Natur im Osterzgebirge

Waldprojekt am Hiekenbusch Bärenstein

Als die Grüne Liga nach 18 Jahren ihr Waldumbauprojekt Sachsenhöhe für abgeschlossen erklärt hatte, begann die Suche nach einem neuen Betätigungsfeld in Sachen naturnaher, biologisch vielfältiger und klimawandelresilienter Waldentwicklung. Dabei fiel das Augenmerk auch auf eine etwa fünf Hektar große Fläche am Wanderweg zwischen Bärenstein und Bielatal – zwischen zwei bewaldeten Hängen namens Ziegenhals und Hiekenbusch.

Anfang der 1990er hatte hier jemand eine teilweise eigentlich recht artenreiche Wiese (sogar noch mit ein paar Exemplaren Stattlichem Kna­benkraut!) zuge­pflanzt, ohne Genehmigung, mit Fichten, Reihe neben Reihe, dicht an dicht. Der Auf­wand dafür muss beträchtlich gewesen sein! Doch so dicht an dicht, wie sie gepflanzt waren, wuch­sen die Fichten auch heran, drängten sich nach oben, machten sich gegenseitig den Platz streitig, Raum für etwas anderes als Fichte blieb dabei über weite Strecken nicht. Eine Durchfor­stung fand all die Jahre nicht statt. Dann kam die Dürrephase 2018/19, und mit ihr der Kupfer­stecher (eine kleine Borkekäferart, die vor allem dünneres Fichtenholz befällt). Knapp die Hälfte der Fichten ist jetzt wieder weg.

Bei einem eher zufälligen Gespräch mit dem (neuen) Eigentümer der Fläche entwickelte die Idee eines Waldumbaus als Gemeinschaftsaktion mit der Grünen Liga Osterzgebirge und weiteren Unterstützern aus der Gegend. Neben einigen ersten praktischen Arbeitseinsätzen (v.a. Flä­chen­­beräumung) entstand 2021 ein Planungsentwurf für die nächsten Jahre.

Auf dessen Basis ging dann recht zügig zur Sache:

– April 2021: Flächenberäumung im Rahmen des Bäumchenpflanz-Wochenendes

– August 2021: Planungsworkshop und erste Kulturpflege mit internationalen Studenten beim Schellerhauer Naturschutzpraktikum

Dezember 2021: „Bäumchenschmücken“ mit der Madagaskar-AG sowie der Grundschul-AG „Junge Tierfreunde“ – Schafwolle als Verbissschutz an Naturverjüngung (Flächen A, B, J)

Februar/März 2022: Fördermittelbeantragung durch den Waldeigentü­mer mit Unterstützung durch Sachsenforst-Mitarbeiterinnen

März/April: Beschaffung von Pflanzmaterial durch den Waldeigentü­mer mit Unterstützung durch die Forstbetriebsgemeinschaft Freiberger Land – Erz­ge­birge

Pflanzeinsatz mit jugendlichen Freiwilligen April 2022

April: Pflanzung von 500 Trauben-Eichen, 300 Berg-Ahornen, 100 Hain­bu­chen, 50 Ebereschen und 50 Vogel-Kirschen (Fläche J);  200 Weiß-Tannen und 200 Hainbuchen (Fläche I) sowie 50 Esskastanien an der Steinrücken­böschung oberhalb der Flächen H-J-K; dazu zwei größere Aktionen: Pflanzeinsatz mit Jugendlichen der Madagaskar-AG und des Grüne-Liga-Jugendprojekts + Bäumchenpflanz-Wochenende mit frei­wil­li­gen Helfern

April/Mai: Aufbau eines Wildschutzzauns durch die Familie des Wald­eigentümers um die Flächen J, teilw. I und teilw. H; Markierung der ge­pflanz­ten Bäume mit Bambus-Stäben

Juni: erster Durchgang Kulturpflege – Freistellen der gepflanzten Bäu­me (Fläche J) und der Naturverjüngung (B), durch Unterstützer der Grünen Liga Osterzgebirge sowie im Rahmen

vorher: Tännchen versteckt

eines Jugend-Workcamps, mit Motor­sense und Handsicheln

Juli: zweiter Durchgang Kulturpflege während des Heulagers

Juli/August: drei größere Gieß-Aktionen der auf der Fläche J gepflanz­ten Bäume, der Waldeigentümer hat dazu ein 1000-Liter-Faß am oberen Flächenrand bereitgestellt;

