Natur im Osterzgebirge

Schwartenberggebiet

Text: Werner Ernst, Kleinbobritzsch; Christian Zänker, Freiberg (mit Ergänzungen von Rolf Steffens, Dresden; Dirk Wendel, Tharandt; Jens Weber, Bärenstein und Volker Geyer, Holzhau)
Fotos: Gerold Pöhler, Tilo Schindler, Dirk Wendel, Christian Zänker

 

Landschaft

Weihnachtsland – Spielzeugwinkel – Zentrum erzgebirgischer Holzhandwerkskunst. Wie nur wenige andere Orte prägt Seiffen die Vorstellungen vom Erzgebirge. Von weit her kommen die zahlreichen Reisebusse, die in der Adventszeit über kurvenreiche Bergstraßen den Kurort zwischen Schwarten- und Ahornberg ansteuern. Dann herrscht Hochkonjunktur in den Drechsler- und Schnitzerwerkstätten – und unvorstellbares Gedränge an den erleuchteten Schaufenstern der kleinen Ortschaft. Aber eigentlich ist hier das ganze Jahr Weihnachten. Nussknacker und Räuchermännchen, Pyramiden und Schwibbögen, Weihnachtsengel und Reifenfiguren sind die wichtigsten Reiseandenken der Region. Nicht wenige Gäste glauben, nach einem Besuch Seiffens das Erzgebirge zu kennen.

Dabei hat die Landschaft zwischen Flöha und Schweinitz einen ziemlich eigenständigen Charakter. Die Natur ist reizvoll, interessant und vielgestaltig, unterscheidet sich aber doch in einiger Hinsicht von den benachbarten Gebieten.

Beim Blick auf die Landkarte fällt sofort auf, dass die Fließrichtung der Flöha nicht der anderer Erzgebirgsbäche entspricht. Anstatt der Abdachung der Pultscholle in Richtung Norden oder Nordwesten zu folgen, hat sich der Bergbach hier ein tiefes Tal nach Südwesten in die Landschaft geschnitten. Erst bei Oberneuschönberg schwenkt die Flöha mit einem scharfen Knick in die Olbernhauer Talweitung ein und hält sich von da ab an die Richtungsvorgabe der Erzgebirgs-Nordabdachung. Die Landkarte zeigt darüberhinaus, dass auch der Grenzbach Schweinitz in seinem Oberlauf nach Südwesten fließt. Und ebenso korrigiert hier ein scharfer Knick (bei Deutschneudorf) diese Abweichung vom üblichen Verhalten der Erzgebirgsbäche. Eine alte geotektonische Störungszone trennt in diesem Gebiet das Ost- vom Mittleren Erzgebirge und hat die Fließrichtung von Flöha und Schweinitz vorgeprägt.

Schweinitztal bei Katharinaberg

Möglicherweise durchströmte schon vor der Hebung des heutigen Gebirges ein Fluss, den man als Vorläufer der heutigen oberen Flöha betrachten könnte, die Neuhausener Senke in Längsrichtung. Die untere Flöha folgt dagegen jener tektonisch angelegten Zone, zu der auch die ein bis zwei Kilometer breite und acht Kilometer lange Talweitung zwischen Grünthal bei Olbernhau und Blumenau gehört. Der Fluss schuf aus diesem tektonischen Graben im Laufe der Zeit eine auch landschaftlich auffällige Mulde. Flöhaabwärts reicht diese Zone bis zur gleichnamigen Stadt, gebirgswärts lässt sie sich über das untere Schweinitztal und in geradliniger Verlängerung über den (heutigen) Gebirgskamm hinweg (Nová Ves v Horách/Gebirgsneudorf – mit 720 m üNN die tiefste Kammeinsattelung des Erzgebirges!) bis ins böhmische Vorland verfolgen. Die Fließrichtungen von Haupt- und Nebenflüssen stehen deshalb hier meist mehr oder weniger rechtwinklig aufeinander (SW – NO und NW – SO).

Talsperre Rauschenbach

Wo die aus zahlreichen Quellmulden und Hochmooren zwischen Nové Mesto/Neustadt und Fleyh-Talsperre (Flájska vodní nadrz) gespeiste Flöha deutsches Territorium erreicht, staut seit 1967 die Rauschenbachtalsperre ihr Wasser zwecks Trinkwasserbereitstellung. Das Umfeld der Talsperre, vor allen Dingen das südlich angrenzende Waldgebiet, gehört zu den naturkundlich reizvollsten Wandergebieten des Ost-Erzgebirges. Mehrere sehr naturnahe Bachtäler (Dürrer Fluss, Rauschenfluss, Schwarzer Fluss) gliedern die ausgedehnten Buchenwälder. Die von Felsrippen durchragten Steilhänge blieben von Rodungen und Besiedlungen unberührt. Zwischen Rauschenfluss und Schwarzem Fluss erhebt sich der Kohlberg, mit 837 Metern der höchste Berg des Landkreises Freiberg. Weil er ebenfalls bewaldet ist, bietet sich von hier allerdings keine Aussicht.

Rauschenflusstal

Einen ganz anderen Charakter hat demgegenüber der südlich angrenzende Kammbereich mit Hochmooren und wenig markanten Kuppen, die sich über 800 m üNN erheben. An einer Stelle greift hier der ansonsten fast überall auf tschechischer Seite verlaufende Erzgebirgskamm auf sächsisches Territorium über (Teichhübel, 818 m üNN und Dachshöhe, 834 m üNN – seit einigen Jahren als Kluge-Hübel bezeichnet). In dieser Gegend ist auch die Quelle der Schweinitz zu finden, nämlich im Hochmoorgebiet des Cerný rybnik/Schwarzen Teiches jenseits der Grenze.

Am Westrand des Waldgebietes fließt der Frauenbach zur Flöha bei Neuhausen. Hier war der Wald einst viel weiter in Richtung Kammgebiet zurückgedrängt worden, doch später wurden die Flächen wieder mit Fichten aufgeforstet.

Erzgebirgskamm am Teichhübel

Wer sich von Norden her der Region nähert, der muss schon weit vor dem Erzgebirgskamm Höhen um die 700 Meter erklimmen. Nach dem alten „Amt Sayda“ wurde der südwestliche Teil des Ost-Erzgebirges früher auch als „Saydaer Bergland“ bezeichnet. Als nördliche Begrenzung kann die Bergkette Saidenberg – Voigtsdorfer Höhe – Saydaer Höhe – Kreuztanne gelten, zumal dort die Wasserscheide zwischen Freiberger Mulde und Flöha verläuft.

