND Solitärbuche Fürstenau

Zustand 2021: erhebliche Kronenschäden durch Rauheis-Anhang („Anraum“) im Winter 2020/21

Zustand 2024: Nach witterungsbedingt sehr zeitigem Laubaustrieb folgten Ende April kräftiger Spätfrost. Anfang Mai 2024 zeigte etwa ein Viertel der Krone Frostschäden.

Im Juni 2024 wurde der Baum mit deinem ND-Schild gekennzeichnet.

 

 

Beschreibung bei baumdenkmale.org (2023)

Umfang: 7,50 m / Höhe: 15 m  (2022)

Unter den Fürstenauern ist der frei auf der Weidefläche stehende Baum seit jeher als „Wawerliebs Buche“ bekannt – die meisten anderen Naturfreunde der Region wurden vermutlich erst 2009 darauf aufmerksam. Da erschien ein Bildband zu „Unseren 500 ältesten Bäumen“[1], und unter den wenigen sächsischen Vertretern darin fand sich auch die Fürstenauer Buche. Ein fürwahr prächtiges Gehölz!

Wenngleich historische Daten fehlen, gehört die Fürstenauer Buche ziemlich sicher nicht zu den ältesten Bäumen Deutschlands. Buchen bringen es auf maximal 300 bis 500 Jahre[2], während etwa von Eichen oder Linden durchaus tausendjährige Exemplare bekannt sind.

Keiner kennt das wahre Alter von Wawerliebs Buche (auf einem alten Messtischblatt ist sie schon als besonderer Baum eingetragen[2]), doch ihre knorrige Gestalt zeugt von unglaublichem Beharrungsvermögen. Völlig ungeschützt ist sie den eisigen Stürmen des hier um Fürstenau besonders heftigen „Böhmischen Nebels“[3] ausgesetzt. Im Winter gefriert der mitunter wochenlange Nebel zu mächtigem „Anraum“, wie der Erzgebirgler die mächtigen Raueisanlagerungen an Bäumen, Zäunen und Masten nennt. Wenn dann irgendwann die Sonne gegen den Böhmischen Nebel gewinnt und auf den dicken Eispaketen glitzert, wirkt die Landschaft wie verzaubert. Und von keinem Baum geht dann eine solche Magie aus wie von Wawerliebs Buche!

Doch der Zauber kann auch schnell in Grauen umschlagen. Denn das Eis ist vor allem auch: sehr, sehr schwer. Mit heruntergebrochenen Zweigen und Ästen bietet die Fürstenauer Buche dann ein schreckliches Bild. Vielleicht ist aber auch die auf diese Weise immer wieder trainierte Fitness das Geheimnis für das Beharrungsvermögen – im Unterschied zu den an ausgeglichenes „Wohlfühl“-Waldklima gewöhnten Artgenossen der Buchenwälder, bei denen der Wegfall des gegenseitigen Schutzes fast immer zu Frostschäden, Rindenbrand und Bruchholz führt.

Vorteilhaft für die Buche ist andererseits, dass die extremen klimatischen Bedingungen hier nicht nur für den Baum, sondern ebenso für Pilze „zu Buche schlagen“. Deren Möglichkeiten, sich über die Eisbruchwunden rasch im Holz auszubreiten, sind vermutlich gleichfalls gehemmt.  Darüberhinaus lässt die eigentlich recht buchenuntypische dichte Verzweigung innerhalb der Krone möglicherweise aber auch auf besondere genetische Veranlagung schließen.

2014 erhielt der Baum den offiziellen Status eines Naturdenkmals.

Wie bei allen Buchen, ist auch hier der Schutz des Wurzelraumes vor Verdichtung – etwa durch schwere Landwirtschaftsmaschinen – unbedingte Voraussetzung für den langfristigen Erhalt eines der wohl malerischsten Bäume des Ost-Erzgebirges.

Quellen:

[1] Ullrich, Bernd; Kühn, Uwe; Kühn, Stefan (2009): Unsere 500 ältesten Bäume. BLV 2009

[2] https://geoportal.sachsen.de, Historische Karten (26.02.23)

[3] Grüne Liga Osterzgebirge (Hrsg.), 2007: Natur des Ost-Erzgebirges im Überblick. Band 2 Naturführer Ost-Erzgebirge. Sandstein Verlag Dresden, S.54ff

 

Die alte Solitärbuche bei Fürstenau. Dietrich Papsch (Fineliner, 2009)

Die alte Solitärbuche bei Fürstenau

Text von Dietrich Papsch in seinem Buch „Mein Freund, der Baum“ (2011)

„Im Nordwesten von Fürstenau stoße ich auf einen stolzen Buchensolitär von außergewöhnlicher Schönheit. Für meine Begriffe eines der schönsten Exemplare in Sachsen, zumindest aber im Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge.

In 715 m Höhe trotzt die unerschrockene Buche seit über 250 Jahren dem rauen Klima des Osterzgebirges. Wie silbergraue schlanke Türme ragen die zwei Achsen des Baumes zum Himmel. Am Sockel entspringen sie augenscheinlich einer gemeinsamen Wurzel. Sie sind miteinander verschmolzen. Die silbrige und teils spröde Borke wirkt alt und ehrwürdig. Mehrmals laufe ich um die Buche herum, blicke aufwärts entlang der beiden Stämme ins Geäst und erfreue mich an der Ästhetik von Stämmen und Zweigen. Alles scheint zueinander zu passen. Fast gefühlvoll streiche ich über den Hauptstamm. Seinen Umfang messe ich in einem Meter Höhe mit etwa 7 Metern.

