Natur im Osterzgebirge

Flöhatal bei Olbernhau

Flöhatal um Olbernhau und Pockau

Text: Kurt Baldauf, Pockau; Dirk Wendel, Tharandt
Fotos: Kurt Baldauf, Reiner Helwig, Reimund Francke, Gerold Pöhler, Wilfried Reimann, Jens Weber, Dirk Wendel

 

Landschaft

Das Flöhatal bei Olbernhau ist eine Besonderheit unter den Tälern des Erzgebirges. Die meisten Flusstäler im Erzgebirge weisen eine Südost-Nordwestrichtung auf und sind relativ schmal sowie ziemlich tief eingeschnitten in den felsigen Untergrund. Nur das obere Flöhatal bildet bei Olbernhau eine 10 km lange und 2 km breite Talwanne. Das hat etwas mit der Entstehung der Landschaft zu tun. Im Tertiär erhielt sie ihre endgültige Gestalt. Das ehemaligen Grundgebirge zerbrach in Schollen. Die Südseite der Erzgebirgsscholle wurde gehoben, während die Nordseite in ihrer Lage verblieb. In diese schräggestellte Scholle konnten sich dann die Bäche und Flüsse, die auf dem Südrand der Scholle entstanden, tief in den Untergrund einschneiden.

Auf die Scholle wurde aber auch seitlicher Druck ausgeübt. Dadurch zerbrach sie in mehrere Teile und es entstand an der Bruchlinie die so genannte Flöha-Querzone. In dieser sehr instabilen geotektonischen Schwächezone konnte sich eine große Talweitung bilden, in der heute Olbernhau und Blumenau liegen, und weiter nördlich das wesentlich kleinere Tal von Pockau. Die Flöha-Störung gilt heute als Grenze zwischen den Landschaftseinheiten Ost- und Mittel-Erzgebirge.

Blick vom Kamenný vrch/Steindl auf Olbernhau

In dieser Schwächezone stieg auch Magma aus dem Erdinneren empor. Es brach entweder an die Erdoberfläche durch, wie beim Kamenný vrch/Steindl auf der böhmischen Seite, oder blieb in den Deckschichten stecken, wie es bei den kleinen Basaltvorkommen im Thesenwald der Fall ist.

Die Täler des Flöhagebietes sind alle durch Erosion entstanden, meist Kerbsohlentäler mit schmalen Wiesenauen, in denen Bäche und Flüsse mäandrieren. Sie werden begrenzt von teilweise 100 bis 200 m hohen Hängen, die in den Windungen der Täler als Gleithänge und Prallhänge ausgebildet sind. Olbernhau nennt sich selbst gern “Stadt der sieben Täler”. Das sind neben der Flöha selbst rechtsseitig Bärenbach und Biela und linksseitig Schweinitz, Natzschung, der Dörfelbach und der Rungstockbach.

In den Tälern lagerten sich Sedimente ab: Kies, Sand und Ton. Häufig sind hier grundwasserbestimmte Gleyböden vorhanden. An den Hängen entstand aus dem anstehenden Gneis eine sandig-lehmige Braunerde, die dort, wo der Fels dicht unter der Erdoberfläche lag, stark mit Steinen durchsetzt ist. Oft wurden diese Gneisschuttdecken ausgewaschen, was zur Bildung von Braun-Podsolböden führte.

Unterhalb von Blumenau durchbricht die Flöha den Gneisriegel von Reukersdorf. Funde von auffallend roten Sedimenten im Bereich des Tals von Olbernhau lassen vermuten, dass sich vor diesem Durchbruch in der Talwanne ein größerer See von 20 bis 30 m Tiefe aufstaute. Die Hochfläche des Gebirges ist zu beiden Seiten der Talzone weitgehend zerschnitten in breite Höhenrücken, wie sie bei Ansprung, Wernsdorf, Reifland und Lippersdorf und im Gebiet von Sayda deutlich werden und in schmale meist langgestreckte Riedel.