Tief hinab geht es dann zur Flöha, vorbei an der alten Burg Purschenstein. Das Tal liegt beim Bahnhof Neuhausen nur 535 Meter über dem Meeresspiegel (und damit über 300 m tiefer als die 15 bis 20 Kilometer östlich gelegenen Quellgebiete des Flusses). Wegen der umliegenden Berge zeichnet sich der in einem Talkessel gelegene Ort Neuhausen durch eine relativ geschützte Lage aus. Ganz anders sieht das Umfeld der Flöha oberhalb (nordöstlich) und unterhalb (südwestlich) von Neuhausen aus, das durch typische Kerbsohlentäler mit relativ schmalen, ebenfalls weitgehend ebenen Auenwiesen geprägt wird.

Purschenstein im Flöhatal

Südlich von Neuhausen thront der weithin auffällige, 789 Meter hohe Kegel des Schwartenbergs. Seine gleichmäßig aufragende Gestalt könnte vermuten lassen, dass es sich um eine der Basaltkuppen des Erzgebirges handelte, doch besteht der Schwartenberg aus Rotgneis. Allein die Erosion der ihn umgebenden Bäche hat die markante Form hervorgebracht. Gneisberge, die von allen Richtungen her ansteigen, sind wahrlich nicht häufig. Das massige Bauwerk der Schwartenbergbaude trägt zum unverwechselbaren, landschaftsprägenden Aussehen des Mittelpunktes der Schwartenbergregion bei.

Basalt am Ahornberg

Tatsächlich einen „Kern“ aus Basalt besitzt der zweite auffällige Berg der Gegend, der bewaldete, 823 Meter hohe Ahornberg, genau drei Kilometer südlich des Schwartenberges. Zwischen beiden liegt eingebettet der frühere Bergbau- und heutige Spielzeugmacherort Seiffen mitsamt seinen Ortsteilen Heidelberg, Steinhübel und Oberseiffenbach. Nicht regelmäßig aufgereiht wie in den Waldhufendörfern des Erzgebirges liegen hier die Häuser, sondern weit verstreut in der hügeligen Landschaft. Mit Höhenlagen um 700 Meter gehört das Gebiet bereits zum oberen Ost-Erzgebirge. Die Besiedelung erfolgte hier einst von Bergleuten, die am Seiffenbach ihr Glück suchte; landwirtschaftliche Nutzung war eher unvermeidliche Notwendigkeit und nicht das Ziel planvoller kolonisatorischer Bemühungen. Wegen der rauen Klimabedingungen wird heute ein Großteil der Seiffener Fluren von Grünland beherrscht, an einigen (leider nicht mehr vielen) Stellen auch mit schönen, artenreichen Bergwiesen. Meist handelt es sich dabei um Hanglagen, die nördlich von Seiffen nach Süden und deshalb stark der Sonne ausgesetzt, im Süden des Gebietes hingegen überwiegend nach Norden ausgerichtet sind.

Blick auf Seiffen von Ahornberg

Der Seiffenbach entspringt östlich des Ahornberges, bekommt künstlichen Zustrom über den Heidegraben aus den Mooren von Deutscheinsiedel, nimmt dann noch einige kleinere Bächlein auf und stürzt unterhalb von Seiffen in einem steilen, engen Kerbtal (Naturschutzgebiet „Hirschberg und Seiffener Grund“) zur Schweinitz. Diese wiederum hat hier bereits fünfzehn Kilometer mäanderreichen Laufes in sehr interessanter Landschaft hinter sich, vorbei am alten Einsiedler Pass, den kleinen Grenzsiedlungen Deutscheinsiedel, Brüderwiese, Deutschneudorf, Deutschkatherinenberg, Oberlochmühle sowie der historischen Bergstadt Hora Svaté Kateriny/Katharinaberg. Die Schweinitz/Svídnický potok bildet auf ihrem gesamten Weg die Landesgrenze. Dabei vollzieht die Grenze auch den rechtwinkligen Knick des Baches bei Deutschneudorf mit, der deshalb auf jeder Landkarte als „Seiffener Winkel“ sofort ins Auge fällt. Bei Oberneuschönberg mündet die Schweinitz in die Flöha.

Die Geologische Karte verspricht zunächst wenig Spektakuläres im Gebiet zwischen Flöha und Schweinitz: von wenigen Ausnahmen abgesehen beherrschen Gneise das Bild. Doch eine etwas genauere Beschäftigung mit der Materie offenbart interessante Erkenntnisse zur Entstehung der reizvollen Landschaft und deren abwechslungsreicher Geschichte.

Gneiskuppe auf dem Schwartenberggipfel

Herrschen im Ost-Erzgebirge allgemein Graugneise vor, so sind hier in stärkerem Maße Rotgneise an der Zusammensetzung des Untergrundes beteiligt. Dabei kann man die Saydaer und die Katharinaberger Gneiskuppel unterscheiden. Zwischen Neuhausen und Bienenmühle sind aus Grauwacken entstandene Graugneise aus der Erdfrühzeit verbreitet (Preßnitzer Gruppe, früher hier auch Marienberger Gneise genannt). Es folgen im Bogen von Dorfchemnitz über Sayda und Olbernhau bis Seiffen: Muskovit-Zweiglimmer-Plattengneise (früher „Rote Tafelgneise“), die lokal auch Serpentinit-Vorkommen einschließen. Nur im Winkel der Schweinitz zwischen Deutscheinsiedel und Deutsch-Katharinenberg ist der typische, aus Graniten hervorgegangene „Rote Gneis“ (= Metagranit, Orthogneis)“, der sich weiter bis zum Erzgebirgsfuß erstreckt, anzutreffen. Diesem groben „Granitgneis“ ist seine Herkunft schon so sicher anzusehen, dass er noch im 19. Jahrhundert als „echter“ Granit in die geologischen Karten einging. Jüngere Gesteine sind selten, wie die Ablagerungen aus der Steinkohlenzeit und dem Rotliegend bei Brandov/Brandau und Olbernhau sowie der tertiäre Basalt am Ahornberg bei Seiffen. Eiszeitliche Ablagerungen, nämlich Gehängeschutt und -lehm (vor allem in der Talwanne von Olbernhau) und als jüngste Bildung (Holozän) der Hochmoor-Torf bei Deutscheinsiedel beschließen die Gesteinsabfolge.

Im Bereich des Flöhatals liegt eine sehr alte, tektonisch mobile Zone, die Ost- und Mittelerzgebirge voneinander trennt. Früher glaubte man, dass es sich um eine tiefe Einmuldung („Flöha-Synklinale“) handelt, die lokal in einen Graben übergeht, da bei Olbernhau noch heute Sedimentgesteine aus dem Karbon und Perm vorhanden sind. Heute spricht man eher von einer Störungszone mit vertikalen Bewegungstendenzen. Da in der Erdgeschichte solche Bereiche häufig reaktiviert werden, spielte die „Flöha-Zone“ wahrscheinlich auch bei der Erzgebirgshebung wieder eine Rolle. Vor allem auf die Oberflächengestaltung hatten diese Erdkrustenbewegungen entscheidenden Einfluss, besonders auch auf die Anlage und Ausgestaltung des Flussnetzes.