Es grenzt für mich an ein Wunder, dass diese Schönheit in einer Gegend um Fürstenau steht, wo sonst nur zerzauste Vogelbeerbäume und Eschen eine Chance haben zu gedeihen. Eines wird mir klar: Die Buche ist wahrhaftig ein Ort für Naturfreunde und Baumliebhaber. Als ich später dem bekannten Maler Carsten Watol aus Lauenstein von dem Baum erzähle, ist er überrascht, diesen nicht zu kennen, malt er doch oft in der Landschaft um Fürstenau, Fürstenwalde und Gottgetreu.

Auch überrascht es mich, als ich einen alten Fürstenauer Einwohner nach dem schönsten Baum seines Ortes frage und er mir antwortet, das könne er nicht sagen. Erst als ich ihn auf den Baum hinwies, brummelte er etwas von „Ach so, hätte ich nicht gedacht“.

Ich nehme mir viel Zeit, den Baum von allen Seiten zu fotografieren und einige Skizzen von ihm anzufertigen. Zu Hause beim Stöbern in meinen inzwischen reichlich vorhandenen Baumbüchern finde ich in dem Bildband ‚Unsere 500 ältesten Bäume‘ von Bernd Ullrich, Stefan und Uwe Kühn auch die Solitärbuche von Fürstenau wieder. Die Verfasser müssen diesen Baum 1989 offensichtlich so beeindruckend gefunden haben, dass sie ihn in dem nach Bundesländern gegliederten Buch als Titelbild für den Freistaat Sachsen gewählt haben. Und das immerhin unter 30 Exemplaren, die es den Buchautoren wert waren, in die Liste der schönsten und ältesten Bäume Sachsens aufgenommen zu werden.“

 

Kurzwürdigung zur Beantragung als Naturdenkmal (2010):

Fagus sylvatica

lokaler Name: „Wawerliebs Buche“

Nach dem „Deutschen Baumarchiv“ gehört die markante Solitärbuche bei Fürstenau zu „Unseren 500 ältesten Bäumen“ (gleichnamiges Buch von Bernd Ullrich, Stefan Kühn und Uwe Kühn, blv-Verlag, 2009). Wenngleich diese Aussage bezweifelt werden darf, blickt der Baum sicherlich auf mindestens zwei Jahrhunderte Geschichte zurück. Historische Daten fehlen zwar, aber wahrscheinlich handelt es sich um eine alte Hudebuche, von denen früher in der Gegend so einige im Freistand gehegt wurden, um große Kronen zu entwickeln. Die Mast mit nährstoffreichen Bucheckern war wichtig, damit vor allem die Ziegen der Bergbauern den strengen Winter überstehen konnten.

Die sehr wuchtige Rot-Buche steht inmitten von Weideland in der Nähe der Straße nach Oberlöwenhain (ca. 150 m nordöstlich von den Stallanlagen) und war bis zur Veröffentlichung obengenannten Buches nur den einheimischen und wenigen sonstigen Baumfreunden bekannt.

Markant sind zum einen die zwei mächtigen (4,10 m und 4,80 m Umfang), steil strebenden Haupttriebe, zu denen sich in etwa einem Meter Höhe der 6,80 m umfassende Grundstamm teilt. Zum anderen ist die eher untypische Fähigkeit dieser Buche bemerkenswert, auch im schattigen Innenkronenbereich viele, vitale Zweige zu entwickeln. Letzteres bewirkt den ausgesprochen dichtkronigen Eindruck. Hinzu kommt, dass der Baum – anders als fast alle anderen Rot-Buchen in dieser Höhenlage – kaum Anzeichen der „Neuartigen“ (Ozon-)Waldschäden aufweist (keine Spießastigkeit, keine Wipfeldürre). Das Verzweigungsmuster legt nahe, dass es sich um eine besondere genetische Disposition handelt.

Der Stammbereich weist zwar bereits einige Höhlen auf, außerdem Schäden an den Wurzelanläufen infolge hier oft im Schatten lagernder Rinder, dennoch macht der Baum einen sehr vitalen Eindruck und zeigt keine größeren Fäulnisprozesse. Andernorts würden diese Schäden im Holz von Rot-Buchen einen rasch fortschreitenden Abbau und – damit einhergehend Stabilitätsverslust – nach sich ziehen. Vermutlich hemmt die exponierte Lage des Baumes (meist kühler Wind, außerdem lange Frostperiode) die Entwicklung von Pilzen. Die augenscheinliche Resilienz der alten Buche ist dennoch außergewöhnlich.

Die Unterschutzstellung wurde unter anderem von Dietrich Papsch, Schellerhau, vorgeschlagen.

ND-Nr.: wrk125

Gemarkung: Fürstenau

Flurstücke: 237; 268/1

Koordinaten:  5417262 / 5623760

Umfang: 6,80 m (!)

Höhe:  16 m

Erlebniswert: freistehend auf Weideland, weithin sichtbar, aber kein öffentlicher Weg bis zum Baum

Gesundheitszustand: vital

Naturschutzwert: höhlenreich; Sitzwarte für Greifvögel etc.; Bucheckern als Nahrung für viele verschiedene Tiere

Pflegebedarf: ohne; Verkehrssicherung nicht nötig; wichtig: Wurzelbereich vor Landmaschinen, Meliorationsmaßnahmen und zu starker Rinderbelastung schützen!

2010

2022

 

Dezember 2020 (Foto: Anke Proft)

 

Fotos: Lukas Häuser