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Bremhang - Kalkhöhe - Hirtenwiesen

Ein naturkundlich in fast jeder Beziehung besonders interessanter Landschaftsausschnitt ist das Gebiet nördlich von Glashütte bis zu Pelz und Kalkhöhe, zwei bewaldeten Kuppen des Quarzporphyr-Höhenzuges Gleisenberg - Lerchenberg.

Die Straße nach Dippoldiswalde zieht sich entlang des Wiesenbächels aus dem 150 Höhenmeter unterhalb der Gneishochflächen liegenden Glashütter Prießnitztal. Am Ortsausgang zweigt ein Weg zum "Wittigkreuz" ab - ein altes und mächtiges Sühnekreuz, dem nachgesagt wird, es befände sich an der Stelle, an der Raubritter Wittig erschlagen worden sein soll. Am Waldrand bietet sich eine schöne Aussicht über den Folgenhang hinweg nach Süden bis zum Geisingberg. Die Wiesenfläche unterhalb des Wittigkreuzes zeigt einen größeren Dominanzbestand der Bergwiesen-Charakterart Bärwurz, der in dieser Höhenlage lange Zeit von den fast bracheartigen Bedingungen der nur sporadisch genutzten Wiese profitieren konnte.

Nordöstlich des Wittigkreuzes zieht sich ein Wald namens "Pelz" hinauf zum Quarzporphyrrücken. Trauben-Eichen dominieren, gemischt mit ein paar Birken, Fichten, Kiefern und Ebereschen. Die Rinde junger Eichen wurde früher für die Lohgerberei genutzt. Um ein Pfund trockene Tierhaut "zu tüchtigem Sohlleder in gehörigen Stand zu setzen", waren wenigstens viereinhalb Pfund junger trockener Eichenlohe erforderlich. Ohne Rinde konnten die jungen Eichen nicht weiterleben, also wurde auch das Holz genutzt. Nach dem Abhacken der Stämmchen schoben sich aus dem Wurzelstock neue Triebe.

Auf der Kalkhöhe erreicht der Quarzporphyrgang des Sayda-Berggießhübler Gangschwarmes 500 Meter Höhe, danach fällt das Ost-Erzgebirge zum Elbtal im Nordosten hin ab. Deshalb ist der Ausblick vom nordöstlichen Waldrand der Kalkhöhe sehr interessant. Man erkennt die Gneisscholle mit Cunnersdorf und dem Quellgebiet des Zechenaubaches im Vordergrund. Mitten auf dem Feld steht ein einzelner Baum, bei dem es sich um einen der prächtigsten Wildäpfel des Ost-Erzgebirges handelt. Hinter dem Taleinschnitt der Müglitz, der Schlottwitzer Talweitung, ragt der Lederberg auf. Im Norden wird das Gebiet begrenzt durch die Wendischcarsdorfer Verwerfung, von der man links noch den Ostausläufer des Wilischs erkennt, in den sich die Lockwitz ihr enges Durchbruchstal gegraben hat. Rechts anschließend setzt sich der Höhenrücken zum Lerchenhügel (mit den Windkraftanlagen) hin fort, wo dann die geologische Störung ausläuft. Eine weitere, räumlich aber begrenzte Verwerfung stellt der Finckenfang bei Maxen dar, dessen weiß getünchter Gebäudekomplex links hinter dem Lerchenhügel aufragt, entgegen dem Anschein aber rund 20 Meter niedriger ist. Rechts neben dem Lederberg kann man bei guter Sicht bis ins Elbsandsteingebirge schauen, zu dem auch der Hohe Schneeberg (Snežník) zählt. Ganz rechts sieht man wieder den Sattelberg (Spicák).


Mehrstämmige Eichen erinnern an früheren Niederwaldbetrieb.

Der Waldbestand der Kalkhöhe trägt einen von Natur aus sehr armen Birken-Traubeneichenwald mit Draht-Schmiele und Heidelbeere in der Bodenflora. Von dem einst hier vorgekommenen Wacholder ist nichts mehr zu finden. Schon in den 1920er Jahren bedauerte Arno Naumann, dass die Bestände nicht mehr so schön seien wie die am Lederberg (wo heute auch nur noch kümmerliche Reste wachsen) - bei einem Choleraausbruch im 19. Jahrhundert hätten die Glashütter die Büsche ihrer desinfizierenden Wirkung wegen arg dezimiert.

Vermutlich stand auf der Kalkhöhe einstmals ein Kalkofen, die ja aufgrund der Brandgefahr fast immer weit außerhalb der Ortschaften errichtet wurden (in der Lokalliteratur wird meist gemutmaßt, dass der Bergname auf die Bezeichnung "Kalte Höhe" zurückgeht, doch dies ist eher unwahrscheinlich).

