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Müglitztal bei Glashütte

Text: Jens Weber, Bärenstein (mit Hinweisen von Gerhard Hedrich, Thomas Witzke, Stefan Höhnel u.a.)
Fotos: Rolf Biber, Ulrike Brandstädt, Wolfgang Bunnemann, Uwe Knaust, Thomas Lochschmidt, Jens Weber

Landschaft

Tertiär, vor 25 Millionen Jahren. Die Erde ist in Bewegung. Im Süden falten sich die Alpengipfel auf, und auch der eingeebnete Rest des alten Variszischen Gebirges steht unter Spannung. Irgendwann ist die Erdkruste diesem Druck schließlich nicht mehr gewachsen, sie bricht auseinander, die Erzgebirgsscholle beginnt sich schräg zu stellen. Am Nordostrand dieser Scholle wird es eng für die eingequetschten Gesteinspakete. Größere und kleinere Brüche beginnen auch hier, die alte Gneisplatte zu durchziehen. Das von den Kammlagen des neu entstandenen Ost-Erzgebirges abfließende Wasser kann nicht geradewegs bergab fließen, zumal sich ihm hier mehrere harte Quarzporphyrriegel (des "Sayda-Berggießhübler Gangschwarmes") zusätzlich in den Weg stellen. Mit vielen Schlaufen muss sich das entstehende Flüsschen Müglitz den Weg des geringsten Widerstandes suchen. Sich in die Gneishochfläche einzugraben, gelingt noch relativ einfach. Eigentlich sollte das Gewässer dabei - wie in seinem Oberlauf - der Abdachung der Erzgebirgsscholle nach Nordnordwest folgen. Doch einem besonders mächtigen Porphyrzug, aus dem die Erosion den Höhenrücken Gleisenberg - Kalkhöhe - Lerchenberg (bei Schlottwitz) formt, dem muss die Müglitz nach Nordosten ausweichen. Eine kräftige Süd-Nord-Störung in der Erdkruste lässt sie dann noch einmal ihre "normale" Fließrichtung einschlagen und die Talweitung von Schlottwitz ausräumen, bevor dann talabwärts der Elbegraben alles Wasser endgültig in Richtung Nordost zieht.

Pilz-Felsen

So ähnlich entstand der Mittellauf der Müglitz. Was auf der Landkarte wie das Bild einer Treppe erscheint, ist in natura eines der reizvollsten Täler des Erzgebirges. Rauschend durcheilt das Wasser schroffe Kerbtalabschnitte, um sich anschließend in breiteren Auen zu entspannen und einen Teil dieser Energie abzugeben (was allerdings heute durch die Bebauung dieser Talsohlen nicht mehr möglich ist). Steile, felsige Prallhänge einerseits und moderate Gleithänge andererseits; dazu noch mehrere Seitentäler, die kaum weniger interessante Natureindrücke versprechen: Prießnitz, Zechenau und Schlottwitzgrund fließen der Müglitz von links zu, die beiden Kohlbachtäler, Dittersdorfer Bach und Trebnitz von rechts. Der rasche Wechsel von Hangrichtungen und -neigungen bedingt ein ebenso kleinflächiges Neben- und Übereinander verschiedener Mikroklimate und unterschiedlicher Vegetation. Sehr deutlich ist dies beispielsweise im West-Ost-verlaufenden Prießnitztal zu erkennen. In Glashütte wurde schon immer die "Sommerseite" von der "Winterseite" unterschieden.

Die felsigen Steilhänge des Müglitztales zwischen Glashütte und Schlottwitz brachten dem Gebiet während des aufkommenden Fremdenverkehrs den Beinamen "Klein-Tirol" ein. Während der immer wiederkehrenden Hochwasserereignisse (1897, 1927, 1957, 1958, 2002, 20??) führt die Natur den Müglitztalern jedes Mal sehr drastisch vor Augen, dass die Erdgeschichte hier auch heute noch mit voller Kraft in Aktion ist.


Bei Hochwasserereignissen wie 2002 machen Gewässer deutlich, wo sie von Natur aus fließen würden - häufig nicht in den engen Betten, in die sie der Mensch gezwungen hat.