Hinzu kommt noch ein zweiter Fakt: Das während der Steinkohlenzeit empor gewölbte Erzgebirge war nicht nur eine einfache Großfalte des variszischen Gebirges, sondern auch noch in sich gefaltet. In den kleineren und größeren Senken sammelte sich der Abtragungsschutt der Gebirgsketten mitsamt den Torfmassen, aus denen später Steinkohle entstand. So erstreckte sich z.B. eine Mulde von Brandov/Brandau in Richtung Holzhau – Schönfeld – Altenberg. Später wurden alle diese Ablagerungen abgetragen, und nur dort haben sie sich erhalten, wo es zu Krusteneinbrüchen kam.

Pinge in Seiffen

Im Seiffener Gneis konzentrieren sich mehrere Zinnerzgänge. Die Verwitterung löste über lange Zeiträume Erzminerale aus dem Gestein. Wasser trug diese mit sich davon, lagerte die glitzernden Körner aber wegen des hohen spezifischen Gewichtes schon bald wieder ab. An bestimmten Stellen reicherte sich das Erz im Bachsediment an. Schon recht frühzeitig (1324: „czum Syffen“) begannen Erzwäscher, Körnchen von Zinnmineralen („Zinngraupen“) aus dem Auensand und -kies des Seiffengrundes zu gewinnen. Das Verfahren der relativ einfachen und anfangs sehr lohnenden Gewinnung dieser Vorkommen wird allgemein als „Seifen“ bezeichnet, woraus letztlich der Name der Siedlung resultierte. Obwohl die Bachsedimente längst alle durchsiebt waren, arbeiteten noch bis 1695 hier die Zinnseifner.

Um 1480 hatte man im Einzugsbereich des Baches das primäre, erzreiche Gestein entdeckt. Dieses nimmt unter den Lagerstätten des Erzgebirges eine gewisse Sonderstellung ein. Der Zinnstein (Kassiterit) ist z.T. in der pneumatolytischen (gasförmigen) Phase (500 bis 400º C), mehr aber noch in der hydrothermalen Phase in Erzgängen angereichert worden. Im Zentrum der Lagerstätte befindet sich eine stockförmige Gneis-Quarz-Brekzienzone (Zwitterstockwerk), im Umfeld Zinnerzgänge. Wichtigstes Erz ist Zinnkies, ein sekundäres Umwandlungsprodukt aus einer sulfidischen Kupfer-Eisen-Zinn-Verbindung, entstanden durch Oxidation nahe der Erdoberfläche. Manche zinnsteinführende Gänge besitzen einen relativ hohen Anteil an Kupfererzen (Kupferkies, Kupferglanz, Fahlerz) mit geringem Silbergehalt. Auch Zinkblende und Bleiglanz, Arsenkies und Hämatit, Quarz und Fluorit kommen vor. Zwei Bingen in der Ortslage von Seiffen legen heute eindrucksvolles Zeugnis ab von der langen Bergbaugeschichte, die hier bis ins 18. Jahrhundert relativ erfolgreich war.

Örtlich erreichten auch kleinere, nur für relativ begrenzte Zeit abbauwürdige Erzgänge (vor allem Zinn und Kupfer) mit Quarz und anderen Nebengesteinen die Erdoberfläche. Das gilt etwa für das Gebiet um Deutschkatharinenberg (gegenüber liegt die böhmische Bergstadt Hora Svaté Kateriny/Katharinaberg) sowie den Mortelgrund bei Sayda. Dort wurden vor allem Kupfererze gefördert. Eisenbergbau spielte bei Heidersdorf eine nicht unbedeutende Rolle.

Bereits in der Frühzeit der Besiedlung. d.h. ab dem 12. Jahrhundert, erreichte die Herstellung von Glas eine große wirtschaftliche Bedeutung. Während andernorts die Glashütten mit ihrem riesigen Holzbedarf der zunehmenden Konkurrenz des Bergbaus weichen mussten, wurde in Heidelbach am Schwartenberg bis ins 19. Jahrhundert, über mehr als 350 Jahre, Glas produziert. Einen interessanten Überblick über das erst in den letzten Jahren wieder intensiver erforschte Gewerbe der Glasherstellung bekommt man im Glasmachermuseum Neuhausen. Die künstlerisch wertvollen Glasgegenstände waren unter anderem beim sächsischen Königshaus in Dresden sehr begehrt. Das frühzeitige Ende dieses Gewerbes ist hauptsächlich auf das Aufblühen der benachbarten böhmischen Glaskunst und den zunehmenden Mangel an Brennholz zurückzuführen, welches durch die Flößerei in immer stärkerem Maße für den Bergbau und die Erzverhüttung abtransportiert wurde.

Literaturtipp:

Kirsche, Albrecht: Zisterzienser, Glasmacher und Drechsler

Glashütten im Erzgebirge und Vogtland und ihr Einfluss auf die Seiffener Holzkunst; Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 27

Waxmann-Verlag 2005

ISBN 3-8309-1544-6

Durch die guten Bedingungen für die Errichtung von Wasserkraftanlagen entstanden sowohl an der Flöha als auch an den ihr zufließenden Bächen bereits frühzeitig zahlreiche Mühlen. Mit ihnen wurde Getreide gemahlen, Öl gestampft und Holz geschnitten. Die größte Bedeutung hatte die Mortelmühle nordwestlich von Neuhausen. An der Mündung des Frauenbaches in die Flöha arbeitete im 18. Jh. zeitweilig anstelle einer früheren Ölmühle ein Eisenhammerwerk.

In der Geschichte des Schwartenberg-Gebietes haben seit der Besiedlung (ab dem 13. Jahrhundert) immer wieder die Beziehungen zu Böhmen eine Rolle gespielt, ja selbst die territoriale Zugehörigkeit wechselte eine Zeit lang zwischen den wettinischen und den böhmischen Besitzungen. Als Grenzland war es immer auch Durchgangsland, und viele alte, z.T. historisch bedeutsame Wege und Straßen zeugen noch heute davon.

Da bereits vor der planmäßigen Besiedlung eine der „Alten Salzstraßen“ – von Halle/Leipzig über Oederan bis nach Prag – durch das hier beschriebene Gebiet führte, kam es vermutlich schon im 13. Jahrhundert zum Bau der Burg (später Schloss) Purschenstein.

