Natur im Osterzgebirge

NSG Gimmlitztal

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268 Hektar, Unterschutzstellung 2015 (1974: NSG Gimmlitzwiesen, 1,6 ha)

Kartenausschnitt von www.umwelt.sachsen.de

2015 ist es endlich soweit: Das Gimmlitztal wird von der Quelle bis zur Talsperre als Naturschutzgebiet ausgewiesen. 15 km naturnaher, unverbauter Bachlauf mit sauberem, nicht versauerten Wasser; plus außergewöhnlich artenreiche Berg- und Nasswiesen einschließlich eines für Sachsen einzigartigen Kalkflachmoores; plus Ruhe und Abgeschiedenheit . Dies macht den Reiz des Gimmlitztales für Naturfreunde aus – und bietet einer beträchtlichen Artenvielfalt Lebensräume.

Nutzungsgeschichte

Gimmitzquelle

Zu Beginn der Besiedlung des Ost-Erzgebirges im 12./13. Jahrhundert lag das Gimmlitztal im Grenzraum zwischen den von Norden kolonisierenden Wettinern  (Burg Frauenstein) und den von Süden her ihr Territorium erweiternden Böhmen (Burg Rechenberg). Zur selben Zeit entstanden die Waldhufendörfer der Umgebung (Hermsdorf, Reichenau, Nassau).

Bei Frauenstein – das auch ziemlich genau im geografischen Zentrum des Naturraumes Ost-Erzgebirge liegt – kreuzten sich mehrere regional bedeutsame Handelswege.  Bis 1873 war Frauenstein Amtsstadt.

Ab dem 13. Jahrhundert ist in der Umgebung, vor allem in Reichenau, Silber- und Kupferbergbau bezeugt. Seine Blütezeit hatte der Bergbau Mitte des 16. Jahrhunderts, eingestellt wurde er erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.  Das heutige Naturschutzgebiet wurde dabei nur mit dem Gnade-Gottes-Stolln berührt. Allerdings fand im Gimmlitztal mit seinen Wasserkraft- und Holzressourcen ein Großteil der Erzaufbereitung statt, so an der “Silberwäsche”, deren Mauerreste  in den letzten Jahren von rührigen Frauensteiner Heimatfreunden wieder zugänglich gemacht worden sind.

Alter Kalkofen

Am Oberlauf der Gimmlitz, bei Hermsdorf, wird nachweisbar seit 1581, wahrscheinlich schon viel länger, Kalk gewonnen. Zunächst war dieser in der ansonsten kalkarmen Region vor allem als Dünge- und Baustoff gefragt. Direkt am Abbauort gab es vier Kalköfen, in den Dörfern der Gegend zahlreiche weitere.  Ab 1880 ging man zum Untertage-Abbau über.  Das Material wird auch heute noch gewonnen und u.a. als Marmor-Zierstein verwendet.  Von 1926 bis 1972 war eine Seilbahn (“Kannelbahn”) bis zum Bahnhof Holzhau in Betrieb.

Mit dem Wasser der Gimmlitz wurden zeitweilig über 20 Mühlen in Betrieb gehalten, was dem Gimmlitztal auch den Beinamen “Tal der Mühlen” einbrachte.  In der  Ausflugsgaststätte Weicheltmühle ist deren historische Anlage noch als Technisches Denkmal erhalten, aber auch andernorts findet man Zeugnisse der ehemaligen Wasserkraftnutzung (z.B. Mühlgräben).

tausende Orchideen (Breitblättriges Knabenkraut) blühen im Kalkflachmoor

Die feuchte Talaue eignete sich nur begrenzt für Ackerbau. Insofern dürfte die Wiesennutzung hier schon vergleichsweise alt sein,  wenigstens 200 Jahre.  Der Reichtum an bunten Wiesenpflanzen, obwohl heute nur noch ein Rest früherer Blütenpracht, lockt seit dem 20. Jahrhundert Naturfreunde ins Gimmlitztal.