Groß sind die landschaftlichen Kontraste zwischen den lößbeeinflussten Gneishochflächen und dem tief eingeschnittenen Müglitztal. Es wirkt schon etwas überraschend, wenn man beispielsweise von Cunnersdorf aus durch die Ackerfluren Richtung Südosten streift, um dann plötzlich von der Teufelskanzel aus einhundert Meter in die Tiefe schauen zu können. Ähnlich gestaltet sich der Eindruck bei einem Spaziergang von Großröhrsdorf nach Südwesten, wo gleich hinter dem Waldrand die Müglitzhänge abrupt nach unten führen. Vom hiesigen Panoramablick fallen zwei, wie aufgesetzt wirkende Berge auf: Wilisch und Luchberg. Doch "aufgesetzt" waren die Basaltkuppen ursprünglich sicher nicht. Als im Tertiär "die Erde in Bewegung war", drang heiße basische Basaltlava an die Erdoberfläche und erkaltete in einer flachwelligen Gneislandschaft, auf der obenauf noch eine Schicht Sandstein lagerte. Der Gneis bietet seither der Abtragung wesentlich weniger Widerstand als das harte Basaltgestein, und so gab die Erosion Luchberg und Wilisch ihre heutige Gestalt. Der Sandstein, eine rund einhundert Millionen Jahre alte Hinterlassenschaft des Kreidemeeres, war größtenteils gleich zu Beginn der Schrägstellung der Erzgebirgsscholle vom abfließenden Wasser fortgerissen worden - bis auf wenige Reste, die hier im Gebiet z.B. die Reinhardtsgrimmaer Heide bilden.


Was die Talbewohner im August 2002 aus ihren Kellern schaufeln mussten, war vorher fruchtbarer Ackerboden auf den Hochflächen.

Die planmäßige Besiedelung der Hochflächen beiderseits des Müglitztales fand im 12./13. Jahrhundert statt. Die Kolonisten, die sich von den Lokatoren Konrad (Cunnersdorf), Reinhardt (Reinhardtsgrimma) und Dietrich (Dittersdorf) aus ihrer thüringischen oder fränkischen Heimat hierher locken ließen, konnten ganz zufrieden sein. Der Gneisboden ist recht fruchtbar hier, zusätzlich verbessert Lößlehm die Böden. Außerdem machten Menge und Größe der beim Pflügen an die Oberfläche gelangenden Steine bei weitem nicht soviel Arbeit beim Aufschichten der Steinrücken wie etwa über dem Johnsbacher oder Bärensteiner Granitporphyr. Viele Bauern brachten es zu beachtlichem Wohlstand, wie große Dreiseit-Gehöfte zeigen. Luchau trägt heute noch im Volksmund den Beinamen "Butter-Luche" - die Leute hier seien so reich, dass sie sich jeden Tag Butter leisten könnten!


Hochflächen im Nordosten des Erzgebirges

Auch für die intensive Landwirtschaft der letzten vier bis fünf Jahrzehnte war und sind die Ackerfluren zwischen Luchberg und Wilisch lukrativ. Entsprechend großzügig wurden daher die historischen Hufenstreifen zu großen Schlägen zusammengefasst, Steinrücken, Wegraine und sonstige Landschaftsstrukturen beseitigt. Dennoch: vor allem an den Nebenbächen der Lockwitz, die westlich des Luchberges parallel zur Müglitz in Richtung Elbe fließt, prägen heute noch bemerkenswert naturnahe "Bauernbüsche" die Landschaft.

Als die ersten Kolonisatoren die Fluren von Luchau, Cunnersdorf, Dittersdorf und Johnsbach unter ihre Pflüge nahmen, ließen sie das steile Müglitztal unbeachtet. Hier war das Revier von Wölfen und Bären sowie des sagenumwobenen Raubritters Wittig, der in der Felswildnis zwischen Glashütte und Schlottwitz sein "Schloss" gehabt haben soll. Noch keine festen Besitzansprüche lagen auf den Holzvorräten des Tales, und so siedelten sich einige Glasmacher an, die damit ihre Schmelzöfen anheizten und Pottasche aus den Bäumen machten. Doch deren Holzbedarf war so groß, dass sie bald weiterziehen mussten. Gegen die zunehmenden Ansprüche des Erzbergbaus konnten sie sich nicht durchsetzen.


Bergbau prägte über Jahrhunderte die Geschichte von Glashütte.