Schloss Purschenstein im 19. Jahrhundert (aus: Gebauer, H., Bilder aus dem Sächsischen Berglande, 1882)

Im Zuge der von böhmischen Grundherren bis über den Erzgebirgskamm hinweg und bis über Sayda hinaus betriebenen Besiedlung entstanden im 14. Jahrhundert eine ganze Reihe von Dörfern, zu denen unter anderem Gebirgsneudorf gehörte. Die Gründungsurkunde („Handfeste“) datiert von 1564, aber der vorher „Rottendorf“ genannte Ort ist älter, wurde während der Hussitenkriege zerstört und später eben als „neues Dorf“ wieder aufgebaut. (Der tschechische Name „Nová Ves“ erscheint schon 1585!). Dies ist die zweite Besiedlungsphase, die nach den Aktivitäten der Hrabischitzer (Hrabišicové, die historisch etwa seit 1035 bis 1528 wirkten) die geschichtlichen Abläufe dieses Landstrichs seit Gründung der Riesenburg (Rýzmburk, Obrí hrad, 1230/40) und der Burg Purschenstein (1289 „castrum“) wesentlich mitgestaltet haben. Westlich des Einsiedler Passes waren es im 16. Jahrhundert die Herren von der Weitmühl (Veitmíle), die auch die Gründungsurkunden von Gebirgsneudorf und von Einsiedl ausfertigten, und später (1583 – 1948, mit nur geringen Unterbrechungen) gehörten die Ländereien dem Adelsgeschlecht derer von Lobkowitz (Lobkowicz).

Etwa 3 km nordöstlich davon erstreckt sich die Grenzgemeinde Mníšek/(Böhmisch-) Einsiedl, deren „Handfeste“ von 1562 stammt; die Ansiedlung ist aber älter. Hier befand sich schon früh (wie in Sayda) eine Zollstation, neben der das Dorf entstand. 1441 entstand auch rechts der Schweinitz eine kleine Ansiedlung, die sich erst nach dem 30jährigen Krieg durch den Zuzug von Exulanten stärker entwickelte. Auch an vielen anderen grenznahen Orten fanden die von der Gegenreformation aus dem nun habsburgischen Böhmen vertriebenen Glaubensflüchtlinge eine neue Heimat.

Grenzwege

Die Deutscheinsiedler Dorfstraße ist Teil jenes uralten Handelsweges, der höchstwahrscheinlich von dem jüdischen Reisenden Ibrahim Ibn Jacub im Jahre 965 (nach anderen Quellen 971 oder 973) benutzt wurde. In einer Urkunde von 1185 wird der Weg „antiqua Bohemiae semita“ genannt. Der Fund eines Tontopfes aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Jahre 1977 östlich von Deutscheinsiedel spricht ebenfalls für das Vorhandensein eines alten Weges von überregionaler Bedeutung zwischen Mitteldeutschland (Halle) und Innerböhmen (Prag), der in unserer Gegend über Sayda – Purschenstein und den Erzgebirgskamm und weiter über Krížatky/Kreuzweg – Janov/Johnsdorf – Kopisti/Kopitz – Most/Brüx führte. Er ging – wie viele andere Straßen dieses Namens – als „Salzstraße“ in Landkarten und die Literatur ein. Auch um Neuhausen sind einige Hohlwege als Reste dieses auch als „Alter böhmischer Steig“ bekannten Weges erhalten.

Außer diesen größeren, bedeutenden Wegen, die größtenteils früher oder später zu Straßen ausgebaut wurden, gibt es im Grenzgebiet des östlichen Schwartenberggebietes noch eine ganze Reihe von weiteren Wegeverbindungen. Nach der totalen Grenzschließung 1945 konnten sie nicht mehr benutzt werden und sind deshalb heute kaum noch bekannt. Dazu gehören z.B. (von Ost nach West):

· der „Mönchssteig“ von Cämmerswalde über Deutsch-Georgenthal (früher Haasenbrücke), am Bradácov vorbei und über Dlouhá Louka/Langewiese nach Osek/Ossegg;

· der „Brücher Weg“ von Neuwernsdorf ziemlich geradlinig über den Kamm hinweg nach Horní Lom/Oberbruch am Gebirgsfuß,

· die „Göhrener Straße“ von Neuwernsdorf nach Klíny/Göhren,

· der „Riesenberger Weg“ von Cämmerswalde (bzw. „Neuhäuser Weg“/Neuhauská cesta) von Purschenstein über Dlouhá Louka zur Riesenburg;

· der „Göhrenweg“ von Deutscheinsiedel nach Klíny/Göhren. Hier hatte bereits 1355 eine Kapelle existiert, die dem Hl. Wenzel geweiht war (St. Wenzelsberg/Hora Sv. Václava).

Alle diese Wege verlaufen steil aus dem Flöhatal herauf, dann „gesammelt“ über die flache Kammregion hinweg und wiederum steil – unter Bildung von Hohlwegen – den Südabhang hinunter, wo die unzähligen Hohlwegabschnitte beweisen, dass die Wegführung hier wieder sehr variabel war. Am fast durchgehend bewaldeten Südabhang haben sich viele Hohlwege sehr gut erhalten. Sie führten bevorzugt an den Talhängen entlang, weniger auf den Bergrücken (wegen der Steilheit) oder gar in den Tälern (wegen der Hochwassergefahr). Manche dieser schluchtartigen engen Täler wären auch kaum begehbar gewesen.

Die Bergeinsamkeit, die seit der Schließung der Grenze eingezogen war, sicherte ruhebedürftigen Tierarten in der Gegend letzte Refugien. Anderswo lassen ihnen immer mehr Straßen, intensive Land- und Forstwirtschaft, vor allem aber auch die zunehmende Freizeitnutzung der Landschaft keine Überlebenschancen. Mit der neuen Freiheit, die der an sich sehr begrüßenswerte Wegfall der Grenzkontrollen mit sich bringt, geht daher auch eine große Verantwortung einher. Birkhuhn und Bekassine sollten nicht zu Verlierern der europäischen Einigung werden!

Grenzgebiet an der Dachshöhe (Blick zum höchsten Berg des Ost-Erzgebirges, dem Wieselstein/Loucná)

Nachdem sich die Region allmählich von den Zerstörungen des 30-jährigen Krieges erholt hatte, erlebte der Seiffener Zinnbergbau noch einmal eine Blütephase. Diese hielt bis Anfang des 18. Jahrhunderts an, dann verebbte allmählich der Bergsegen. Um 1855 endete die lange und wechselvolle Bergbaugeschichte Seiffens. Die Bevölkerung musste sich deshalb um andere Erwerbsquellen bemühen. Die wegen des Bergbaus bereits in großer Zahl vorhandenen Anlagen zur Wasserkraftnutzung ermöglichten die Entwicklung eines Gewerbes, das fortan das Schwartenberggebiet in einem Maße zu prägte wie keine andere Region des Erzgebirges: das Drechselhandwerk.