Ein großer Teil der Auen- und Hangwiesen ging durch Aufforstungen verloren. Wie auch anderswo erfolgte im 19. Jahrhundert die flächendeckende Umwandlung der bergbaugeplünderten Wälder in Fichtenmonokulturen. Nadelholz-Forstwirtschaft war ökonomisch erfolgversprechend,  oft auch mehr als die landwirtschaftliche Nutzung abgelegener Wiesen.  Eine zweite Aufforstungswelle geschah mit dem Bau der Talsperre Lichtenberg (1966-75). Man glaubte damals, Nadelforsten seien gut für die Trinkwasserqualität. So manche Orchideenwiese ging dabei verloren.

Die Ausweisung der großräumigen Trinkwasserschutzzone bewirkte andererseits aber auch Beschränkungen für die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der umliegenden Dörfer. Im Einzugsgebiet der Gimmlitz durften weniger Düngemittel ausgebracht werden als anderswo – ein wesentlicher Grund für die Erhaltung vergleichsweise artenreicher Lebensräume.

NSG Gimmlitzwiesen

1974 wurde im Bereich des Kalkvorkommens in der Gimmlitzaue das mit gerade einmal 1,6 ha sehr kleine Naturschutzgebiet “Gimmlitzwiesen” ausgewiesen.  1995 kam das 3,1 Hektar umfassende Flächennaturdenkmal “Walterbruch” hinzu.  Seit Anfang der 1990er Jahre gab es Bemühungen, das Gimmlitztal insgesamt als NSG unter Schutz zu stellen. Das Vorhaben wurde unter anderem dadurch erschwert, dass die Gimmlitz die Kreis- und Regierungsbezirksgrenze bildet. Im Jahr 2015 steht die NSG-Ausweisung unmittelbar bevor. Es ist in seiner Flächenausdehnung weitgehend identisch mit dem gleichnamigen Natura-2000-Gebiet (entsprechende der sog. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU).

In den verstreuten Gebäuden im Gimmlitztal wohnt eine kleine Gemeinschaft überwiegend naturinteressierter (und: -engagierter) Menschen. Der “Förder- und Naturverein Oberes Gimmlitztal” gestaltet einen Naturerlebnispfad mit “Grünem” und “Silbernem Klassenzimmer”.

Naturraum

Die Gimmlitz entspringt südlich der Schickelshöhe, in knapp 800 m Höhenlage, in einer weiten Grünlandmulde. Unterhalb des Schwerdtwegs ist das Sickerwasser als “Gimmlitzquelle” gefasst. Im Oberlauf, bis unterhalb des Kalkwerks, folgt die Gimmlitz der Gesteinsgrenze zwischen Gneis und Hermsdorfer Phyllit  (“Urtonschiefer”).  In diesen Phyllit sind Kalklinsen eingelagert, die am Waltherbruch abgebaut wurden und im weiter talabwärts gelegenen Kalkwerk heute noch abgebaut werden. Diese Bereiche bieten basenbedürftigen Pflanzen geeignete Wachstumsbedingungen, wie sie im ansonsten kalkarmen Sachsen selten zu finden sind. Dies betrifft insbesondere das landesweit einzigartige Kalkflachmoor (nördlich des Kalkwerks).

Gimmlitz im Winter

Zwischen der ehemaligen Schmutzler- und der Weicheltmühle durchschneidet die Gimmlitz den ein- bis eineinhalb Kilometer breiten Granitporphyrzug, der sich von Litvínov über den Wieselstein/Loučná (den höchsten Berg des Ost-Erzgebirges) bis nach Reichstädt erstreckt. Südlich der Gimmlitz wird dieser Granitporphyrrücken vom Töpferwald (mit Kannelberg und Kuhhübel), nördlich vom Kreuzwald eingenommen – überwiegend fichtendominierte Forsten.

Anschließend fließt die Gimmlitz durch Grauen Biotitgneis, immer wieder gequert von schmalen Quarzporphyrgängen des Sayda-Berggießhübler Gangschwarmes.  In die Gneispakete eingelagert sind die Erzgänge, die bei Reichenau Silber- und Kupferbergbau ermöglicht haben.

An der ehemaligen Rathsmühle durchstößt der Bach abermals einen Granitporphyrzug, der viel schmaler als der erste ist, weiter nördlich dann aber die Burg Frauenstein trägt.