Mitte des 15. Jahrhunderts war es südlich der Kalkhöhe zu ersten Silberfunden gekommen, und die nächsten 100 Jahre florierte hier ein ergiebiger Bergbau. Doch je tiefer die Stollen und Schächte in den Berg eindrangen, umso mehr ergaben sich Probleme mit eindringendem Grubenwasser und Sauerstoffmangel, die bei der damaligen Technologie kaum noch beherrschbar waren. Außerdem sanken die Erlöse aufgrund der immer schärfer werdenden Konkurrenz aus Übersee (z.B. 1545 Entdeckung des Silberberges bei Potosi/Bolivien), die dem gesamten deutschen Silberbergbau schwer zu schaffen machte. Im Dreißigjährigen Krieg endete der Bergsegen. Bis ins 19. Jahrhundert wurden zwar immer wieder Anstrengungen unternommen, doch der Bergbau konnte die Glashütter Bevölkerung immer weniger ernähren.

Unerlässlich zur Versorgung der verarmten Bürger wurde die auf den meist sehr steilen Feldern außerordentlich schwierige Landwirtschaft. Die Flur war nicht, wie in den umliegenden Waldhufendörfern, in regelmäßige Parzellen eingeteilt, sondern völlig zersplittert. Die Äcker und Wiesen konnte man nur über weite und meist sehr beschwerliche Wege erreichen. Auf vielen solchen isolierten Hangbereichen lohnte auch zu DDR-Zeiten die landwirtschaftliche Intensivierung nicht, sie fielen brach, wurden in Gartenland umgewandelt oder verblieben in privater Wiesennutzung. Zusammenhängende Flächen nördlich der Stadt wurden auch von Schafherden abgehütet. So blieben noch sehr artenreiche Wiesen erhalten, die aber vor allem seit der Wende sehr rasch verbuschten. Diese Vielfalt an Pflanzen und Tieren zu erhalten ist eines der wichtigsten Anliegen des Naturschutzes in der Region. Beginnend mit einer umfassenden Bestandsaufnahme im Rahmen des "Biotopverbundprojektes Glashütte" engagiert sich die Grüne Liga Osterzgebirge besonders im Raum Glashütte bei der Pflege artenreicher Wiesen(-reste). Auch der Förderverein für die Natur des Osterzgebirges ist in der Gegend aktiv.



Gehölze aller Art erobern sich die einstmals rings um Glashütte vorherrschenden Wiesen.

Zu den Persönlichkeiten des Ost-Erzgebirges, die sich in besonderer Weise um Heimatforschung und Naturschutz verdient gemacht haben, gehörte der Glashütter Lehrer Alfred Eichhorn. Zahlreiche Aufsätze in Heimatzeitungen, auch mehrere Beiträge in den "Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz", geben seine aufmerksamen Beobachtungen der Natur sowie der harten Arbeit der Erzgebirgler wider. Die poetische Sprache aus dem frühen 20. Jahrhundert mag heute etwas befremdlich wirken, doch gibt es kaum bessere Beschreibungen zum Alltagsleben der einfachen Menschen. Der folgende (wahrscheinlich bisher unveröffentlichte) Text stammt aus seinem umfangreichen Nachlass und bezieht sich auf die mühevolle Feldarbeit der Glashütter Ackerbürger an den Steilhängen rings um die Uhrenstadt.

Bodenliebe

Alfred Eichhorn, Juli 1919 (gekürzt)

Wenn das Korn in gelben Feldbreiten Halm an Halm den Hang hinan strebt, auf dem Plan noch reichlicher der Segen steht, dann feiert die Bodenliebe Sieg und Auferstehung. Die Erde hat gezeigt, daß sie auch hier Kornfrucht hervorzubringen vermag.

Noch liegen am Nordhang, der "Winterseite", Streifen schmutzigen Schnees. Da ist für den Hangbauern die Zeit zu mühsamer Arbeit gekommen. Mit Dung gefüllt lastet der Tragkorb auf dem Rücken des weit vorgebeugten Körpers. Schweiß rinnt über die Wangen, herzpochend, gliederzitternd rastet er am Kreuzpunkt. Steil führt von hier der Weg zum Feld hinab.