Holzdrechseln wurde wahrscheinlich schon im 17. Jahrhundert praktiziert. Auf Schubkarren transportierte man die Erzeugnisse zur Messe nach Leipzig. Ab etwa 1750 stieg die Nachfrage nach gedrechselten Spielwaren. Dies erkannte der Seiffener Händler Christian Friedrich Hiemann und setzte sich fortan intensiv für deren Vermarktung ein. Bereits 1784 wurden solche Produkte nach Übersee exportiert. Die Zahl der Holzdrechsler und Spielwarenhersteller nahm in den nachfolgenden Jahrzehnten immer mehr zu. 1868 waren von den damals 1438 Seiffener Einwohnern 937 (einschließlich Frauen und Kinder) mit der Spielzeug- und Holzwarenherstellung beschäftigt, im heute eingemeindeten Heidelberg lag deren Anteil sogar noch höher. Zu den Gründen der hohen Produktionsraten der spezialisierten Unternehmen (überwiegend kleine Familienbetriebe) gehörten allerdings auch die sehr geringen Einkommen der Beschäftigten. Noch lange war hier Kinderarbeit selbstverständlich.

Die 1895 fertig gestellte Eisenbahnlinie von Chemnitz nach Neuhausen brachte der Gewerbeentwicklung einen weiteren bedeutenden Aufschwung. Der erleichterte Antransport von Brennstoffen und Schnittholz und die verbesserte Abfuhr der Fertigwaren trugen dazu bei, dass kleine Handwerksbetriebe im Flöhatal zu Fabriken anwuchsen. Säge- und Drehwerke gingen zum Sitzmöbelbau über.

Bis heute spielt die Herstellung von Spielwaren und kunstgewerblichen Erzeugnissen aus Holz die herausragende Rolle in der Wirtschaft des „Seiffener Spielzeugwinkels“.

(Landwirtschaft) Zur Ernährung der Bewohner wurden insbesondere die geschützten Hanglagen rund um die Siedlungen gerodet und vor allem ackerbaulich genutzt. Trotz der relativ guten Gneis-Verwitterungsböden waren auf den teilweise über 700 m hoch gelegenen Flächen die landwirtschaftlichen Erträge sehr begrenzt. Kartoffeln und Leinöl, das durch den Anbau von Flachs mit gewonnen wurde, zählen seit 200 Jahren zu den Hauptnahrungsmitteln der Menschen. Viele Lebensmittel, vor allem Obst und Gemüse, mussten aus anderen Gebieten eingeführt werden und waren deshalb für viele nur selten bezahlbar. Für die heutigen Landwirte lohnt sich der aufwendige und vergleichsweise wenig ertragreiche Feldfruchtanbau nur auf einem kleinen Teil der Flächen, es herrschen daher Grünland und Viehzucht vor. Einige der recht hoch gelegenen Felder wurde im 19. Jahrhundert wieder in Wald umgewandelt. Das gilt sowohl für Flächen um Seiffen wie auch für die Höhen zwischen Sayda und Neuhausen.

Anders verhält es sich in den klimatisch günstigeren Gebieten beidseits der Flöha. Da die Böden (hauptsächlich Braunerden), die sich auf den weniger geneigten Flächen entwickelt haben, relativ fruchtbar sind, wird hier bis heute auch Feldbau betrieben. Die Hangbereiche nördlich von Neuhausen werden zum großen Teil als Acker bewirtschaftet, die nordexponierten Hanglagen im Süden dagegen vorrangig als Grünland.

Nährstoffreich sind besonders die Auenböden von Flöha und des bei Neuhausen einmündenden Frauenbaches. Ein großer Teil der noch unverbauten flussnahen Flächen Neuhausens werden deshalb auch heute noch auf traditionelle Weise als Talwiesen genutzt. Große und artenreiche Auenwiesen gibt es nordöstlich von Neuhausen.

Große Bedeutung für das Gebiet hat seit jeher die Forstwirtschaft. Bereits in der Frühzeit der Besiedlung wurden gewaltige Mengen an Holz für die Gewinnung von Pottasche zur Seifensiederei und Glaserzeugung gewonnen. Später erfolgte der Holzeinschlag vorwiegend zur Deckung des Bau- und Brennholzbedarfes und zum Abtransport von Holz vor allem nach Olbernhau und in das Freiberger Bergbaugebiet mittels Flößerei. Köhlerei war weit verbreitet („Kohlberg“!). Auch für die Entwicklung der Spielwarenherstellung stellte die Verfügbarkeit des Rohstoffes Holz eine wichtige Voraussetzung dar.

Einen schweren Schlag versetzte der Region das Absterben der Fichtenforsten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Über den Einsiedler Pass erreichten die schwefeldioxidreichen Luftschadstoffe, die bei der Verstromung der nordböhmischen Braunkohle entstanden, als erstes auch deutsches Gebiet. Als Ersatz wurden auf den abgeholzten Flächen dann „rauchtolerante“ Bäume, v.a. Stechfichten, gepflanzt. Da die Wuchsleistung dieser Blaufichtenbestände heute die Förster nicht zufrieden stellt, lässt die Forstverwaltung die damaligen Pflanzungen mittlerweile reihenweise schreddern und stattdessen wieder einheimische Baumarten – vor allem Gewöhnliche Fichten – pflanzen. Die Schadstoffbelastungen der Erzgebirgsluft betragen heute nur noch einen Bruchteil der früheren Werte. Die Wiederherstellung der Fichtenforsten scheint Erfolg versprechend. Darüber hinaus werden aber auch Anstrengungen zum „ökologischen Waldumbau“ unternommen, also Laubbäume im Schutze noch vorhandener Fichtenbestände eingebracht.

Das Sterben der Fichtenforsten

(Volker Beer, Jens Weber)

Vor etwas mehr als 50 Jahren, im strengen Winter 1956, bemerkten die Förster im Deutscheinsiedler Raum erstmals eigenartige braune Verfärbungen an Fichtennadeln.

Im Nordböhmischen Becken wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr Braunkohle gefördert und in einer zunehmenden Zahl von Kraftwerken verfeuert. Dabei entwich den hohen Schornsteinen nicht nur Kohlendioxid, dessen Wirkungen auf das Weltklima heute als sehr kritisch erkannt sind. Die Braunkohle enthält außer Kohlenstoffverbindungen auch viele andere Bestandteile – unter anderem solche mit Schwefel. Gerade in den nordböhmischen Lagerstätten ist dessen Anteil ziemlich hoch. Bei der Verbrennung entsteht u.a. Schwefeldioxid (SO2) – neben vielen weiteren Umweltgiften.

