Alte Bäume = Lebensräume
Ein Rückblick auf das Baumprojekt – 2021 bis 2023
Nach einer ersten Erfassung besonders alter, markanter oder sonstig wertvoller Baumexemplare in weiten Bereichen des Naturraumes Ost-Erzgebirge konzentrierte die Grüne Liga Osterzgebirge ihre Aktivitäten auf die Gewinnung von ehrenamtlichen Baumdenkmalpaten für möglichst viele der ausgewählten Bäume (während sich die Projektpartner von der TU Dresden sich vorrangig weitergehenden wissenschaftlichen Untersuchungen widmeten – siehe unten).
Bis zum offiziellen Projektende im Sommer 2023 konnten 23 Baumpaten (9 Frauen, 14 Männer) gewonnen werden, die sich um 94 Bäume kümmern. Ein Jahr später sind die Zahlen auf nahezu Baumpaten und ca. 120 Bäume angewachsen – und der Prozess ist noch in vollem Gange. Mit einer derart positiven Resonanz war zu Projektbeginn nicht zu rechnen gewesen!
Entsprechend hoch sind dabei aber auch die Erwartungen dieses entstehenden Baumdenkmalpaten-Netzwerks an die Projektkoordinatoren – mithin die organisatorischen Herausforderungen für die Grüne Liga Osterzgebirge. Innerhalb der „Nachhaltig-aus-der-Krise“-Projektphase fanden vier Treffen mit den Baumdenkmalpaten statt, bei denen es zunehmend auch um fachliche Weiterbildung ging. Nach Projektende, im Herbst 2023, organisierte die Grüne Liga Osterzgebirge auch noch einen Workshop zum Thema Baumpflege.
Außerdem sorgten zahlreiche naturkundliche Wanderungen, zwei Fotoausstellungen, öffentliche Vorträge, Pressearbeit, gezielte Gespräche mit Akteuren in der Region sowie Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen für allgemeine Bekanntheit des Baumdenkmalpatenprogramms. Damit konnte ein wichtiger Grundstein für die langfristige Verstetigung der Aktivitäten des Netzwerks Baumdenkmalpaten gelegt werden.
Wichtigstes Ergebnis der ersten Projektphase im Internet ist das öffentlich einsehbare Baumdenkmalkataster unter
Wissenschaftliche Bilanz
Dr. Sebastian Dittrich, TU Dresden
Von Herbst 2021 bis Juni 2023 wurden im Naturraum Ost-Erzgebirge zahlreiche alte, große und in anderer Weise besondere Bäume systematisch erfasst. Mithilfe eines standardisierten Erfassungsbogens erfolgte die Bewertung ihres Zustands und ihrer ästhetisch-kulturellen Qualität. Zudem wurde bei einem großen Teil auch das Habitatpotenzial (Mikrohabitate: Höhlen, Totäste u.a.) untersucht, sowie der Bewuchs mit Moosen und Flechten. 51 Bäume wurde mithilfe des terrestrischen Laserscannings erfasst – auf Basis des Holzvolumens kann so die Menge des gebundenen Kohlenstoffs abgeschätzt werden. 20 ausgewählte Bäume und Baumgruppen untersuchte das Naturschutzinstitut Freiberg hinsichtlich der Wirbeltierfauna (Vögel, Fledermäuse), ein Baum wurde von Dr. Jörg Lorenz (Löthain) auf holzbewohnende Insekten untersucht.
Gemäß den Erfassungsbögen, die Punkte nach Erhaltungszustand, ästhetischen Merkmalen wie auch Alter und Größe vergeben, sind drei Bäume besonders hoch bewertet: Die Lärche am Schlosspark Pfaffroda (270 Jahre alt) (Abb. 1), die Schmorsdorfer Linde (um 800 Jahre) sowie die Körner-Eiche in Dippoldiswalde (210 Jahre). Zu diesen „Prominenten“ und weiteren, über 150 besonders wertvollen Bäumen wurden auch historische Daten zu ihrer Lebensgeschichte ermittelt.
Hinsichtlich des Habitatpotenzials gibt es große Unterschiede zwischen den Baumarten, hier finden sich die meisten Mikrohabitat-Typen bei Esskastanien, Kultur-Äpfeln und Linden. Das Habitatpotenzial wurde durch die faunistischen Untersuchungen teilweise eindrucksvoll bestätigt, etwa Beobachtungen von höhlenbrütenden Vögeln, manche erst im Gefolge von Spechten. Nachweise der Fledermäuse geben immer auch über die Qualität der Umgebung (Biotopvielfalt, Verknüpfung großen Waldgebieten) Auskunft. Hier zeigten sich an einer Esche in Mohorn-Grund neun verschiedene Arten – ein Baum an einer regelrechten Fledermaus-Autobahn!
Besonders spannend waren die Ergebnisse der Käfer-Erfassung an der alten Ess-Kastanie im Forstgarten Tharandt mit 103 Holzkäfer-Arten, darunter auch sehr seltenen Arten. Hier zeigt sich, dass selbst „Urwald-Reliktarten“ die an besonders alte Bäume und starkes Totholz gebunden sind, auch außerhalb von naturnahen Wäldern vorkommen können. Das unterstreicht den enormen Wert, den auch alte Bäume außerhalb der Wälder haben können. Und wichtig es ist, gerade auch solche Bäume zu erhalten.
Die mit Abstand höchste Vielfalt an Moosen und Flechten findet sich hingegen an Eschen, Holz-Äpfeln und Sal-Weiden. Interessant sind auch Ergebnisse zu älteren Bäumen von Rot-Eichen, Douglasien, Colorado-Tannen und Ess-Kastanie, die hinsichtlich Mikrohabitaten und Epiphyten kaum ärmer als einheimische Arten sind. Bemerkenswert sind aber die insgesamt schlechteren Epiphyten- und Mikrohabitat-Werte bei Nadelbäumen. Einzig die Weißtanne mag im höheren Alter – bis zu 600 Jahren wären möglich, keine der untersuchten Tannen dürfte über 250 Jahre alt sein – noch höhere Werte erwarten lassen.