Nicht kann der Hangbauer die Pflugschar in den Boden treiben, denn zu steinig ist seine Scholle. Mit Karst und Hacke steht er nach Feierabend am Steilhang, denn nicht ist's seine Hauptarbeit, das Feld zu bestellen, nicht ernähren könnte dieser Boden seinen Pfleger. Sechs Feierabende hindurch stürzt er Erdhäuflein um Erdhäuflein. Nun erst zieht er die Ackerfurchen in Querriegeln zum absteigenden Rain. Heftige Regengüsse lehrten ihn dieses Vornehmen. Kaum für eine Furche langt der Dünger aus dem Tragekorb, und so währt die ermattende Arbeit des Dungholens für seine Familie die Woche hindurch und mehr noch der Tage. Dann erst kann dem bestellten Kartoffelacker Leben und Nahrung entkeimen. Erst dann kann er dem Brot sein Keimbett bereiten. Wieder muß die Hacke den Pflug ersetzen. Tief schneidet der Zugstrick der Egge in die Schultern, die nur mit Hemd bedeckt sind. Unbeschuht oft, feuerrot Stirn und Wange, triefend die Schläfen, adergeschwellt Arm und Hände langt er am Raine an.

Dann muß er an den Planbauer denken, der mit zwei Zugtieren Dünger und Ackergeräte heraufbringt. Sein Boden hat ihm zu solchem Vieh verholfen. Kraftvoll tieft bei ihm der Pflug die erste Furche in die Brache. Furche reiht sich an Furche, und straff schreitet der Pflüger über die dampfend sich erschließende Krume. Schweiß rinnt auch über seine braungefurchten Wangen, denn übergenug von verwitterten Felsstücken müssen aus dem aufgebrochenen Feld getan werden. Stumme Zeugen solcher Arbeit reihen hier oben auf dem Plane. Urväter warfen den ersten Stein zur Halde, die Geschlechter formten, Urenkel noch weiter türmen werden und den Boden doch nicht entsteinen.

Des Randbauers abgerackertes Roß stemmt sich ins Joch. Mit harter Faust, vorgelegtem Körper und krummem Rücken zwingt er den Pflug ins Erdreich. Schwielig wurden auch die Arme von harter Feldarbeit. Sein Gaul und seine zwei Kühe konnten zum Christfest kein Futter mehr von der eigenen Wiese bekommen, getötet mußte die eine Kuh aus diesem Grunde werden. Ende Mai erst kamen Kartoffeln in die Furchen, und am letzten Neujahrstag hat er gar Schollen gewendet.

Schlimm war's im vierten Kriegsjahr. Der Frühling neigte sich gegen den Sommer. Immer schönere Tage kamen. Drei Wochen hindurch blieb das Himmelsgewölbe verschlossen. Kein Wölkchen zeigte sich mehr am Himmel, der weißglänzend im Sonnenkreis leuchtete, tiefgelb am Abend. So schlossen die Tage. Erstorben waren schon längst die Herzblättchen der jungen Krautpflanzen, weiße Flecken leuchteten im Roggenfeld. Mißfarbigem Stroh glich Planbauers Kleestück. Da endlich, endlich wurde der Himmel grau, und nieder ging ein langer Landregen in den ersten Junitagen.

Sengend kamen auch in diesen Frühjahrsmonaten seit Tagen die Sonnenboten. Stengeldürre Halme mehren sich auf Randbauers Wiese, rostbraun hat die Juniglut auch dem Planbauern ein Wiesenstück gefärbt. Aber die Erntewiesen haben den heißen Strahlen gerade noch zu trotzen vermocht, weil tieferen Grund ihr Wurzellager hatte. Wir wollen die Sensen wetzen, übermorgen geht es an den Schnitt, gebietet der Planbauer. Auch der Ortsrandpächter kam fünf Tage vor Johanni beim Feierabendläuten mit sechs Mähern an seine Hänge. Am Hangweg ansetzend, den Körper weit nach vorn geneigt, holt der erste zum Schwunge aus. In gleicher Linie mit ihm stellen sich in Schwadenweite die anderen auf und beginnen das Sensenschwingen. Mit festem Tritt rücken sie den Hang hinab, der ohne Sense schon schwer zu erklettern ist. Aber am Ende des ungewohnten Ganges liegt hinter dem Schnitter jedesmal eine duftende Grasreihe. Nur Morgen- und Vormittagssonne lernen die Halme hier kennen. Nicht brauchen sie zu ertragen die aussaugenden Strahlen der Mittags- und Nachmittagssonne.

Morgen geht es an den Schnitt, gebietet auch der Randbauer, aber nur sich selbst. Dort beginnt eine einzelne Sense die Heuernte. Zu mageren Schwaden legen sich unter ihrer Schneide die Halme. Schweißgebadet hält er am Heckenrand inne. Randbauers Seele ist auch mit dem wenigsten zufrieden. Im Sensenwetzen geht sein Blick über das windwellende Wintergetreide, das heut in dichten Wolken den Blütenstaub steigen läßt, dem Randbauern genug Lohn. Dann schneiden die gesammelten Armkräfte eine neue Reihe.