September: dritter Durchgang Kulturpflege mit den Teilnehmern der slowakisch-tschechisch-deutschen Naturschutz-Exkursionswoche

nachher: Tännchen befreit

November/Dezember: abermals „Bäumchenschmücken“ der Natur­ver­jüngung auf den Flächen A (im Rahmen eines Volkshochschul-Seminars „Erzgebirgswald im Klimawandel“) und B (Schüler der Madagaskar-AG und der Jungen Tierfreunde)

 

Erste Erfahrungen nach einem Trockensommer im neuen Waldprojekt

Die obige Auflistung zeigt: der Aufwand für Waldumbau kann beträchtlich sein! Zum einen zeigt sich hier die Eutrophierung in Extrem­form. Auf der ehe­maligen Weide wird schon zu DDR-Zeiten der Boden mit Stickstoff über­frach­tet worden sein. Und auch in der jüngeren Vergangenheit erfolgte auf dem oberhalb angrenzenden Acker mitunter ein Übermaß an Gülle-Düngung. Dieses Stickstoff-Überangebot lässt Brennnesseln mannshoch schießen. Kleine Bäumchen – insbesondere lichtbedürftige wie Eichen – haben da keine Chance, wenn sie nicht freigesichelt werden. Und zwar: mehrmals während der Vegetationsperiode!

Zum anderen die extreme Sommertrockenheit. Im Gegensatz zu vielen ande­ren Gebieten rauschte hier im Juli/August hier zwar ab und an ein Sommerge­wit­ter nieder, sonst wären die Pflanzenausfälle noch größer gewesen. Aber mehr noch als die zu geringen Niederschläge setzte den Pflanzen die schier wüstenartige Verdunstung zu. Man konnte von Tag zu Tag beobachten, wie die Blätter ihre Kraft verloren. Dagegen half nur: gießen, gießen, gießen. Wobei so eine Gießaktion für die gesamte Fläche J mit drei, vier Leuten mehrere Stunden dauerte.

Mangels noch mehr Gieß-Kapazitäten mussten wir dann leider doch dür­re­­­bedingte Ausfälle konstatieren, v.a. bei Hainbuche (ca. 70 %), Vogel-Kirsche (ca. 50 %) und Esskastanie (40 % – wobei letztere sogar minde­stens einmal pro Woche gegossen wurde!). Überraschenderweise betraf es damit vor allem Baumarten, denen man noch am ehesten „Klima­wandel­tauglichkeit“ zugedacht hätte.

Verblüffend gut gehalten haben sich die Eichen. Das Pflanzmaterial war bei dieser Art sehr klein, die Wurzeln sahen alles andere als vielverspre­chend aus. Die Ausfälle hielten sich dennoch in erfreulich geringen Gren­zen. Das aber auch nur dank der drei Durchgänge Kulturpflege. Sonst hätten die Brenn­­nesseln den Eichen sämtliches Licht weggenommen.

Bei alledem erfordert die Sichel-Kulturpflege einiges an Fingerspitzen­ge­fühl: Einerseits brauchen die Bäumchen natürlich Licht. Andererseits hilft den Pflanzen zweifelsohne ein gewisser Verdunstungsschutz, so einen Trocken­sommer zu überstehen. Deshalb haben wir versucht, wirklich nur das unmit­telbare Umfeld der Bäumchen konkurrenzfrei zu halten.

Was sich auch in diesem Sommer trotz Dürre gezeigt hat, ist die Über­legen­heit von Naturverjüngung. Dank „Bäumchenschmücken“ (Schafwoll-Verbiss­schutz) plus Kulturpflege versprechen die Flächen A/B in wenigen Jahren tolle Mischbestände zu werden, mit reichlich Eschen (ohne Anzei­chen von Triebsterben!), Berg-Ahorn, Espe, Sal-Weide, Vogel-Kirsche, Trauben-Eiche, Eberesche. Außer einigen bereits gepflanzten Weiß-Tannen sollen hier auch noch Berg-Ulmen hinzu kommen, wo bisher der Brennnesselaufwuchs die Naturverjüngung verhindert hat.

Der Borkenkäfer-Schadfortschritt hat sich in den 25-jährigen Fichten nicht so fortgesetzt, wie bei der Witterung im Sommer zu erwarten gewesen wäre. So bleibt noch etwas Schutz erhalten. Das betrifft vor allem die Weiß-Tannen als Schattbaumart. Dennoch ist zu befürchten, dass dies nur eine kurze Ver­schnaufpause sein wird. Der Waldaumbau muss in den nächsten Jahren auch zügig im Bereich der – noch viel zu dicht stehenden – Fichtenmono­kulturen fortgesetzt werden.