Deutlich höher als diese Rücken sind die Kammlagen des Erzgebirges bei Deutscheinsiedel und Reitzenhain. Diese Höhenunterschiede rufen auch deutliche Unterschiede in den klimatischen Verhältnissen hervor. In den Kammlagen herrscht ein raues Klima mit hohen Schneelagen und tiefen Temperaturen, kaltem Wind und dicken Raureifbehängen an den Bäumen. Die Niederschlagsmengen liegen in Reitzenhain im langjährigen Mittel bei 961 mm, in Olbernhau bei 916 mm und in Pockau bei 883 mm. Die mittlere Lufttemperatur im mittleren Bergland bei Olbernhau beträgt 5,5 °C bis 6,5 °C, was den Anbau der meisten Feldfrüchte noch gestattet, in Reitzenhain dagegen nur bei 4,7 °C, was eigentlich nur Viehwirtschaft ermöglicht. Manchmal bildet sich auch eine Inversionswetterlage aus, das heißt, die kalte Luft zieht in die Täler hinein, während es auf den Bergen deutlich wärmer ist.

Blick auf Pockau

Wo die Schwarze Pockau in die Flöha mündet und der Ort Pockau liegt, befindet sich eine größere Talweitung mit sanfteren Hängen und einem steilen Prallhang an der Nordseite. Hier war im Tal Platz für die Anlage eines Dorfes. Die anderen Dörfer in diesem Bereich des Flöhatals sind an Bächen angelegt, die sich die Hänge hinaufziehen. Im weiteren Verlauf ist das Flöhatal ein tief in die Gneisplatte eingeschnittenes Kerbsohlental mit vielen Windungen und relativ steilen Hängen an beiden Talseiten. Lediglich in der großen Fluss-Schleife der Flöha bei Floßmühle ist ein breiterer Talbereich vorhanden. Mehrere Seitenbäche führen der Flöha ihr Wasser zu. Das sind linksseitig Hainsbach, Lautenbach (der die beiden Neunzehnhainer Talsperren durchfließt) und der Hahnbach, rechtsseitig der Saidenbach (mitsamt einer Talsperre) und der Röthenbach. Die zwischen diesen Bachtälern liegenden Rücken und Riedel sind meist im Mittelalter von den Siedlern gerodet worden, weil ihre Böden sich für die Landwirtschaft eignen. Nur auf den armen Böden im Bereich des Röthenbaches und des Rainbaches ist ein großes Waldgebiet erhalten geblieben. Die steilen Hänge des Flöhatals sind durchweg bewaldet und meist mit relativ naturnahen Mischwäldern bestanden.

Historische Entwicklung

Im 12. Jahrhundert stießen die ersten Ansiedler in den Wald vor. Die Siedler erhielten einen Streifen Land, eine Hufe, die sich vom Wasserlauf im Tal den Hang hinauf zog. So entstanden die Waldhufendörfer. Auf den Rückengebieten gibt es aber auch andere Siedlungsstrukturen. z. B. Streusiedlungen, wie Reifland.

Olbernhau ist im späten Mittelalter entstanden und war lange Zeit ein kleines Dorf, dessen Einwohner von der Arbeit im Wald und der Landwirtschaft lebten. Es gehörte zur Herrschaft Lauterstein, die der Kurfürst August I. 1539 kaufte. Um Olbernhau entstanden aber schon früh neue Ansiedlungen. Caspar von Schönberg auf Pfaffroda erlaubte nach dem Dreißigjährigen Krieg Exulanten – das sind Menschen, die ihres Glaubens wegen ihre Heimat verlassen mussten – die Ansiedlung auf seinem Grund und Boden. So entstanden Klein-, Nieder- und Oberneuschönberg.

Der Anbau von Getreide und die Viehzucht mussten über Jahrhunderte die Ernährung der Bevölkerung sichern. Missernten, hervorgerufen durch Perioden mit kühlen, nassen Sommern, führten immer wieder zu Hungersnöten. Erst der Kartoffelanbau seit dem 18. Jahrhundert konnte eine bessere Ernährung gewährleisten, auch wenn mit Pellkartoffeln, Leinöl und Quark für den Großteil der Bevölkerung der Tisch natürlich nicht üppig gedeckt war.

Die Hauptrolle bei der historischen Entwicklung des Ortes spielten indes Handwerk, Handel und Gewerbe.