Seine Nachbarn, Hangbauer und Planbauer, schauten schon tagelang sehnsüchtig die Wolkenberge am Süd- und Westhimmel an. Nahrung brauchen die jungen Krautpflanzen, die vor einigen Tagen in die Erde kamen. Aber immer der Wind löste die schwarzen Massen auf und jagte sie von dannen. So muß am Abend beim Hangbauer das mühsame Wassertragen beginnen. Aus dem Wassergraben, der von dem Müglitzlauf abzweigt und in einem Stollen den Osthang der Erben durchfließt, schöpfen braune Arme mit Eimern das rote Wasser in die Zuber. Mit zitterndem Körper stemmen die Träger den Hang hinan.

Neunzehn Jahre hindurch hackt der Hangbauer im Frühjahr seine Schollen. Neunzehn Sommer hindurch wandelten die Wasserträger vom Flusse zum Hange hinauf. Den Boden gibt der Hangbauer nimmermehr her! Ein Holzhüttchen mit kleinem Garten darum steht mit im Feld. Wenn schon lange Dämmerung am Hang liegt und über den rechtsseitigen Talhöhen das große Nachtlicht steht, zieht sich des Hangbauers Familie den Feldsteig zum Erbenweg hinauf, um am Nordrand hinabzuschreiten zum Haus. Der anbrechende Tag sieht den Hangbauer auf seinem Boden.

Gerötet ruhen die Kornfelder in der ersten Dämmerung der Mittsommerabende. Schwere Ähren tragen die schlanken Halme. Zur Erde beugen sich die Fruchtstände. Gestern schon ließ der Planbauer die Hand im starren Stroh gleiten. Es ist gelb und reif, bekundet seine Gebärde am schwangeren Ährengewirr. Im selben ersten Zehnt des Mittsommermonats wandelt sich auch beim hinteren Planbauer das Roggenfeld in Garben. Die Planbäuerin rauft Lein. Im vierten Kriegssommer war's, als die Heckenrosen am Wegrande zum ersten Male auf ein blauwellendes Halmenfeld hinab sahen. Gar gut wurde die Erstlingsernte. Einen fetten Magen will der Planbauer wieder haben, drum gab er im heurigen Jahr den Leinpflanzen den fünffachen Nährgrund.

Schwankend fahren nach Wochenfrist hochgetürmte Erntewagen vom Plan hinab ins Städtchen. Hafergarben trocknen in den ersten Tagen des Herbstmonats. Jetzt erst sieht der Randbauer sein Roggenfeld in gelben Schwaden zu Füßen sinken. Die mageren Hände seines Weibes raffen den Erntesegen zu Häuflein und legen ihn zum Trocknen in Reihen. Schon wendet das Donarschwert Planbauers Stoppelacker, da erst zwingt Randbauers Fuchs den garbenbeladenen Leiterwagen am Grenzrain entlang zum Erbenweg hinauf. Am Folgenhange überm Stadttal drüben brachte der Randbauer erst seine Ernte heim, drum kam er hier so spät zum Einfahren.

Oktoberwinde rütteln das Schlehen- und Hagebuttengesträuch an der Steinrücke, da füllen sich auf seinem Acker die Säcke mit Knollen. Herbstnebel spinnen um die Waldhöhe. Auf der Brache des hinteren Planbauers ragt ein erhabener Punkt, von Menschenhänden aus unzählbaren Stücken grauen Gesteins zum Hirtenthron geformt. Diesen Platz bezieht der Hütejunge des hinteren Planbauers, wenn der letzte Kornwagen über den Hochpunkt rollt. Zum Steinsessel hat er die kleineren Platten gelegt, geschichtet die größeren zur Burgmauer. Von diesem Hochsitz schaut er auf seine Pflegebefohlenen. Jedem hat er einen besonderen Namen gegeben. Eifrig und geräuschvoll grasen die bunten Tiere, zuweilen das wuchtige Haupt hebend und wiederkäuend den Wegwanderer anschauend. Über den ganzen Plan kann der Knabe schauen. In grellen auf- und abwärtsspringenden Tönen hallt des Hirten Ruf vom Steinstuhl des Hüters. Wenn er des vorderen Planbauers Herde zum Einzug sich ordnen sieht, dann springt auch aus seiner Kehle kraftvoll der Horeiruf. Löscht der Tag über den Wipfeln aus, so schreitet die Leitkuh heimwärts.

