Natur im Osterzgebirge

ND Tausendjährige Eibe bei Schlottwitz

2022

Zustand 2021: Eibe trotz erheblicher Trockenheit der vergangenen Jahre nach wie vor vital; Beeinträchtigung durch häufiges Betreten des freiliegenden Wurzelbereichs

 

Baumbeschreibung bei baumdenkmale.org:

An den steilen Hängen des Müglitztales über der Ortschaft Schlottwitz – heute innerhalb eines Naturschutzgebietes – findet sich die stärkste Eibe Sachsens, die auch bundesweit zu den ältesten und größten Exemplaren ihrer Art gehört [1]. Das tatsächliche Alter lässt sich wegen des seit langem schon hohlen Stamm nicht mehr ermitteln, alle Schätzungen in der Literatur sind rein spekulativ[2],[3]. Die der Eibe zugesprochenen 1000 Jahre dürften jedoch weit übertrieben sein.

Der Eibenbestand am Lederberg zwischen Schlottwitz und Großröhrsdorf gilt als das größte verbliebene natürliche Vorkommen dieser geschützten Baumart in Sachsen [4]. Um so erstaunlicher, dass dieser bei der umfangreichen Beschreibung der Eibenvorkommen durch Paul Korschelt Ende des 19. Jahrhunderts fehlt [5].

Für die vergangenen reichlich 100 Jahre lässt sich die Geschichte der Schlottwitzer Eiben und ihrer mächtigsten Vertreterin hingegen gut recherchieren (eigentlich: Vertreter – bei der 1000jährigen Eibe handelt es sich um ein männliches Exemplar). 1918 erschien in den Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz eine erste schriftliche Darstellung [6], mitsamt sehr interessanter Fotos (die schon um 1910 entstanden sein sollen [7]). Auf diesen ist der damals noch fast gänzlich kahle Lederberghang zu erkennen, auf dem sich zahlreiche Eiben deutlich abheben (nach [6] „50 oder 100 oder noch mehr?“). Eines der Fotos zeigt die „stärkste Eibe im Müglitztal“ – von „tausendjährig“ war damals noch nicht die Rede – und gibt dafür einen Stammdurchmesser „gegen 3/4 m“ an. Dies entspräche rechnerisch einem Umfang von 2,35 m – mindestens einen Meter weniger als heute!

Weitere Fotos aus den 1920er Jahren [z.B. 8] zeigen den Baum noch mit vitaler, pyramidenförmiger Krone. In Meinholds Routenführer taucht 1922 das erste Mal schriftlich die Bezeichnung „Tausendjährige Eibe“ auf [9]. 1939 erfolgte die Ausweisung als Naturdenkmal [10].

1964 wird in den „Werten der deutschen Heimat“ bereits konstatiert: „Der Wipfel dieses Baumrecken ist vor einigen Jahrzehnten dem Sturm zum Opfer gefallen. Trotzdem befindet sich diese Eibe noch in einem recht guten Entwicklungszustand.“ [11]

1974 wurde der „Eibensteilhangwald im Mügitztal“ als Naturschutzgebiet ausgewiesen, aus dem später das heutige NSG „Müglitzhang bei Schlottwitz“ hervorging. [12]

Inzwischen hat die 1000-jährige Eibe einen (angesichts der Hanglage schwer zu messenden) Stammumfang von ca. 3,60 m erreicht, nennenswertes Dickenwachstum scheint in den letzten Jahrzehnten nicht mehr zu erfolgen. Wie schon erwähnt, ist der Stamm komplett ausgehöhlt und beschränkt sich auf einen relativ schmalen Streifen Splintholz. Da aber die Baumhöhe nur noch weniger als 10 Meter beträgt,  kann dennoch von gesicherter Standfestigkeit des Baumes ausgegangen werden. Für die Vitalität des Baumes spricht, wie gut sich das Splintholz gegenüber der innen angrenzenden Höhlung abgekapselt hat. Von Heimatfreunden immer mal wieder angeregte „Stabilisierungsmaßnahmen“ am Stamm würden der alten Eibe mit hoher Wahrscheinlichkeit eher schaden als nutzen!