Holz hatte von Anfang an bis heute eine große Bedeutung für das Gewerbe des Ortes. In der kurfürstlichen Holzordnung von1560 wurde festgelegt, dass die Bewohner Holz aus den Wäldern kaufen konnten, um daraus Kannen, Schüsseln, Teller, Schaufeln, Rechen und andere hölzerne Geräte herstellen zu können. Dazu mussten Brettmühlen errichtet werden, außerdem gab es Öl- und Mahlmühlen. Die dazu nötige Wasserkraft konnte man an der Flöha und ihren Nebenbächen gewinnen. Das galt in gleicher Weise auch für die Metallgewinnung und den Bergbau, die für Pochwerke, Gebläse, Hämmer und den Antrieb von Pumpen zum Entwässern der Schächte die Wasserkraft nutzten.

Die Gewinnung von Holzkohle hat seit dem frühen Mittelalter bis 1875 eine große Rolle gespielt. Mit dem Wasser der Schneeschmelze oder aus speziell dafür gebauten Teichen, wie dem Lehmheider Teich bei Kühnheide, wurden die Holzscheite aus dem oberen Gebirge heran transportiert. Der Floßrechen in Blumenau fing das Flößholz auf. In Pockau, Blumenau und Borstendorf rauchten jahrhundertelang viele Kohlenmeiler, in denen, meist aus Buchenholz, die begehrte Holzkohle gewonnen wurde. Bauern aus 16 Dörfern im weiten Umkreis waren verpflichtet, anschließend die Fuhren zum Turmhof in Freiberg zu übernehmen. In der Hochblütezeit des Freiberger Bergbaus wurden z. B. allein im Jahre 1606 von Pockau aus 2846 große, von Pferden gezogene Korbwagen mit Holzkohle und von Borstendorf sogar etwa 5000 Wagen Holzkohle nach Freiberg geliefert. Die Holzkohle diente in Freiberg zum Betreiben der Schmelzöfen. Erst die Verwendung von Stein- und Braunkohle und ihr Transport mit der Eisenbahn von 1875 an ließen die Holzkohle überflüssig werden.

historische Aufnahme der Köhlerei im Erzgebirge (Archiv Osterzgebirgsmuseum Lauenstein)

Die Holzverarbeitung blieb in Olbernhau bis heute erhalten. Nach dem Niedergang des Bergbaus etablierte sich, wie auch im benachbarten Seiffen und in anderen Dörfern, die Spielzeugherstellung. Mehrere so genannte Verleger kauften die meist in Heimarbeit von Kleinproduzenten hergestellten Artikel auf und organisierten den Weiterverkauf in andere Regionen, in Deutschland und auch nach Übersee. Gute Straßen waren dafür Voraussetzung. 1849 war die Straße nach Augustusburg über Pockau gebaut worden, 1848 die Poststraße nach Sayda. Die Überquerung der Flöha ermöglichten 4 steinerne Brücken.

Noch heute haben holzverarbeitende Betriebe einen wichtigen Anteil an der Wirtschaft in Olbernhau. Sie stellen Spielwaren und alles das her, was zu der erzgebirgischen Weihnacht gehört, also Weihnachtspyramiden, Räuchermänner, Engel und Bergmänner, Nussknacker und Schwibbögen. Holz war auch der Rohstoff für die Herstellung von Zündhölzern, die in Olbernhau im 19. Jahrhundert betrieben wurde.

In Olbernhau gab es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Berufen wie z. B. Weber, Beutler, Seifensieder, Sattler, Lohgerber, Zinngießer, Strumpfwirker, Leineweber und Schuhmacher, Schlosser und Rohrschmiede, die alle in Zünften organisiert waren. In Olbernhau wurden über mehrer Jahrzehnte bis 1990 auch Kunstblumen hergestellt. Nach 1945 wurde die Dörfelmühle zu einem Glaswerk umgebaut, in dem Flüchtlinge aus Tschechien ihr Wissen und ihre Fertigkeiten einbrachten. Der Betrieb stellte bis 2004 Kunstglas und Fahrzeugscheiben her.

