Freiberg Stadtwald opfern für Durchgangsverkehr?
Bürgerinitiative „pro Wald Freiberg“ kämpft für die Bewahrung der Wälder der Bergstadt
Seit Jahren schwelt der Streit um den Bau einer Ortsumgehung um die Stadt Freiberg. Von den Befürwortern werden die Bedürfnisse der Wirtschaft und eine Entlastung der Stadt vom Durchgangsverkehr zur Begründung herangezogen. Naturschützer bemängeln den Naturverbrauch, die Gefährdung bedrohter Arten und gravierende Eingriffe in den Wasserhaushalt bei der jetzt geplanten Trasse. Deren aktuelle Lage ergab sich allerdings daraus, dass die Stadt Freiberg konsequent alle weiteren denkbaren Trassen verbaut hat.
Nun haben die Naturschützer vom Naturschutzverband Sachsen und vom BUND einen wichtigen Etappensieg errungen: das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat wegen Zweifeln an der Planungskorrektheit einen vorläufigen Baustopp ausgesprochen, die Entscheidung in der Hauptsache soll frühestens im Herbst fallen.
Mittlerweile regt sich aber auch wieder Bürgerwiderstand gegen die Zerstörung der Freiberger Waldgebiete und deren Abtrennung von der Stadt: Im Dezember hat sich die Bürgerinitiative „pro Wald Freiberg“ gegründet, die die geplante Trasse ablehnt, vor allem weil sie den Bürgern ihre Erholungsgebiete zerstört und den Zugang dazu verbaut.
Von den bisher weit mehr als 10 Wegen, die die Stadt mit Hospital- und Stadtwald verbinden, sollen gerade mal 3 verbleiben, die in Tunneln oder über Brücken die z.T. dreispurig geplante Straße queren. Hinzu kommt der Verlust an Naturraum im Hospitalwald und die Belastung weiter Gebiete der Wälder und der südlichen Wohngebiete mit Lärm und Abgasen.
Die Mitglieder von „pro Wald Freiberg“ sehen keine Vorteile, die die Nachteile des Baus auch nur annähernd rechtfertigen könnten: die zur Begründung angeführte erwartete Entlastung der Stadt liegt selbst in den günstigsten Prognosen unter einem Viertel der Verkehrsströme, denn Freiberg ist ein typischer Ein- und Auspendlerort und als Mittelzentrum klassisch mit Quell- und Zielverkehr belastet. Und die Wirtschaftsunternehmen der Region haben sich zwar für die Straße ausgesprochen, aber sie scheinen auch ohne bisher gut auszukommen.
Dabei wird das Vorhaben tagtäglich weniger sinnvoll: die Belegung der Bundesstraßen, die sich in Freiberg kreuzen, nimmt beständig ab und selbst die Planungsbehörde geht von einem Rückgang von z.B. 10000 Fahrzeugen/Tag auf der B101 aus Richtung Erzgebirge aus. Dieser Trend folgt auch unweigerlich aus der demographischen Entwicklung und der unaufhaltsamen Entsiedelung der oberen Erzgebirgsregionen.
Manche der lautesten Rufer nach der Trasse vertreten wohl auch handfeste eigene Interessen: Michael Lohse, gescheiterter Fuhrunternehmer und derzeitiger IHK-Präsident in Chemnitz setzt sich vehement für die „Gigaliner“ genannten Monster-Sattelzüge auf Sachsens Straßen ein. Da liegt es nahe, dafür vielleicht ungeeignete Ortsdurchquerungen zu umgehen, koste es, was es wolle, Natur, Steuergelder…
Dass sich ausgerechnet der Oberbürgermeister der Stadt Freiberg die Trasse wünscht, kann dagegen nur wundern: Freiberg würde nach dem Bau die bisherigen Bundesstraßen selbst erhalten – und im Winter beräumen (!) – müssen, angesichts knapper Kassen eine schlechte Idee. Dass er sich dann auch noch mit anderen Politikern am rechtswidrigen, weil unangemeldeten sogenannten „symbolischen ersten Spatenstich“ beteiligte, der im Grunde eine vorsätzliche Herabwürdigung des Bundesverwaltungsgerichts darstellte, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Offensichtlich herrscht noch immer allgemeine Unkenntnis, was die Trasse für Freiberg wirklich bedeutet.
„Pro Wald Freiberg“ will dem abhelfen: Mit Informationsveranstaltungen, öffentlichen Aktionen und der Website www.teddylinx.de/prowald wollen die Mitglieder zeigen, was auf Freiberg und seine Bürger zukommen soll. Beginnend mit dem Tag der Wälder im März wollen sie an den Brennpunkten der Trasse präsent sein. Mit symbolischen Sperren an den dann nicht mehr vorhandenen Wegen, mit Wanderungen entlang der Trasse und anderen Aktionen wollen sie zeigen, was bedroht ist und vor allem wo. Viele Bürgerinnen und Bürger sind sich nämlich nicht darüber im Klaren, wie die Trasse genau verlaufen und was alles unter und hinter ihr verschwinden wird. Und wie nah das an ihren Häusern sein wird…
Jörg Thümmler (prowald/at/teddylinx.de)
weitere Infos gibt es hier: http://www.teddylinx.de/prowald