Nur sehr wenige dürre Zweige in der recht dichten, so breiten wie hohen Krone und zahlreiche Austriebe, auch direkt am Stamm (Wasser-Reißer), weisen auf die noch immer hohe Lebenskraft hin. Diese offensichtliche (und in den letzten 30 Jahren scheinbar sogar wieder zunehmende!) Vitalität verdankt der Baum der kleinen Sickerwasserquelle am Fels dahinter, die selbst in Trockenzeiten wie 2018, 2019 und 2022 zuverlässig Kluftwasser schüttet. Im Winter ergeben sich daraus oft bizarr wirkende Kontraste zwischen dem vereisten Fels und dem dunkelnadligen Baum

Die glatte, sich in dünnen Streifen ablösende Rinde ist nahezu unbewachsen, lediglich an den Wurzel-Anläufen finden sich winzige Moosdecken. In der Vergangenheit wurde hier aber die eigentlich auf Gestein wachsende Schlucht-Kernflechte (Porina lectissima) „an der grossen Eibe“ genannt [13]. Diese gilt in Sachsen heute als stark gefährdet [14] und wurde hier 2022 nicht mehr gefunden.

Seit Jahrzehnten ist die 1000-jährige Eibe ein beliebtes Wanderziel und wird auch entsprechend intensiv beworben (z.B. [15],[16]; Empfehlungen auf zahlreichen Internetseiten). So zeigen sich inzwischen Anzeichen touristischer Übernutzung, wobei kleine Einritzungen in der Rinde noch das geringere Übel sind. Bedenklich ist das starke Betreten des Untergrundes unter der Eibe, was den Bodenbewuchs und die Streuauflage nahezu zerstört und bis in die 1980er Jahre die Hauptwurzeln freigelegt hat [17].

Betrachtet man diverse Darstellungen der Eibe auf Schildern in der Umgebung, wird der heute sichtbare Wurzelansatz offenbar als normal empfunden. Aber noch in den 1920er Jahren waren der Unterwuchs relativ intakt und die Wurzeln stärker bedeckt [18]. Einerseits ist die Widerstandsfähigkeit des Baumes über so lange Zeit beeindruckend. Aber es würde sicher nicht schaden, wenn das Betreten durch eine wenigstens symbolische Sperre eingeschränkt würde. Das Wege-Gebot gilt im Naturschutzgebiet aber ohnehin! Auch könnte das Wurzelwerk – soweit es die Hanglage überhaupt zulässt – mit Mulch oder ähnlichem abgedeckt werden. Dann wäre es zumindest wahrscheinlicher, dass sie ihr angebliches Alter auch tatsächlich erreicht.

Darüberhinaus sorgen die engagierten Schlottwitzer Heimatfreunde und der Forstbezirk Neustadt mit dem Verbissschutz von Jungeiben dafür, dass im Eibenwald am Lederberg diese wunderbare heimische Baumart auch künftig erhalten bleibt. [19]

 

Quellen:

  • https://ddg-web.de/rekordbaeume.html [Filter: Taxus baccata] – Letzter Zugriff: 14.12.2022
  • Fröhlich, H.J. 1993. Wege zu alten Bäumen 11. Sachsen. – Frankfurt/M.: 200 S.
  • Ulrich, B., Kühn, U. & Kühn, S. 2006. Unsere 500 ältesten Bäume. 2. Aufl. – München: 319 S.
  • Grüne Liga Osterzgebirge (Hrsg.) 2007: Naturkundliche Wanderziele im Ost-Erzgebirge. Band 3 Naturführer Ost-Erzgebirge. Sandstein-Verlag Dresden, S.547
  • Korschelt, P. 1897. Ueber die Eiben und deutsche Eibenstandorte. – Tharander Forstliches Jahrbuch 47: 107-171. Ich habe hier eine andere Quelle, die bei google gescannt ist: Halbjahresbericht des Königlichen Realgymnasiums Zittau, 1897, S.17
  • Braeß, Martin (1918): Die Eiben im Müglitztal. Mitt. Landesverein Sächs. Heimatschutz VII 1/4, S. 30-34
  • Hempel, Werner & Schiemenz, Hans (1986): Handbuch der Naturschutzgebiete der DDR, Band 5. Urania Leipzig-Jena-Berlin; S.323
  • Wiese, Albert: Foto „Eibe am Hang des Müglitztales bei Niederschlottwitz“, 1923, deutschefotothek.de/documents/obj/72002909
  • Süss, W. (1922): Meinholds Routenführer, Nr. 3 Dresden und Umgebung. Meinhold & Söhne Dresden, S. 25
  • StUFA Radebeul (Hrsg.), 2004: Baum-Naturdenkmale in der Region Oberes Elbtal/Osterzgebirge. Naturschutz regional. Staatliches Umweltfachamt Radebeul, Bearbeiterin Karin Trinks, S. 83f
  • Müller, Gerhardt (1964): Zwischen Müglitz und Weißeritz. Werte der deutschen Heimat, Band 8. Akademie-Verlag Berlin, S.89
  • SMUL (Hrsg.), 2008: Naturschutzgebiete in Sachsen. Friebel Dresden, S.606
  • Riehmer, E.T. 1959. Beiträge zur Flechtenflora Deutschlands. – Sydowia 12: 210-217
  • Gnüchtel, A. 2009. Rote Liste der Flechten Sachsens 2. Fssng. – Dresden. 55 S.
  • Morgenstern, Jürgen (2022): Wanderführer Schlottwitz und Umgebung. Broschüre. Hrsg. Heimatverein Schlottwitz
  • Rölke, Peter (Hrsg.), 2007: Wander- & Naturführer Osterzgebirge. Berg- und Naturverlag Rölke Dresden, S. 48ff
  • Stahr, R. 1982. Untersuchungen zum Vorkommen der Eibe (Taxus baccata) im Tharandter Wald. – Diplombarb. TU Dresden: 57 S.
  • Unbekannter Fotograf: Eibe bei Schlottwitz, vor 1928. www.deutschefotothek.de/documents/obj/72003831

osterzgebirge.org/eibenaktionstag-im-naturschutzgebiet-am-mueglitzhang-bei-schlottwitz-staatsbetrieb-sachsenforst

2014 (Foto: Gerold Pöhler)

Beschreibung 2004:

(in: StUFA Radebeul, Baum-Naturdenkmale in der Region Oberes Elbtal/Osterzgebirge, Verfasserin: K. Trinks)

ssz013 Eibe am Müglitzhang bei Schlottwitz

Das Naturschutzgebiet „Müglitzhang bei Schlottwitz“beherbergt am Steilhang des Müglitztales den flächengrößten naturnahen Eibenwald in Sachsen. Diese wuchtige und sehr alte Eibe wächst am Lederbergweg, einem Wanderweg, der von der Staatsstraße zwischen den Bahnhöfen Nieder- und Oberschlottwitz nach Großröhrsdorf führt. Wegen ihres hohen alters wird die größte Eibe im Landkreis auch „Tausendjährige Eibe“ genannt. Besonders fallen neben dem stark gedrehten Stamm die weit verzweigten Wurzelanläufe auf. Die gleichfalls als ND geschützte Lohmener Eibe und die Rennersdorfer Eibe sind bedeutende Bindeglieder zwischen dem osterzgebirgischen und dem lausitz-sudetischen Vorkommen.

Eiben zeugen von früherer Kulturlandschaftsbewirtschaftung und ursprünglichem Naturwald. In beweideten Wäldern wurden die Eiben zum Schutz der Tiere gerodet, da sowohl die Nadeln als auch die Früchte giftig sind. Der steile Müglitzhang ließ sich kaum als Waldweide nutzen, so dass hier natürliche Eibenbestände überdauern konnten. Die als ND geschützte Eibe ist vermutlich Mutterbaum für die heutige Eibenbestockung am Müglitzhang, der als Zentrum des osterzgebirgischen Subareals autochthoner Eiben bedeutsam ist. Eiben sind heute verhältnismäßig selten. Ihr Holz war in früheren Zeiten sehr begehrt, so zum Bau von Bögen und Armbrüsten.“