In den letzten Tagen war ich alter Bürohengst Zuhause arbeiten und habe viel Zeit mit den kleinen und großen Kindern in der warmen Frühlingssonne genossen. Kita zu, Schule zu, Shopping, Kultur und öffentliche Freizeit mindestens für die nächsten Wochen tabu: da ist eine Entdeckungstour in unserer Natur wahrscheinlich die virenfreiste Erlebnis-Zone.
Wenn man sich die schwarzen Lungenflecken auf der globalen Regenwaldkarte anschaut, könnte man auch meinen, die Natur rächt sich mit den Coronaviren, indem sie den Atemwegen des Menschen als größten Naturzerstörer nun auch spürbar zusetzen. Immerhin, wir haben gerade zum Glück keinen Pestausbruch, dessen Auswirkungen in der dynamisch-vernetzten Welt von heute gar nicht auszudenken wären. Ein schwacher Trost? Naja, zumindest kann man dieser Krise auch gute Seiten abgewinnen: die Umweltbelastung sinkt plötzlich ähnlich stark wie die Börsenkurse. Da merkt man mal wieder, wie anfällig unser System ist und wie schnell das Kartenhaus zusammenfallen kann, welches nur mit Wachstum aber nicht mit Stillstand funktioniert.
Mehr Zeit für die Familie zu Hause, mal wieder zusammen spielen, singen, musizieren, kochen, selber Brot backen, Reparieren, alte Bilder anschauen oder einfach nur den Frühling genießen mit seinen Farben und seinem Duft, den Bienen oder dem Vogelgezwitscher. Vielleicht aber auch ein bisschen Zeit zum Nachdenken darüber, was man alles ein Bisschen anders machen oder Freunde dafür motivieren kann, wenn sich das Hamsterrad wieder in Gang setzt. Vielleicht nicht so viel Unnötiges konsumieren, weniger in der Weltgeschichte umherfliegen, auf jeden Fall nicht so viel unfair Produziertes kaufen, sondern mehr regional Erzeugtes und mit weniger Chemie Optimiertes und schließlich auch etwas mehr Engagement für unsere Natur bringen, die sich vielleicht auch mit den Auswirkungen des Klimawandels an uns rächt, womit ich nun endlich zum Thema komme.
Bei unserer letzten Grüne-Liga-Zusammenkunft Anfang Februar auf der Johannishöhe hatte ich vorgeschlagen, dass ich gern alle Interessierten zu einer Art Denkwerkstatt zum Thema Klimawandel einladen möchte. Wer sich also von Euch Gedanken dazu machen will, wie wir als Naturschutzverein über das breite Spektrum der Auswirkungen des Klimawandels öffentlichkeitswirksamer informieren und aktiver werden können, ist herzlich eingeladen, sich bei Steffen Groß (steffengross@gmx.de, 0351-889 48165) bis Ende April zu melden. Wenn ich daraufhin abschätzen kann, wie viele wir sind und in wie weit ein Treffen angesichts der dann aktuellen sozialen Kontaktvermeidungsverordnungen für eine Ausbreitungseindämmung zur Vermeidung einer medizinischen Kapazitätenüberlastung verantwortbar ist, würde ich Euch für eine Terminabstimmung kontaktieren.
Gedanken dazu könnt Ihr gern schon im Vorfeld sammeln zu für Euch spürbaren Auswirkungen des Klimawandels im wäldlich, ländlich und auch städtisch geprägten Raum, im Osterzgebirge und vielleicht sogar darüber hinaus. Ich wohne mit meiner großen Familie in Dresden, wo in den letzten Wochen aufgrund der letzten beiden trockenen Sommer und des Schädlingsbefalls rund 700 Bäume allein im kleinen Waldpark Blasewitz gefällt wurden.
Entlang unserer Lieblingswanderrouten in der Heide sind die Bäume reihenwiese umgekippt und abgebrochen, besonders häufig in einfallsstarken Windschneisen. Historische Dresdener Gebäude sind durch den abgesunkenen Grundwasserspiegel vereinzelt schon einsturzgefährdet und mitten im Zentrum hält sich an sommerheißen Tagen keiner gern auf, weil weder im Bereich des Altmarktes noch der Frauenkirche groß gewachsene Bäume Schatten spenden und die daraus resultierenden Aufenthalts- und Begegnungsqualitäten einfach nicht zum Verweilen im öffentlichen Raum einladen. Zum Glück führt die Elbe nach langer Durststrecke gerade mal wieder ordentlich Wasser; wahrscheinlich aber auch nur solange, bis der letzte Schnee im Quelleinzugsgebiet des Riesengebirges geschmolzen ist. Übrigens mussten wir in unserem Winterferienurlaub feststellen, dass da im Februar dieses Jahres schon wieder weniger Schnee als im vorigen Februar lag. Hier lautet die frei nach Rudi Carrell gesungene Frage doch eher: „Wann wird’s mal wieder richtig Winter?“. Ja einfach mal Schneemann bau‘n und Schneeballschlacht mit den Kindern, die sich so sehr an dieser Jahreszeit erfreuen.
Ihr seht schon, das Feld von Betroffenheiten bzw. möglicher Denkansätze und Handlungsfelder ist groß. Und genauso offen möchte ich auch mit Euch gemeinsam rangehen an das Thema. Eine Möglichkeit wäre, dass wir uns mit unseren Erfahrungen und Meinungen erstmal gegenseitig bereichern. Im zweiten Schritt könnten wir dann beraten, auf welche Aspekte es sich lohnt, als Aktivisten der Grünen-Liga Osterzgebirge näher einzugehen, was natürlich mit der Frage zusammenhängt, wie wir bestimmte Maßnahmen mit welchen zeitlichen und personellen Kapazitäten anschieben und umsetzen können. Vielleicht habt Ihr ja aber auch andere Ideen für eine sinnvolle Vorgehensweise.
Verlieren können wir aus meiner Sicht nichts. Im schlimmsten Fall stecken wir uns alle mit dem Coronavirus an bei unseren Treffen und die Ergebnisse unseres „Brainstormings“ verschwinden in der „Das müsste man alles ändern oder einfach mal machen“-Schublade. Im besten Falle aber ist es gar nicht auszudenken, was wir alles bewegen können; genauso wenig wie der künftige Verlauf der Pandemie oder des Klimawandels. Einen Vorteil haben wir, wir fangen nicht bei null an, sondern auf einem Level, auf dem das öffentliche Bewusstsein für das Thema durch die „Friday for the Future-Initiative“ schon sensibilisiert wurde.
Mit sonnigen Grüßen und den besten Wünschen für Eure Gesundheit und viel Zeit zum Genießen
Steffen Groß