Schwarzblau hängen die Schlehen am Strauch. Die letzte Reihe Rotkrautköpfe brachte der Planbauer am letzten Werktag vom Feld. Novembernebel wallen aus den Talgründen. Schwer senkt sich feuchter Mantel auf den Boden. Ruhe ruht auf dem Plan.

Pflanzen und Tiere

Glashütte liegt in einem besonders artenreichen Übergangsgebiet zwischen Hügel- und Bergland ("kolline" und "montane" Stufe), was sich sowohl in den Wäldern, als auch auf den Wiesen beobachten lässt. Eibe und Hainbuche erreichen hier ihre natürlichen Höhengrenzen. Die nordexponierten Glashütter Hänge und das obere Prießnitztalgebiet würden bereits Fichten-Tannen-Buchenwäldern tragen, wenn nicht der allergrößte Teil davon als Fichten-Reinbestände aufgeforstet wäre. Im Trebnitzgrund und im Gleisenbächeltal befinden sich noch ein paar schöne Buchen- und Fichten-Buchenbestände.

Die wärmebegünstigten Lagen würden von Natur aus Hainsimsen-Traubeneichen-Buchenmischwald tragen, der aber durch jahrhundertelange Niederwaldnutzung und Eichenschälung für die Lohgerberei heute größtenteils in Eichen- oder Eichen-Birkenwälder umgewandelt ist. Vielen Eichen sieht man heute noch an, daß sie aus Stockausschlag hervorgegangen sind: sie haben knollig verdickte Stammfüße, aus denen nicht selten auch zwei oder mehr Stämme herauswachsen. Vor allem Pelz, Hasenleite und Kalkhöhe nördlich von Glashütte sowie der Schlottwitzer Lederberg (Name!) tragen solche Eichenbestände, deren Bodenvegetation mit Draht-Schmiele, Heidelbeere, Maiglöckchen und verschiedenen Habichtskräutern recht arm erscheint. Bemerkenswert ist das - heute sehr vereinzelte - Auftreten von Arnika bei Glashütte und Schlottwitz in lichten Eichenwäldern. Zur Blüte kommen die Arnika-Pflanzen allerdings nur selten. Sehr schöne naturnahe Eichen-Buchenmischwälder findet man vor allem in den Bauernbüschen zwischen Luchau und Cunnersdorf.


blühende Trauben-Eiche

Die ausgehagerten Kuppen und die südexponierten Hänge tragen natürliche Eichenbestände (Färberginster-Traubeneichenwald), an besonders flachgründigen und trockenen Stellen mit Kiefern gemischt, die hier selten größer als zehn Meter werden. Teilweise findet man hier eine bemerkenswerte wärmeliebende Flora, z.B. Schwärzenden Geißklee, Färber-Ginster, Turmkraut und Großblütigen Fingerhut.

Südexponierte Blockhangwälder mit besserer Wasserversorgung bestehen neben Trauben-Eichen auch aus Sommer- und Winter-Linden. Auf den feuchteren Schatthängen wachsen artenreiche Ahorn-Eschen-Schlucht- und Schatthangwälder, insofern sie nicht mit Fichten aufgeforstet wurden. Auffällig sind hier vor allem die Farne (Gewöhnlicher Wurmfarn, Wald-Frauenfarn, in felsigen Bereichen auch Tüpfelfarn). Besonders artenreich ist diese Laubwaldflora im Trebnitzgrund sowie im Großen Kohlbachtal mit Mondviole, Bär-Lauch, Lungenkraut, Hohlem Lerchensporn, Wald-Bingelkraut und Goldnessel.


Wald-Geißbart, häufige und auffällige Pflanze des Müglitztales

Der basenreiche Basalt des Luchberges müsste von Natur aus einen Waldmeister-Buchenwald tragen. Jedoch wachsen heute dort nicht so sehr viele Buchen (abgesehen von den sehr sehenswerten alten Hudebuchen am Waldrand). Stattdessen findet man überwiegend außerordentlich artenreiche Mischwaldbestände mit Trauben- und Stiel-Eiche, Sommer- und Winter-Linde, Berg- und Spitz-Ahorn sowie (vor allem) Eschen. Vermutlich sind die Buchen einst verheizt worden, und nach Aufgabe der Waldweide haben sich zunächst die Licht liebenden Gehölze durchsetzen können.


alte Rot-Buche am Luchberg, unter der früher Ziegen und Schweine weideten.