Solche SO2-reichen Abgase schwappten in immer größeren Mengen über den Erzgebirgskamm. Besonders große Konzentrationen traten dabei auf den Gebirgspässen auf. Der Schwerpunkt der Waldschäden lag im Deutscheinsiedler Raum, denn bei Südwind-Wetterlagen ergossen sich die Schadstoffe über den Einsiedler Pass. Ab Ende der 1970er Jahre fielen dann überall am Kamm des Ost-Erzgebirges die Fichtenforsten dem Waldsterben zum Opfer.

Auf dem Weg vom Kraftwerksschlot („Emittent“) zum Wald („Senke“) kann das Schwefeldioxid durch Wasseraufnahme zu schwefliger Säure, bzw. durch Wasseraufnahme nach vorangegangener Oxidation zu Schwefelsäure reagieren. Diese Säuren erreichen dann mit den Niederschlägen das Erzgebirge und schädigen die Pflanzen einerseits durch Bodenversauerung über das Wurzelsystem, andererseits über die direkte Aufnahme durch die Nadeln und Blätter. Besonders viel Säure enthielt damals der so genannte „Böhmische Nebel“. Dessen Luftmassen haben meist längere Zeit über den Chemiefabriken und Kraftwerken des Nordböhmischen Beckens verweilt, bevor sie von Südwinden gegen das Erzgebirge gedrückt und zum Aufsteigen gezwungen werden – wobei der enthaltene Wasserdampf zum „Böhmischen Nebel“ kondensiert. Diese sauren Niederschläge wurden von den Fichtenzweigen „ausgekämmt“ und somit in hoher Dosis aufgenommen.

Die Schadstoffaufnahme erfolgt größtenteils über die Stomata (Spaltöffnungen). Wenn diese bei geringem Stoffwechsel geschlossen sind, müsste die Vergiftungsgefahr der Bäume gering sein. Trotzdem traten die schlimmsten Schäden im Winter auf. Zum einen waren im Winterhalbjahr, wenn die Kraft- und Heizwerke auf Hochtouren liefen, die Luftbelastungen am höchsten. Zum anderen jedoch lähmt das Schwefeldioxid den Schließmechanismus der Stomata. Nicht selten waren die Schadstoffkonzentrationen so hoch, dass die Säuren auch das äußere Gewebe – eigentlich die Schutzschicht der Nadeln – verätzten („Nekrose“).

Etwas abgepuffert wurden die Säuren durch basische Stäube, die ebenfalls bei der Kohleverbrennung anfielen. Als sich die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen durch die wachsende Empörung der Bevölkerung über die „qualmenden Essen“ unter Druck gesetzt fühlten, ergriffen sie in den 1980er Jahren Maßnahmen, diesen Ruß und Staub zurückzuhalten. Das war mit relativ einfacher und preiswerter Filtertechnik möglich. Ohne die kalziumreichen Stäube jedoch wurden die Niederschläge noch saurer. Das Schwefeldioxid am Verlassen des Kraftwerksschlotes zu hindern, erwies sich als wesentlich aufwendiger. Noch teurer ist dies übrigens beim zweiten gefährlichen Säurebildner, den Stickoxiden. Es dauerte bis Ende der 1990er Jahre, bis in Nordböhmen technische Maßnahmen zur „Entschwefelung“ und „Entstickung“ wirksam wurden.

Die Luft ist seither wieder viel sauberer im Ost-Erzgebirge. Vorbei sind die Zeiten, als man das Schwefeldioxid im Böhmischen Nebel riechen konnte. Dennoch wirken sich die Säureeinträge auch heute noch aus – und werden dies wohl auch noch längere Zeit tun. Denn die Schadstoffe sind in den Böden gespeichert.

Säureeintrag verändert die Bodenbeschaffenheit, die Mikroflora und auch die Ausbildung von Mykorrhiza („Pilzwurzel“, Symbiose von Pflanzenwurzel und Pilzhyphe) an den Feinwurzeln. Wird die Mykorrhizabildung verhindert, zeigen die Pflanzen schwere Schäden. Mit dem verringerten pH-Wert (= erhöhten Säuregehalt) des Bodens verändert sich die Verfügbarkeit von wichtigen Nährelementen(v.a. Magnesium, Kalzium). Mangelerscheinungen sind die Folge. Auch werden pflanzenschädliche („phytotoxische“) Stoffe wie Aluminiumionen gelöst, die dann über die Wurzeln aufgenommen werden.

Mit Giften belastete und mangelernährte Bäume sind krank. Sie haben keine Abwehrkräfte gegen Borkenkäfer und andere „Forstschädlinge“. Anstatt Buchdrucker und Kupferstecher (die zwei wichtigsten Borkenkäferarten) wieder herauszuharzen, waren die Fichten den Eindringlingen schutzlos ausgeliefert. Anfang der 1980er Jahre kam es unter den Fichtenrinden zur Massenvermehrung der winzigen Käfer und infolgedessen zum Absterben von mehreren zehntausend Hektar Erzgebirgswald.

Selbst die Fachleute sind verblüfft, wie rasch sich die überlebenden Fichten inzwischen erholt haben. Der Brotbaum der Erzgebirgsförster hat sich wiedermal als robust und zäh erwiesen. Dennoch sollte die schlimme Zeit des Waldsterbens nicht in Vergessenheit geraten. Denn die Symptome der neuen Gefahren – die „Neuartigen Waldschäden“ – sind inzwischen unübersehbar. Ihre Ursachen liegen zu allererst bei den Schadstoffen, die aus Fahrzeugabgasen entweichen. Als vor 50 Jahren das Schwefeldioxid die ersten Fichtennadeln braun färbte, konnte sich auch keiner vorstellen, wie rasch sich daraus eine Katastrophe entwickeln würde.

Winter am Kohlberg

Pflanzen und Tiere

Die abwechslungsreiche Landschaft zwischen Flöha und Schweinitz beherbergt eine breite Palette erzgebirgstypischer Biotope.