Bedeutend für die Geschichte des Ortes war die Erzeugung und Verarbeitung von Metallen. Im Jahre 1681 wurde die Errichtung eines Rohrhammers bewilligt. Die Erze dafür konnten z.B. in Heidersdorf, im heutigen Ortsteil Eisenzeche (Grube “Weißer Löwe”), und bei Rothenthal in der Grube “Roter Hirsch” gewonnen werden. Rothenthal war im 17. Jahrhundert ein Zentrum der Eisengewinnung und -verarbeitung mit Hochöfen, Walzanlagen und Weißblechfertigung, das vor allem Bleche und Drähte herstellte und Rohmaterial für die Gewehrproduktion, die in vielen kleinen Betrieben erfolgte. Diese war zeitweise so intensiv, dass Olbernhau Ende des 18. Jahrhunderts den gesamten Bedarf der sächsischen Armee decken konnte.

Saigerhütte Grünthal – früher “Industriekomplex”, heute sehr sehenswertes Kulturdenkmal

Einem anderen Zweig der Metallgewinnung diente die Saigerhütte in Grünthal. Der 1537 gegründete Betrieb verarbeitete Erze aus dem böhmischen Katharinaberg und von anderen Lagerstätten zu Rohkupfer und gewann außerdem das in diesen Erzen ebenfalls enthaltene Silber im so genannten Saigerverfahren. Mit diesem Verfahren konnten auch gewöhnliche Bürger Silber erlangen, denn die eigentlichen Silbererze, wie z.B. Silberglanz, hatte sich der Landesherr vorbehalten. Um sich auch das Silber aus Grünthal zu sichern, kaufte der Kurfürst 1567 diese Anlage. Über einen langen Zeitraum wurden in Grünthal Kupfergeschirr, Kesselpauken, aber vor allem Dachkupfer hergestellt, und seit 1750 auch Kupfermünzen geprägt. Dächer mit Kupfer aus Olbernhau haben z. B. die Schlosskirche in Chemnitz, das Schloss Pillnitz, das Nationaltheater in Weimar und der Stephansdom in Wien. Das Werk konnte sich ständig vergrößern. Im 19. Jahrhundert war es ein modernes Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Kupfer- und Messingverarbeitung aufgegeben und der Betrieb auf die Herstellung von Stahlblechen umgestellt. Mit der Wende kam die Produktion völlig zum Erliegen. Und so ist heute nur ein Teil der Kupferverarbeitung in der alten Hammeranlage des Museums Saigerhütte zu besichtigen.

Das Olbernhauer Heimatmuseum “Haus der Heimat” am Markt zeigt zu dieser wirtschaftlichen Entwicklung wertvolle Exponate. Außerdem gibt es einen Einblick in die Herstellung von Holzkunstartikeln. Auch die Pflanzen- und Tierwelt des Erzgebirges wird eindrucksvoll dargestellt. Die Stadtkirche wurde im Jahre 1590 erbaut und die am Berghang gelegene Kirche von Oberneuschönberg mit ihrem interessanten hölzernen Tonnengewölbe 1695.

Einen guten Überblick über die Stadt erhält man, wenn man von einem der Hänge, die die Stadt umgeben – vom Hahnberg an der Alten Poststraße, von der ehemaligen Gaststätte Neue Schenke an der Straße nach Zöblitz oder von der Kirche in Oberneuschönberg – hinabschaut. Dann sieht man die Stadt in der Talaue vor sich liegen mit ihren Ortsteilen: Hirschberg, Grünthal, Dörfel, Rungstock, Reukersdorf, Klein-, Nieder- und Oberneuschönberg.

In der Talweitung von Pockau hat sich schon früh eine Siedlung entwickelt. 16 Bauern aus Franken haben sie im frühen 14.Jahrhundert angelegt und erhielten jeder einen Streifen Landes, eine Hufe, die sich vom Bach an den Hang hinauf zog. Jahrhunderte lang haben die Einwohner vom Landbau, vom Wald und der Fischerei gelebt. Davon zeugt das schönste Fachwerkgebäude im Ort, die Amtsfischerei am Fischereiweg, in der man auch etwas über die Geschichte des Ortes erfahren kann. Der Amtsfischer musste jährlich eine bestimmte Menge Fische an den Hof in Dresden liefern. Die Wasserkraft von Pockaufluss und Flöha wurde von 12 Mühlen genutzt: Mahl – und Ölmühlen und Sägewerke. Die alte Ölmühle am Mühlenweg ist von Heimatfreunden als Museum ausgebaut worden und zeigt die Verarbeitung von Leinsamen zu Leinöl und die Weiterverarbeitung des Flachses.

