Natur im Osterzgebirge

Der blaue Wiesen-Tsunami

Bergwiesen in Gefahr

Der seltene Lebensraum Bergwiese ist von vielerlei Faktoren bedroht. Beispielsweise durch Flächenverlust in Folge von Bebauung oder durch die Verschiebung der Artenzusammensetzung aufgrund des Klimawandels. Aber allen voran ist die eine falsche Bewirtschaftung oder gar die komplette Aufgabe von Flächen der Hauptgrund für das Verschwinden der Bergwiesen. Dabei sind die Bergwiesen mit allein über 200 Pflanzenarten eine der artenreichsten Lebensräume überhaupt in Mitteleuropa. Und das auf einem sehr eng begrenzten Verbreitungsraum. Denn Bergwiesen und ihre Arten kommen erst ab einer Höhe von rund 500 m vor.

Wolf im Schafspelz

Seit wenigen Jahren ist die Liste der Gefährdungsursachen um einen gravierenden Faktor länger geworden: die invasive Ausbreitung der aus Nordamerika eingeschleppten Vielblättrigen Lupine. Ohne Frage… die blauen, rosafarbenen und weißen Blüten der Art sind ein schöner Anblick. Aber genau das ist das gefährliche an dieser Art, was sie beispielsweise dem ebenfalls hochproblematischen Japanischen Staudenknöterich voraus hat. Denn viele Menschen erfreuen sich an ihrem Anblick. Oder tragen sogar ganz ohne bösen Willen zu deren rascher Verbreitung bei, indem sie die Samen verteilen –  im Glauben damit etwas Gutes zu tun – oder sähen die Vielblättrige Lupine in ihrem Garten aus. Mit der essbaren Süßlupine hat die Vielblättrige Lupine dabei wenig gemein. Denn sie ist giftig und auch Tiere verschmähen die Art auf der Weide.

Vor wenigen Jahren war hier zwischen Altenberg und Bärenstein eine bunte, artenreiche Bergwiese. Heute sieht man nur noch ein blaues Meer aus Lupinen.

Außer Konkurrenz

Die ausladende Wuchsform mit ihren großen Blättern überschattet sämtliche lichtbedürftige Bergwiesenkräuter und lässt ihnen keine Chance. Zudem besitzt die Lupine die Fähigkeit, Stickstoff aus der Luft zu binden und den Boden damit anzureichern. Die Lupine sorgt also für eine übermäßige Düngung und verändert damit auf Dauer die Bodeneigenschaften. Das ist das Aus für die Bergwiesenarten, weil sie unbedingt auf magere – sprich nährstoffarme Böden – angewiesen sind. Das mag zunächst paradox klingen, aber von einem nährstoffreichen Boden profitieren nur sehr wenige konkurrenzstarke Arten, welche schneller wachsen als viele Bergwiesenkräuter und diese somit verdrängen. Ein Nährstoffeintrag bedeutet also, dass die Wiesen artenmäßig verarmen. Das größte Problem daran: ausgerechnet jene Flächen sind besonders stark betroffen, die extensiv – also schonend – bewirtschaftet werden, was ja auch eigentlich nötig ist, um die Bergwiesen zu erhalten.

Mythos Bienenweide

Tückisch ist zudem ihr zu Unrecht positiver Ruf als Bienenweide. Denn nur anspruchslose Generalisten, welche problemlos in der Lage sind auch viele andere, eigentlich auf der Bergwiese vorkommende Arten als Nektarquelle zu nutzen, kann man an der Vielblättrigen Lupine beobachten. Unzählige andere Insekten, wie beispielsweise spezifisch auf ganz bestimmte Bergwiesenarten angepasste Wildbienenarten haben das Nachsehen, wenn ihre essenzielle Nahrungsquelle von der Lupine verdrängt wurde. Gerade das sind auch die Arten, die ohnehin schon am stärksten vom weltweiten Artensterben betroffen sind. Übrig bleibt ein drastischer Schwund an Pflanzen- und mit ihnen auch an Tierarten. Das funktionierende fragile Netzwerk von Symbiosen auf der Bergwiese fällt in sich zusammen.

Kampf gegen Windmühlen

Die Bekämpfung der Vielblättrigen Lupine ist eine zähe Angelegenheit. Denn sie hat sehr tiefe, massive und fest verankerte Pfahlwurzeln. Ein oberflächiges Abschneiden stört die Pflanze so gut wie gar nicht. Das einzig sinnvolle daran ist, dass sie dann am Ausbilden ihrer zahlreichen Blüten und Samen gehindert wird und sich nicht noch weiter vermehren kann. Ein Zurückdrängen der Art auf bereits besiedelten Wiesen gelingt nur durch ein äußerst mühsames Ausstechen der kompletten Pflanze samt Wurzel. Auf einigen besonders artenreichen Vorzeigewiesen wird dies mit Hilfe von Ampfer-Stechern praktiziert. Die Erfahrung der Naturschutzstation Osterzgebirge zeigt beispielsweise, dass trotz solcher mehrmals im Jahr stattfindenden Bekämpfungsmaßnahmen der Besiedlungsdruck durch die Vielblättrige Lupine von den umliegenden Flächen derartig hoch ist, dass es gerade so gelingt, den Lupinenbestand annähernd konstant zu halten. Ist die Art einmal da, wird man sie nie wieder los – im Gegenteil.

Hilfe mit doppeltem Vorteil

Jeder kann ganz einfach helfen, dass die Vielblättrige Lupine nicht noch mehr Raum einnimmt. Pflücken Sie die Blüten und erfreuen sich zuhause an ihrem Anblick in der Vase. Wichtig dabei: bitte ausschließlich Lupinen pflücken und unsere seltenen bunten Bergwiesenblüten am Leben lassen, damit sie nicht noch seltener werden oder ganz verschwinden. Die Bergwiesenpflanzen haben es schon schwer genug. Vielleicht haben Sie Verwandte oder Freunde, die im Mai oder Juni Geburtstag haben? Warum nicht mit einem eindrucksvollen, selbstgepflückten Lupinenstrauß überraschen? Erklären Sie beim Überreichen sogleich, warum Sie den Bergwiesen mit diesem Strauß etwas Gutes tun. Das ist Naturschutz, der Spaß macht!

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