Buchenwald am Stangenberg bei Neuhausen

Naturnahe Buchenwälder von beträchtlicher Flächenausdehnung kann man in den Tälern von Rauschenfluss und Schwarzem Fluss, südlich der Rauschenbachtalsperre, durchwandern. Ähnliche Laubwälder wachsen außerdem im Naturschutzgebiet Hirschberg-Seiffener Grund sowie am Ahornberg. Bei allen handelt es sich vorrangig um bodensaure Hainsimsen-Buchenwälder mit eher spärlicher und artenarmer Bodenvegetation: Draht-Schmiele, Heidelbeere, Wolliges Reitgras, Purpur-Hasenlattich, Quirlblättrige Weißwurz, Frauenfarn, Breitblättriger Dornfarn. Anspruchsvollere Arten, beispielsweise Zwiebel-Zahnwurz, Goldnessel und Wald-Bingelkraut hingegen sind selten zu finden. Größeren Artenreichtum weisen gewässernahe oder sickerfeuchte Waldbestände auf, unter anderem mit Hohlem Lerchensporn, Mittlerem Hexenkraut, Einbeere, Waldmeister und Winkel-Segge. Mit einem höheren Anteil an Ahorn und Esche in der Baumschicht vermitteln solche Bestände zu Eschen-Quellwäldern einerseits und Ahorn-Eschen-Schatthangwäldern andererseits. Besonders naturnah und artenreich ist der Schatthangwald östlich des Schlosses Purschenstein in Neuhausen. Berg- und Spitz-Ahorn, Rot-Buche, Esche und Berg-Ulme bilden hier eine bunt gemischte Baumschicht, darunter wächst außerdem eine üppige Strauchschicht.

Schatthangwald am Purschenstein

Die bachnahen Bereiche von Flöha und Schweinitz können als potentielle Standorte natürlichen Auwaldes angesehen werden. Wo diese nicht von Siedlungen (z.B. Niederseiffenbach, Dittersbach, Neuhausen) eingenommen oder als Grünland genutzt werden, können sich Schwarz-Erlen, Bruch-Weiden und andere Feuchte vertragenden Baumarten entwickeln. Größtenteils beschränkt sich dies aber auf einen Saum am Bachufer. In diesen schmalen Gehölzstreifen gedeihen in der Krautschicht zahlreiche Vertreter einer natürlichen Auwaldgesellschaft. Besonders häufig sind Hain-Sternmiere, Gewöhnliche Pestwurz, Große Brennnessel, Giersch, Nachtviole, Großes Mädesüß und Zittergras-Segge. Die zuletzt genannte Pflanze wurde früher von der einheimischen Möbelindustrie als Polstermaterial verwendet.

Als Besonderheiten können der Alpen-Milchlattich (großes Vorkommen im Flöhatal unterhalb von Neuhausen), das Deutsche Greiskraut (Senecio germanicus – eine früh blühende, nur in höheren Berglagen vorkommende Unterart des Fuchschen Greiskrautes), die Weiße Pestwurz und kleine Vorkommen des geschützten Knöterichblättrigen Laichkrautes genannt werden.

Die meisten Waldgebiete sind heute vorrangig mit aufgeforsteten Fichten bestockt. Wie fast überall sind solche Flächen durch eine vergleichsweise artenarme Strauch- und Bodenschicht gekennzeichnet. In den nicht übermäßig stark beschatteten Forstgebieten kommen neben einzelnen Sträuchern (vor allem Roter Holunder) Drahtschmiele, Wolliges Reitgras, Wald-Reitgras, Harz-Labkraut, Purpur-Hasenlattich, Fuchssches Greiskraut und verschiedene Farne (insbesondere Gewöhnlicher Wurmfarn, Breitblättriger Dornfarn und Wald-Frauenfarn) vor. Verschiedene Moose wie Einseitswendiges Kleingabelzahnmoos, Schwanenhals-Sternmoos, Gewelltes Plattmoos, Zypressen-Schlafmoos und verschiedene Kegelmoosarten komplettieren das Waldbild.

Lärchen als Ersatz für Fichten am Kohlberg

Neben der Gewöhnlichen Fichte wurden in den 1970-er und 1980-er Jahren an vielen Stellen des Gebietes auch die als rauchgastolerant geltenden Baumarten Blau- oder Stechfichte, Serbische Fichte, Japanische Lärche und Murray-Kiefer ausgebracht.

Moor-Birken im Einsiedler Moorgebiet

Das Dreieck zwischen Deutscheinsiedel, Bad Einsiedel und Brandhübel beherbergte einstmals einen großen, mehr oder weniger zusammenhängenden Komplex von Hochmooren mit Fichten-Moorwäldern, Latschenkieferbeständen und offenen Moorzonen. Nach Jahrhunderten der Entwässerung (auch der Seiffener Bergbau benötigte viel Wasser!), der Torfgewinnung sowie den verheerenden Auswirkungen des Waldsterbens im 20. Jahrhundert sind davon nur noch wenige Reste erhalten geblieben – diese zu schützen ist deshalb umso wichtiger. Neben einigen (wenigen) Moorkiefern und einem der letzten Fichten-Moorwaldreste des oberen Ost-Erzgebirges findet man heute noch verschiedene Torfmoose, Schmalblättriges und Scheidiges Wollgras, Rauschbeere und einige andere Hochmoorarten. Die meisten Bereiche sind allerdings bereits „verheidet“. Im Frühling geben die frischgrünen Blaubeersträucher einen sehr schönen Kontrast zu den weißen Stämmen der Birken, im Herbst hingegen fällt das Goldgelb des Pfeifengrases auf. Die Birken gehen zu einem großen Teil auf so genannte Birken-Schneesaat zurück. In den 1980er Jahren, als hier fast alle Fichten abstarben, versuchten die Förster durch Aussäen von Birkensamen (im Winter) einen neuen, standortgemäßen (Vor-)Wald zu schaffen. Das Verfahren erwies sich durchaus als erfolgreich zum Erhalt eines Waldökosystems, auch wenn die daraus hervorgegangenen Bestände heute keine Holzerträge versprechen.

Berg- und Nasswiesen bei Seiffen

Die meisten Landwirtschaftsflächen werden seit langer Zeit vorrangig als Grünland bewirtschaftet. Auf den traditionell durch Mahd genutzten Flächen wie am Goldhübel nordöstlich von Neuhausen, im oberen Frauenbachtal, an den Hängen des Schwartenberges, bei Oberseiffenbach sowie in den Rodungsinseln entlang der Schweinitz (z.B. Oberlochmühle, Brüderwiese) gibt es viele artenreiche Bergwiesen, die örtlich in Nasswiesen übergehen. Hier finden wir Arten der Feucht-, Frisch- und der Bergwiesen oft in enger Verzahnung. Unter anderem sind hier Wiesen-Knöterich, Verschiedenblättrige Distel, Weicher Pippau, Kleiner Klappertopf, Berg-Platterbse, Wiesen-Platterbse, Bärwurz, Echtes Mädesüß, Wiesen-Margerite und Gräser wie Goldhafer, Wolliges Honiggras und Gewöhnliches Ruchgras zu finden. Im Rahmen einer Bergwiesenerfassung wurden 44 Hektar kartiert, von denen reichlich 17 Hektar die Kriterien eines „Besonders geschützten Biotops“ (nach §26 des Sächsischen Naturschutzgesetzes) erfüllen. Dies ist ziemlich viel und unterstreicht die Verantwortung der Region zur Bewahrung dieses wertvollen Erbes.