Im Ortsteil Görsdorf fällt der große Steinbruch auf, in dem seit etwa 100 Jahren der anstehende Graue Gneis abgebaut wird

Über der Burg Rauenstein, die 1323 das erste Mal urkundlich erwähnt wurde, zieht sich den Hang hinauf die Stadt Lengefeld. Hier siedelten zunächst die Bediensteten der Burgherren, bevor 1522 Lengefeld zur Bergstadt wurde. Der Bergbau auf Zinn und Eisen hat aber nie wirklich reiche Ausbeute gebracht. Und so wurde die Stadt ein Zentrum des Gewerbes, vor allem der Weberei.

Flöha unter der Burg Rauenstein

Nach der Eiszeit entstand im Erzgebirge über mehrere Zwischenstadien ein Fichten-Tannen-Buchenwald. Von diesem ursprünglichen, natürlich entstandenen Wald ist nichts mehr übrig geblieben. Die heutigen Fichtenforste um Olbernhau und im Röthenbacher Forst sind alle von Menschen angelegt worden. Eine typische Variante der Fichtenforste für das Erzgebirge ist der Sauerklee-Fichtenforst. Die Fichte als sehr wüchsiger Forstbaum bringt schon nach 70 bis 80 Jahren einen guten Holzertrag. In dichten Beständen ist der Boden oft nur mit Nadelstreu und vielleicht mit Moosen bedeckt. Erst wenn der Wald lichter wird, gibt er Raum für krautige Pflanzen. Wolliges Reitgras und Draht-Schmiele bilden grüne Teppiche, Schmalblättriges Weidenröschen und Fuchssches Greiskraut kommen in größeren Beständen vor. Außerdem wachsen hier Adlerfarn und Wald-Frauenfarn, Heidelbeeren und Fichtenjungpflanzen. Der Waldboden kann im Fichtenwald zudem Standort einer reichen Pilzflora sein mit Maronen, Steinpilzen, Perlpilzen und sogar wieder Pfifferlingen. Die heutigen Fichtenmonokulturen haben aber auch Nachteile. Zum einen gibt es in ihnen wegen des Fehlens einer Strauchschicht nur wenige Vögel, was die Massenvermehrung von Schädlingen begünstigen kann. Und zweitens sind Fichten recht anfällig für den sauren Regen, der eine Folge der Verbrennung von Kohle in Kraftwerken und Heizanlagen ist. Das hatte vor allem in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts sehr dramatische Folgen für die Fichtenwälder im Erzgebirge.

unter der Burg Rauenstein

Auch die heutigen Buchenwälder im Flöhatalgebiet sind Schöpfungen des Menschen. Die Buche kann aber als Schattholzart nur im Schatten älterer Bäume heranwachsen. Erst später erträgt der Baum volle Sonnenbestrahlung. Buchen brauchen wenigstens 140 Jahre, ehe sie schlagreif sind. Im Gegensatz zu den Fichtenbeständen kann sich jedoch im Buchenwald eine Krautschicht entwickeln, die durch eine deutliche Artenvielfalt gekennzeichnet ist. Markant zeigt sich dies auf nährstoffreicheren Böden. Es sind vor allem Frühblüher, die vor dem Austrieb der Buchen den Waldboden bedecken. Das Busch-Windröschen, an basenreichen Stellen auch das viel seltenere Gelbe Windröschen, der Hohle Lerchensporn und der Aronstab mit seinen Kesselfallenblüten kommen hier vor. Später können nur schattenertragende Pflanzen auf dem Waldboden gedeihen: Schattenblümchen, Waldmeister, Goldnessel, Einbeere, Eichenfarn und sporadisch Zwiebel-Zahnwurz.