Die Steinrücken rund um den Luchberg mit ihren Basaltblöcken, aber auch die meisten Steinrücken im Gneisgebiet zeichnen sich durch eine artenreiche Baumschicht aus, die in ihrer Zusammensetzung den Edellaubholzwäldern ähnelt. Wegen ausbleibender Nutzung der Gehölze wölben sich allerdings heute über vielen Steinrücken dichte Kronendächer und verdrängen die lichtbedürftigen Arten. Dazu zählen unter anderem auch Wild-Apfel und Seidelbast. Strauchförmige Steinrücken, wie sie früher wesentlich häufiger vorkamen, gibt es heute noch auf den Glashütter Erben, wo dicht geschlossene Schlehenbestände bisher den Aufwuchs von größeren Bäumen begrenzen konnten.

Botanisch bemerkenswert sind vor allem die Wiesenreste um Glashütte. Diese sind aufgrund ihrer ungünstigen Lage weitgehend von landwirtschaftlicher Intensivierung verschont geblieben sind, mussten aber zum größten Teil Gärten weichen oder verbuschen und verfilzen infolge Nutzungsaufgabe. Die wertvollsten Wiesen konzentrieren sich auf das Gebiet nördlich der Stadt (Sonnenleite, Bremfelder, Alm), die beiden Kohlbachtäler und einen schmalen Streifen rings um den Luchberg. Entsprechend der naturräumlichen Übergangsstellung des Glashütter Raumes handelt es sich um submontane Glatthaferwiesen, in denen auf kühlen Standorten bereits Bergwiesenarten wie Bärwurz oder Alantdistel stark vertreten sein können.


steile Hangwiese im Glashütter Hirtenwiesengrund

Besonders artenreich sind die südexponierten Hangwiesen. Auf nicht allzu stark geneigten Flächen bzw. am Mittelhang größerer Hangwiesen treten dabei neben dem namensgebenden Gras, dem Glatthafer, vor allem folgende Arten in Erscheinung: Rundblättrige Glockenblume, Rauhaariger Löwenzahn, Acker-Witwenblume, Margerite, Körnchen-Steinbrech, Gamander-Ehrenpreis, Knolliger Hahnenfuß und Acker-Hornkraut. Besonders im Mai ergeben sich dabei herrliche, farbenprächtige Blühaspekte, während ab Mitte Juni in trockenen Sommern die Vegetation bei ausbleibender Mahd schnell vergilben kann. An den Unterhängen sammeln sich die von den Flächen abgespülten Nährstoffe, meist behindern auch die angrenzenden Bäume die Sonneneinstrahlung und damit die Verdunstung. Hier sind die Wiesen weniger artenreich, konkurrenzkräftige Gräser und Stauden setzen sich durch, wie Fuchsschwanz, Knaulgras, Sauerampfer, Wiesen-Kerbel und Weiches Honiggras. Die Oberhänge hingegen bieten Lebensraum für "Hungerkünstler" und Wärmezeiger. Die Böden hier sind meist flachgründig, warme Luft aus dem Tal steigt hierher auf und staut sich unter dem Trauf der angrenzenden Gehölze. In den lückigen Rasen aus Rot- und Schaf-Schwingel wachsen Pechnelke, Feld-Thymian, Nickendes Leimkraut, Heide-Nelke, Zittergras, Kriechende Hauhechel, Gewöhnliches Kreuzblümchen und Kleines Habichtskraut. Die meisten solcher zu den Halbtrockenrasen überleitenden Magerwiesenbereiche sind aber bereits verschwunden, da in diesen lückigen Rasen auch Gehölze sehr schnell keimen und aufwachsen können.


Glatthafer - Charaktergras der Hügellandswiesen.

Große Bedeutung haben die Umgebung von Glashütte sowie der Luchberg als sächsischer Vorkommensschwerpunkt des Stattlichen Knabenkrautes sowie als letzte Refugien weiterer, heute sehr seltener Orchideenarten.

Die Wiesen um Glashütte weisen nicht nur eine große Vielfalt an Blütenpflanzen, sondern auch an Insekten und anderen Wirbellosen auf. Schwalbenschwänze legen ihre Eier an Bärwurz, Wilder Möhre und anderen Doldenblütlern ab, Aurorafalter besuchen Kreuzblütler wie das Wiesen-Schaumkraut, Trauermäntel und Admirale laben sich an den reifen Kirschen und Pflaumen der Streuobstwiesen. Bereits ab Mai ertönt auf den sonnigen Wiesenhängen das auffällige Zirpen der Feldgrillen, im Sommer geben dann sechs verschiedene, kleinere Heuschrecken ihr Konzert. Besonders markant hebt sich die Zwitscherschrecke ab, eine dem Großen Heupferd verwandte Art.