feuchte Bergwiese mit Wiesen-Knöterich bei Oberseiffenbach

Auf einigen Talwiesen zwischen Neuhausen und Rauschenbach sind neben großen Beständen an Allerwelts-Grünlandarten (Gewöhnlicher Löwenzahn, Scharfer Hahnenfuß, Herbst-Löwenzahn, Rasen-Schmiele) an vielen Stellen auch Gewöhnlicher Frauenmantel, Vielblütige Hainsimse, Wald-Storchschnabel und Kuckucks-Lichtnelke zu finden. In Bachnähe und auf sumpfigen Stellen treten verschiedene Seggen (u.a. Wiesen-, Grau-, Hirse-, Schlank-, Schnabel- und Stern-Segge), Flatter-Binse und Spitzblütige Binse, Rohr-Glanzgras, Wald-Simse, Bach-Nelkenwurz und Flutender Schwaden auf. Der größte Teil dieses Gebietes wird gemäht oder mäßig („extensiv“) beweidet.

Seit einigen Jahren tritt im Gebiet auch der Fischotter wieder auf. Unter anderem wurde er an der Rauschenbachtalsperre und an ihren Zuflussbächen gesehen. Hinter Schornstein- und Giebelverschalungen der Bergsiedlungen hat die Nordfledermaus ihre Wochenstuben, deren Nachweis und Erforschung wir den erzgebirgischen Fledermauskundlern zu verdanken haben.

In der Flöha leben u.a. Bachneunauge, Bachforelle und Westgroppe.

Im Gesamtgebiet sind im Rahmen aktueller Kartierungen über 30 Tagfalterarten nachgewiesen worden. Unter diesen ist der Hochmoorbläuling in Hochmooren bei Deutscheinsiedel hervorzuheben. Den Hochmoorgelbling jedoch kann man nur noch in den Mooren auf der tschechischen Seite antreffen.

Waldschadensfolgelandschaft – Ersatzlebensraum seltener Tiere

Das Gebiet ist vor allem auch in ornithologischer Hinsicht bedeutsam. Mit dem Absterben der „Einsiedler Wälder“ (infolge der Waldschäden durch die Abgase der nordböhmischen Kraftwerke und Chemiefabriken) in den vergangenen Jahrzehnten entstanden große Waldblößen, die spezialisierten Vogelarten als Lebensraum besonders zusagen. Das betrifft in erster Linie das Birkhuhn, das auf der hiesigen Kammhochfläche eines der letzten drei aktuellen Vorkommen im Erzgebirge besitzt. Auch Feldschwirl, Bekassine und Wiesenpieper kommen hier vor. Aufgelichtete, strukturreiche Fichtenwälder beherbergen außerdem Raufußkauz, Sperlingskauz, Waldschnepfe, seltener auch Nachtschwalbe, Wendehals und Raubwürger.

Ergänzend bieten die in der Nähe gelegenen, ausgedehnten höhlenreichen Altbuchenbestände wieder anderen Vögeln Lebens- und Brutmöglichkeiten. Hier kommen u.a. Waldlaubsänger, Sumpfmeisen, Hohltauben, Schwarz- und Grauspechte, vereinzelt auch Zwergschnäpper und Schwarzstorch vor. An den Bächen können Gebirgsstelzen und, mit etwas Glück, Wasseramseln beobachtet werden.

Der Nachweis von 108 Brut- und Zugvogelarten im Waldgebiet zwischen Deutscheinsiedel und Flöhatal war Anlass, hier ein „Europäisches Vogelschutzgebiet“ zu schaffen (1.337 ha), das in das europaweite Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ integriert ist. Teile des beschriebenen Waldgebietes und einige andere in der weiteren Umgebung gehören zum FFH-Gebiet „Buchenwälder und Moorwald bei Neuhausen und Olbernhau“.

Naturkundliche Wanderziele im Gebiet

Seiffen gehört zu den bekanntesten Urlaubsorten des Erzgebirges. Besonders oft werden das Spielzeugmuseum, das auch die gesamte Entwicklung des Ortes ausführlich darstellt, die Schauwerkstätten und die als Weihnachtsdekoration möglicherweise bereits millionenfach nachgebildete Barockkirche aufgesucht. In dieser 1676 – 79 nach dem Vorbild der Dresdener Frauenkirche errichteten Kirche, zu deren Sehenswürdigkeiten auch der 1670 in der nahen Glashütte Heidelbach gefertigte Glasleuchter gehört, finden alljährlich in der Adventszeit viele Konzerte statt. Ebenfalls großer Beliebtheit erfreut sich das Freilichtmuseum im Ortsteil Heidelberg mit 14 aus dem Gebiet stammenden und hier wieder errichteten historischen Gebäuden.

Die Einsiedler Wälder sind auch im Winter interessant.

 

 

Quellen:

Frenzel, H. (1930): Entwicklungsgeschichte der sächsischen Moore und Wälder seit der letzten Eiszeit. Abhandlungen des Sächsischen Geologischen Landesamtes, Heft 9

Hempel, W., Schiemenz, H. (1986): Handbuch der Naturschutzgebiete der Deutschen Demokratischen Republik (Band 5); Urania-Verlag

Ihle, G. (2002): Ein Beitrag zur Vogelfauna des oberen Flöhatales; Beiträge zum Naturschutz im Mittleren Erzgebirgskreis, Heft 2 des Naturschutzbundes Deutschland, Kreisverband Mittleres Erzgebirge, 2002

Kolbe U. u.a. (1990): Oberes Flöhatal in Geologie, Flora, Fauna und Naturschutz,; Museum der Stadt Olbernhau und Museum Kalkwerk Lengefeld

Lehmann, Edgar u.a. (1985): Um Olbernhau und Seiffen; Werte der Deutschen Heimat, Band 43

Lohse, H.; Geyer, D.: Waldglashütten im Osterzgebirge (Broschüre zum Glasmachersteig Osterzgebirge; Herausgeber: “ Förderung sozialer Projekte e. V. Altenberg)

Schindler, T. u.a. (2005): FFH-Managementplan SCI DE 5345-301 „Buchenwälder und Moorwald bei Neuhausen und Olbernhau“. (Mskr.).

Historischer Bergbausteig Seiffen (Prospekt der Tourismusinformation Seiffen)

Wandern & Rad bei den Bergleuten und Spielzeugmachern (Prospekt des Tourismusvereins Kurort Seiffen e. V.)

www.alte-salzstrasse.de
Bergmännleinpfad
www.deutschneudorf.net
www.fortuna-erbstollen.de
www.seiffen.de
www.spielzeugmuseum-seiffen.de