In feuchten Bachtälern, vor allem an den kleinen Bächen, die der Flöha zufließen, haben sich meist Erlen-Eschen-Bach- und Quellwälder ausgebildet. Feuchtigkeitsliebende Pflanzen bilden die Bodenflora, wie die beiden Milzkräuter, Sumpf-Dotterblume, Winkel-Segge und Wald-Vergissmeinnicht.

Nicht dauerhaft von Wald bestandene Flächen gab es im Erzgebirge ursprünglich kaum. Hierzu gehören allenfalls Moore und Felsbereiche, vielleicht auch Teile der Auen. Wiesen und anderes Grasland sind alle anthropogenen Ursprungs. Der sich hier ansiedelnden Bauern brauchten Flächen, auf denen sie ihre Haustiere weiden, und von denen sie das Winterfutter für die Tiere gewinnen konnte. Nach der Rodung des Waldes konnten sich Kräuter und lichtliebende Gräser ausbreiten: Glatthafer, Ruchgras (das den angenehmen Geruch des trockenen Heus bewirkt), mehrere Rispengrasarten, Wiesen-Schwingel, Weiches Honiggras und, in höheren Lagen, Goldhafer. So entstanden unsere Bergwiesen. Sie wurden nur einmal im Jahr gemäht, waren einschürig. Jahrhundertelang spielte dabei die Sense, die im 12. Jahrhundert in Tirol erfunden wurde, als Werkzeug die Hauptrolle, erst ab 1910 die von Pferden gezogene Mähmaschine. Eine Fülle von Arten kennzeichnet diese Wiesen: Alantdistel, Bärwurz, Arnika, Rundblättrige Glockenblume, Wiesen-Knöterich und viele mehr.

Arnika

Häufig waren aber die Wiesen zu nass, und es wuchsen dort Sumpf-Dotterblumen, viele Seggen und auch Binsen, dazu Mädesüß und Engelwurz. Durch das Ausheben von Gräben oder Einbringen von Drainageröhren wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Wiesen entwässert, damit sie mehr und besseres Heu erbrachten. Durch Umbruch der Grasnarbe und Ansaat von ertragreichen Futtergräsern nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte man eine weitere Ertragssteigerung, vernichtete aber die interessante Vielfalt der Pflanzenarten. Es ist dennoch gelungen, einige wertvolle Wiesen im Gebiet im ursprünglichen Zustand zu erhalten. Ein hervorragendes Beispiel ist die Bärenbachwiese bei Olbernhau.

In den hängigen Randbereichen der Wiesen, an Wegrändern und auf alten Bergwerkshalden befinden sich oft Trockengrasfluren mit Borstgras, Kleinem Habichtskraut, Zittergras und Kreuzblümchen, die zu den Borstgrasrasen gerechnet werden können.

Wiesen sind auch Standorte für heimische Orchideen: Breitblättriges und Geflecktes Knabenkraut, Stattliches Knabenkraut und Händelwurz wachsen dort und machen diese Biotope besonders schützenswert.

Es gibt aber auch Flächen, die vom Menschen weniger intensiv oder gar nicht bewirtschaftet werden: Ränder von Straßen und Wegen, Eisenbahngelände sowie Schutt- und Erdablagerungen. Dort siedeln sich Pflanzen an, die Trockenheit und Nährstoffarmut tolerieren und sich schnell ausbreiten können. Wir bezeichnen sie als Ruderalpflanzen – von lateinisch rudus = Geröll. Hier finden wir Gelbe Nachtkerze, Gewöhnlichen Beifuß, Rainfarn, Wilde Möhre, Wegwarte und Weißen Steinklee. Dazu kommen Pflanzen, die eigentlich nicht bei uns heimisch sind, sondern aus anderen Gebieten zuwanderten (bzw. eingeschleppt wurden). Man nennt sie Neophyten und versteht darunter alle Arten, die seit dem Jahr 1500 bei uns eingewandert sind. Dazu zählen die Kanadische Goldrute, Japanischer Staudenknöterich und Drüsiges Springkraut, die sich in den letzten Jahrzehnten auch im Erzgebirge rasant ausgebreitet haben und an ihren Standorten heimische Pflanzen verdrängen. Sie lassen sich aber nur schwer und auch dann nur mit großem Aufwand bekämpfen. Besonders problematisch ist der Riesen-Bärenklau, weil der Saft dieser Pflanze bei Sonnenbestrahlung starke Hautreizungen hervorrufen kann, die eine medizinische Behandlung notwendig machen.