Waldeidechsen, etwas seltener auch Zauneidechsen, sonnen sich auf alten Ameisenhügeln oder Steinhaufen, Blindschleichen sind ebenfalls recht häufig. Kreuzottern wurden früher als gefährliche Plage angesehen und erschlagen, wann immer man eine traf. Heute sind sie ganz und gar nicht mehr häufig, auch wenn hier und da (z.B. auf dem Ochsenkopf oder am Kohlsteig) immer mal wieder welche beobachtet werden. Mitunter wird auch eine der noch viel selteneren (und völlig ungefährlichen) Glattnattern für eine Kreuzotter gehalten.

Glashütte und seine Umgebung sind nicht sehr reich an geeigneten Laichgewässern für Amphibien. Im Großen Kohlbachtal, im Zechenaubachtal und im Trebnitzgrund kann man noch, wenn auch immer seltener, bei entsprechend feuchtem Wetter Feuersalamander beobachten.

Die Vogelwelt ist besonders reich in den dornstrauchreichen Verbuschungsstadien aufgelassener Wiesen (Dorngrasmücke, Neuntöter) und auf Streuobstwiesen mit alten, höhlenreichen Bäumen.

In den alten Bergbaustollen kommen verschiedene Fledermausarten vor, von denen einige auch ihre Wochenstuben unter den Dächern nicht mehr oder nur noch wenig genutzter Gebäude beziehen. Überregional bedeutend ist in diesem Zusammenhang das Vorkommen des europaweit geschützten Großen Mausohres auf zwei Dachböden in Glashütte. Einige von ihnen suchen im Winter die alten Bergbaustolln auf, deren Eingänge vom Bergbauverein fledermausgerecht gesichert sind. Weitere Gäste während der kalten Jahreszeit sind unter anderem Braune Langohren, Wasserfledermäuse und sogar die sehr seltene Kleine Hufeisennase.


Großes Mausohr

Bemerkenswert ist auch das gehäufte Vorkommen von Siebenschläfern in alten Schuppen, Datschen etc. Die auffälligsten Spuren aller Wildtiere in Glashütte hinterlassen die in großer Zahl vorkommenden Wildschweine, die in der Landwirtschaft großen Schaden anrichten. Auch die Biotoppflege behindern sie, wenn sie wertvolle Wiesen umbrechen, aber ihre Bedeutung für die Verbreitung von Pflanzensamen und die Schaffung ökologischer Nischen darf dabei nicht vergessen werden. Im Winter 1997 haben Wildschweine den größten Orchideenstandort in Glashütte vollkommen umgewühlt, doch statt des befürchteten Bestandeseinbruches blühten im folgenden Frühjahr an dieser Stelle doppelt so viele Orchideen wie zuvor.

Literatur

DRESSEL, Adolf (1922): Schont und schützt unsere Orchideen! Glashütter Schulbote (Beilage der Müglitztal-Nachrichten

EICHHORN, Alfred (1939): Im Tale der Müglitz; in: Unsere Heimatstadt Glashütte

EICHHORN, Alfred (1956): Glashütte in seiner Landschaft; in: Das war - das ist unser Glashütte

Grüne Liga Osterzgebirge (1999): Biotopverbund Glashütte, unveröffentlichter Projektbericht

HEMPEL, Werner; SCHIEMENZ, Hans (1986): Die Naturschutzgebiete der Bezirke Leipzig, Karl-Marx-Stadt und Dresden; Handbuch der NSG, Band 5

MÜLLER, Gerhard u.a. (1964): Zwischen Müglitz und Weißeritz; Werte der deutschen Heimat, Band 8

RÖLKE, Peter u.a. (2007): Wander- und Naturführer Osterzgebirge; Berg- & Naturverlag Rölke

Schlottwitz 1404-2004, Chronik, Broschüre

Stadtverwaltung Glashütte (Hrsg.) (2006): Glashütte - 1506 bis 2006 - 500 Jahre Stadtgeschichte

WAGNER, Paul u.a. (1923): Wanderbuch für das östliche Erzgebirge - bearbeitet von Dresdner Geographen