Insgesamt beträgt die Länge der Gimmlitz ca. 25 km, und immerhin 15 km von der Quelle bis zum Beginn der Talsperre. Dieser gesamte Oberlauf wurde nunmehr, 2015, ins Naturschutzgebiet integriert.  Das schmale, zwischen Wilder Weißeritz und Bobritzsch einerseits und Freiberg Mulde andererseits eingeklemmte Einzugsgebiet der Gimmlitz umfasst 53 km2 (zum Vergleich: Wilde Weißeritz 163 km2). Bis auf den Mäusebach, auch als Kleine Gimmlitz bezeichnet, fließen ihr nur kurze Nebenbäche zu.

Die Gimmlitz ist ein sehr naturnaher, weitgehend unverbauter Mittelgebirgsbach, der mäanderreich die überwiegend relativ breite Aue des Kerbsohlentales durchfließt – bis er in knapp 500 Metern Höhenlage in die Trinkwassertalsperre Lichtenberg mündet.  Durch die Kalkvorkommen im Oberlauf ist das klare Wasser bicarbonatreich – und deshalb, im Gegensatz zu allen anderen Osterzgebirgsbächen, weniger von Versauerung betroffen.

Vegetation

Mücken-Händelwurz

Von landesweit herausragender Bedeutung sind die abwechslungsreichen Grünlandgesellschaften des neuen Naturschutzgebietes. Viele Bergwiesen präsentieren sich hier noch besonders artenreich. Neben der “Grundausstattung” – Bärwurz, Wald-Storchschnabel, Alantdistel, Weicher Pippau, Wiesen-Knöterich und Hohe Schlüsselblume – können auch basenbedürftige Arten gedeihen, u.a. die Orchideen Stattliches Knabenkraut, Mücken-Händelwurz und Großes Zweiblatt. Magere Hangbereiche zeigen Übergänge zu Borstgrasrasen, mit Arnika, Kreuzblümchen und Gefleckter Kuckucksblume.

Eng verzahnt sind die unterschiedlichen Bergwiesen mit Feuchtwiesen, die wiederum in Kleinseggensümpfe übergehen. Hier wachsen u.a. Kleiner Baldrian, Bach-Nelkenwurz, Fieberklee, Sumpf-Dotterblume und Schmalblättriges Wollgras.

Das in Sachsen sehr seltene Breitblättrige Wollgras gedeiht im einzigartigen Kalkflachmoor, dass Ende Mai/Anfang Juni mit seinem Massenbestand an Breitblättriger Kuckucksblume weithin zu erkennen ist. Neben mehreren sehr seltenen Seggen kommen hier auch Fettkraut, Sumpf-Dreizack und Sumpf-Herzblatt vor.

Bachbegleitend und auf brachliegenden Feuchtwiesen sind Staudenfluren entwickelt, u.a. mit Kohl-Kratzdistel, Rauhaarigem Kälberkropf, Mädesüß, Sumpf-Pippau, Bach-Greiskraut, Weißer und Roter Pestwurz.

“Gimmlitztal-Mutation” des Roten Fingerhuts (Foto: Knauthe)

Ausgesprochen artenarm zeigen sich hingegen die meisten Fichtenforsten. Wo genügend Licht zum Boden dringt, wachsen Drahtschmiele, Wolliges Reitgras, Fuchs-Kreuzkraut, Harz-Labkraut, Wald-Sauerklee und Breitblättriger Dornfarn. Lichte Stellen an Waldrändern hat der Rote Fingerhut erobert – eine Art, die sich erst mit der Kahlschlags-Forstwirtschaft in Sachsen ausgebreiten konnte. An einer Stelle gibt es eine großblütige Mutation des Roten Fingerhuts.

Tierwelt

Das saubere, basische Wasser der Gimmlitz ermöglicht die Existenz einer besonders artenreichen Gewässerfauna. Unter den hier nachgewiesenen Wasser- und Schwimmkäfern, Wasserwanzen, Eintags-, Schlamm-, Stein- und Köcherfliegen sind auch etliche Rote-Liste-Arten.  Mit Bachforelle, Bachneunauge, Groppe, Elritze, Schmerle und Gründling gibt es nahezu die gesamte Palette an Fischarten, die in einem Erzgebirgsbach vorkommen können.

Am Gewässer kann man regelmäßig Wasseramsel, Gebirgsstelze, Bachstelze, Zaunkönig und Graureiher beobachten. Auch der in der Gegend mit ein bis zwei Paaren brütende Schwarzstorch geht am Bach und auf den Auenwiesen auf Nahrungsfang. Der Fischotter patrolliert, zumindest im Winter, ebenfalls entlang des Baches.