Drüsiges Springkraut – ein aus Indien stammender Neusiedler

In der Uferflora der im Gebiet vorhandenen Teiche fallen vor allem Rohrkolben und Schilf auf und große Gräser und Seggen wie Rohr-Glanzgras und Schlank-Segge. Weiden und Erlen säumen die Ufer. In den Fließgewässern, den Flüssen und Bächen, kommen Gewöhnlicher Wasserhahnenfuß und Wasserstern vor, die meist unter der Wasseroberfläche flutend wachsen. Steine sauberer Bäche sind oft mit verschiedenen Moosen, wie dem Wellenblättrigen Spatenmoos und dem bis 50 cm lang werdenden dunkelgrünen Brunnenmoos besetzt.

Ebenso vielfältig wie die Pflanzenwelt ist auch die Tierwelt des Gebietes. Bei den Weichtieren soll nur auf die großen Weinbergschnecken, die zum Bau ihres Gehäuses Kalk brauchen, und die Teichmuscheln in stehenden Gewässern hingewiesen werden. Ganz wenig bekannt sind die einheimischen Spinnen, die aber eine große Artenvielfalt aufweisen und nur Spezialisten wirklich bekannt sind.

Auch aus der Fülle der Insekten können nur einige herausgegriffen werden. Bei den Käfern fallen immer wieder die großen Laufkäfer auf. Wir kennen die Marienkäfer, die zusammen mit ihren Larven Blattläuse vertilgen, die (im Gebirge allerdings seltenen) Maikäfer und die viel kleineren, aber an warmen Frühsommertagen in großer Menge schwärmenden Junikäfer. Über Gewässern kann man öfter die großen, buntschillernden Wasserjungfern und die kleineren blauen Azurjungfern beobachten und in den Gewässern selbst ihre räuberisch lebenden Larven. Hummeln und Wildbienen leisten in Gärten und Obstkulturen wichtige Dienste als Blütenbestäuber. Ameisen erweisen sich in den Wäldern als sehr nützliche Schädlingsbekämpfer, die dazu bis in die Wipfel der Bäume steigen. Im Sommer fallen weiße Schaumtröpfchen an Wiesenpflanzen auf. Beim Nachsuchen findet man darin die Larven der Schaumzikaden.

Und dann die Menge der großen und kleinen Schmetterlinge! Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge, Admiral, Zitronenfalter sind allgemein bekannte Arten. Dazu kommen Bläulingsarten, C-Falter, Schwalbenschwanz und seit einigen Jahren das stärker wärmebedürftige Taubenschwänzchen. Alle diese Arten bewohnen spezielle Biotope, ihre Larven brauchen ganz bestimmte Pflanzen als Nahrung – und so haben Eingriffe in die Natur auch immer wieder Veränderungen in der Insektenfauna zur Folge.

Schwalbenschwanz

In unseren Gewässern leben nur wenige Fischarten. Die Bachforellen bevorzugen saubere Bäche und Flüsse. Außerdem leben dort kleinere Fische: Elritzen, Groppen und die kleinen Bachneunaugen.

Auf die im mittleren Erzgebirge vorkommenden Frösche und Kröten wird man im Frühjahr aufmerksam, wenn die Tiere die Gewässer aufsuchen, um ihren Laich abzulegen. So wurden am Feuerlöschteich in Olbernhau weit über 1000 Grasfrösche beobachtet und an einem Krötenzaun in Pockau fast 1000 Tiere. Molche – wie der zur Laichzeit schön buntgefärbte Kammmolch – leben in kleinen Gewässern. Feuersalamander bevorzugen Laubwälder und fallen uns vielleicht nach einem warmen Sommerregen durch ihre orange-schwarze Färbung auf. Den Winter verbringen sie in frostfreien Erdlöchern und auch in Kellern von Gebäuden.