Zu den charakteristischen Vögeln der gehölzreichen Wiesenaue gehören Feldschwirl, Weidenmeise, Wiesen- und Baumpieper. An Eulen sind Sperlings-, Raufuß- und Waldkauz sowie Waldohreule, an Greifvögeln Habicht, Sperber und Mäusebussard vertreten.

Zu den Amphibien zählen Feuersalamander, Bergmolch, Erdkröte und Grasfrosch, an Reptilien sind Blindschleiche, Ringelnatter, Kreuzotter und Waldeidechse anzutreffen.

Dank der auf vielen Wiesen erst im Sommer erfolgenden Mahd, gibt es auch viele verschiedene Tagfalter und andere Schmetterlinge im Gimmlitztal, unter anderem Violetten Waldbläuling und Lilagoldfalter.

Naturerlebnismöglichkeiten:

Bis auf die ersten eineinhalb Kilometer (zwischen Quelle und Kalkwerk) ist das gesamte Gimmlitztal durch einen sehr beliebten Wanderweg erschlossen. Dieser ist überwiegend als Forstweg ausgebaut, so dass auch viele Radfahrer diese Trasse nutzen.  Zwischen Weichelt- und Illingmühle gibt es zusätzlich einen weniger stark frequentierten Pfad auf der anderen Talseite. Oft besuchtes Ausflugsziel ist die Weicheltmühle (Gaststätte mit Technischem Denkmal). Vom “Knochen” genannten Felsen bietet sich ein schöner Überblick über das obere Gimmlitztal.

Mitglieder des Gimmlitztalvereins bei der ehrenamtlichen Arbeit

Dem Engagement des Gimmlitztalvereins sind zahlreiche Initiativen zu verdanken, die Natur des Gebiets besonders erlebbar zu machen. Entlang des Tales entwickelt sich ein Naturerlebnispfad, mitsamt “Grünem” und “Silbernem Klassenzimmer”. Es werden auch Vorträge, Führungen und andere Veranstaltungen angeboten.  Genutzt wird die Naturerlebnis-Infrastruktur unter anderem von der Jugendherberge Frauenstein.

Als problematisch erweist sich die Erreichbarkeit des Naturschutzgebiets mit Öffentlichen Verkehrsmitteln. Am Wochenende gibt es lediglich nach Frauenstein einige Linienbusse.  Wanderfreudige Besucher können auch vom Bahnhof Holzhau über den Kannelberg ins Gimmlitztal gelangen.

weitere naturkundlich interessante Ziele in der Umgebung:

 

 

 

 

 

 

 

Adressen:

Landratsamt Sächsische Schweiz – Osterzgebirge, Referat Naturschutz (Untere Naturschutzbehörde) Weißeritzstraße 7, 01744 Dippoldiswalde; Tel. 03501 515-3430; bernard.hachmoeller@landratsamt-pirna.de

Förder- und Naturverein Oberes Gimmlitztal e.V.: Gimmlitztal 103a, 01762 Hartmannsdorf-Reichenau; 03212-1481329; www.gimmlitztalverein.de

Kulturverein Frauenstein e.V.:  H.-J. Güttler, Hospitalgasse 17, 09623 Frauenstein; 037326-84098

Schutzgebietsverordnung: 

Verordnung des Landratsamtes Mittelsachsen zur Festsetzung des  Naturschutzgebietes ,,Gimmlitztal” vom 20. März 2015

Literatur:

Ernst, Werner (2007): Frauenstein und Gimmlitztal; in: Naturführer Ost-Erzgebirge, Band 3: Naturkundliche Wanderziele, Hrsg: Grüne Liga Osterzgebirge

Förder- und Naturverein Oberes Gimmlitztal (Hrsg. 2010): Das Obere Gimmlitztal – ein Wanderführer durch Geschichte und Geschichten des Tales

Kreibich, Matthias (2013): Beitrag zur Bergbaugeschichte von Frauenstein – Reichenau; Broschüre

Rölke, Peter (Hrsg., 2007): Wander- und Naturführer Osterzgebirge

SMUL (2009): Naturschutzgebiete in Sachsen, S. 580

www.osterzgebirge.org/gebiete/8_4.html

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