Feuersalamander

Lediglich zwei Schlangen sind bei uns heimisch: die die Nähe des Wassers liebende Ringelnatter und die Kreuzotter, die einzige Giftschlange im Gebiet, die aber recht selten geworden ist. Die häufig vorkommende Blindschleiche ist eine beinlose Eidechse.

Die Vögel unseres Gebietes sind durch die Tätigkeit mehrerer Ornithologengruppen recht gut erforscht, die unter anderem festgestellt haben, dass es im Flöhatal über 80 Brutvögel gibt. Interessant ist, dass das Erzgebirge wieder vom Uhu besiedelt worden ist, der lange verschwunden war. Mehrere Brutpaare des Schwarzstorchs, der früher hier gar nicht vorkam, führen in den Wäldern ein recht verstecktes Leben. Unter Nistplatzmangel leiden oft die Höhlenbrüter: Hohltaube, Sperlingskauz, Kleiber und auch der Gartenrotschwanz dadurch, dass Bäume mit Höhlen häufig den Sägen zum Opfer fallen. Ähnliches gilt für die Schwalben: Mehlschwalben werden oft vertrieben, wenn sie unter dem Dachvorsprung ihre Nester bauen wollen, und die Rauchschwalben finden kaum noch einen offenen Stall oder Hausflur, in dem sie brüten können.

Bei den Säugetieren muss in erster Linie das jagdbare Wild genannt werden. Hirsche und Rehe sind oft in Überzahl vorhanden und verursachen in den Laubholzbeständen Verbiss-Schäden. Schwarzwild kann sich durch ein reiches Nahrungsangebot auf den Feldern im Sommer reichlich vermehren und ist oft in der Lage, sich den Nachstellungen der Jäger zu entziehen. Selten geworden sind die Hasen, vor allem durch die Veränderungen in der Landwirtschaft mit ihren Großmaschinen. Dachs und Fuchs kommen hingegen nicht selten vor. Der letztere wird immer wieder als Überträger der Tollwut bekämpft, obwohl er ein wichtiger Mäusevertilger ist. Kleinsäuger, das heißt die verschiedenen Mäusearten und Wühlmäuse, werden durch Gewölleuntersuchungen und Fallenfänge erforscht. Nur ganz selten bekommen wir die nachtaktiven Haselmäuse und Siebenschläfer zu Gesicht. Seit einigen Jahren gibt es in der heimischen Fauna einen Neubürger, der nachts auf Beutesuche geht, der Waschbär.

Haselmaus (Foto: Elke u. Reimund Francke)

Eine wichtige Rolle als Vertilger nachts fliegender Schadinsekten spielen die Fledermäuse. Zehn verschiedene Arten leben hier im Gebirge. Ihre Populationen sind gefährdet durch das zunehmende Fehlen von Sommerquartieren, das vor allem den übergründlichen Altbaurenovierungen geschuldet ist. Helfen kann hier das Aufhängen von Fledermauskästen.

 

 

Quellen

Baldauf, Kurt; Kolbe, Udo; Lobin, Matthias (1990): Oberes Flöhatal in Geologie, Flora, Fauna und Naturschutz; Annaberg

Beiträge zum Naturschutz im Mittleren Erzgebirgskreis, Heft 1 – 3 (2001, 2002, 2004); Olbernhau

Frenzel, H. (1930): Entwicklungsgeschichte der sächsischen Moore und Wälder seit der letzten Eiszeit. Abhandlungen des Sächsischen Geologischen Landesamtes Heft 9, Dresden.

Hempel, Werner & Schiemenz, Hans (1986): Die Naturschutzgebiete der Bezirke Leipzig, Karl-Marx-Stadt und Dresden; Handbuch der Naturschutzgebiete, Band 5

Kreller, W. (1957): Naturwaldreste im Oberen Flöhatal bei Olbernhau/ Erzgebirge. Diplomarbeit TH Dresden, Fakultät Forstwirtschaft Tharandt.

Reinisch, R. (1931): Erläuterungen zur Geologischen Karte von Sachsen – Blatt Lengefeld. 2. Aufl., Leipzig: G.A. Kaufmann`s Buchhandlung.

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Werte unserer Heimat, Bd. 28 (1977): Das Mittlere Zschopaugebiet;

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