Auf den Bremfeldern wurden zu DDR-Zeiten Schafe gehütet. Seit der "Wende" erfolgte auf den einzelnen Wiesen eine unterschiedliche Nutzung. Am Blütenreichtum erkannt man, welche Flächen seither regelmäßig genutzt werden. Ab dem Spätfrühling kann man hier auch das markante Zirpen der Feldgrille vernehmen. Sehr bemerkenswert ist der Ostrand der Bremfelder, wo unterhalb einer alten Bergbauhalde viele basenliebende Arten wachsen und auf einen höheren Kalkgehalt des aus einigen dutzend Metern Tiefe ans Tageslicht geholten Gesteins hindeuten: Kleiner Wiesenknopf, Rauhaarige Gänsekresse, Schwalbenwurz, Stattliches Knabenkraut und Rapünzchen.

Im Südwesten grenzt der Bremhang an die Bremfelder. Auch hier finden sich mehrere große Bergbauhalden und Einsturztrichter. Verschüttet ist unter anderem das Mundloch des Hohe-Birke-Stollns, in den auch Theodor Körner auf einer Studienreise 1809 eingefahren war. Unweit davon befindet sich einer der schönsten und interessantesten Biotopkomplexe der Gegend, mit blütenreichen Magerwiesen, Schlehengebüsch, alten Obstbäumen und großen Steinhalden. Auf besonnten, aber brachliegenden Wiesenstücken dominieren Glatthafer, Rainfarn, Brombeere und Wiesen-Labkraut. Aber es kommen auch noch Heidenelke, Thymian, Kleine Pimpinelle und Färber-Ginster vor. Schlehen und andere Sträucher machen sich breit und verdrängen die Blütenfülle. Deshalb hat die Grüne Liga seit 1999 auch hier wieder einen südexponierten Wiesenhang in Pflege genommen.


Wiesenrest am Bremhang

Zwischen zwei immens großen Bergbauhalden ("Oberer Sankt Jacob Stolln") verbirgt sich das größte sächsische Vorkommen des Stattlichen Knabenkrautes - eine einstmals im Ost-Erzgebirge gar nicht so seltene Orchidee. Über eintausend Exemplare drängen sich mitunter hier am Bremhang auf engstem Raum - ein unvergleichliches Naturerlebnis, wenn sich im Mai die purpurnen Blütenstände über das frische Grün erheben! Leider ist diese besondere Zierde der heimischen Flora auch hier nicht ungefährdet. Ahnungslose Anlieger holzen die umstehenden, für das Biotop sehr wichtigen Eschen ab und stapeln das Reisig inmitten des Orchideenbestandes; auf einem anderen Nachbargrundstück werden die Knabenkräuter zur Blütezeit von Ziegen abfressen. Umso wichtiger, dass der Förderverein für die Natur des Osterzgebirges den Hauptteil des Vorkommens alljährlich pflegt. Freunde der heimischen Orchideenwelt sollten diesen außerordentlich wertvollen Flecken Natur nur vom Wegesrand bewundern und keinesfalls betreten! Bevor eine Knabenkrautpflanze zum Blühen kommt, verbringt sie erst eine mehrjährige Jugendzeit mit wenigen Grundblättern. Diese Jungpflanzen können leicht zerdrückt und zertreten werden.


Stattliches Knabenkraut am Bremhang

Hinter der Glashütter Schule führt ein schmaler Weg an Kleingärten vorbei ins Gebiet der Hirtenwiesen, einst Zentrum des Glashütter Silberbergbaus. Seit den 1990er Jahren arbeitet ein Bergbauverein mit viel Elan daran, die historische Bergbaulandschaft wieder auferstehen zu lassen. Mehrere Stollneingänge wurden freigelegt, Teiche gegraben und ein Lehrpfad angelegt. Was bislang hier geschaffen wurde, ist wirklich sehenswert. Auch für Amphibien und Fledermäuse, die in den Stolln ihre Winterruhe verbringen, hat sich die Arbeit gelohnt. Dennoch: die alte Bergbaulandschaft sah eigentlich ganz anders aus, nämlich weitgehend waldfrei. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Hirtenwiesen mit den Fichten aufgeforstet, die heute die gemauerten Stollneingänge, die neu angelegten Pfade und Teiche in Schatten hüllen (in den letzten trockenen Sommern aber idealen Lebensraum für Borkenkäfer boten). Nur wenig ist vom einstigen Artenreichtum der Hirtenwiesen übrig geblieben, über die 1923 der Dresdner Botaniker Arno Naumann aufgrund ihrer Orchideenvorkommen schwärmte: Händelwurz, Kleines Knabenkraut und Holunder-Kuckucksblume soll es damals hier gegeben haben.


Bergbauverein in den Glashütter Hirtenwiesen

Nicht weit entfernt, aber 70 Meter höher, steht ein gern von Wanderern und Spaziergängern aufgesuchtes Naturdenkmal: die "Cunnersdorfer Linde". An dieser Stelle, auch "Ruhe" genannt, befand sich einst ein Bergbau-Huthaus, direkt an der damaligen Hauptzufahrt ins 150 Meter tiefer gelegene Glashütte. Unabhängig vom Bergmannsglück dürfte die Stelle gute Einnahmen garantiert haben: Jedes Pferdefuhrwerk, das sich auf der "Kleinen Straße" herauf gequält hatte, brauchte hier Rast - und der Kutscher vermutlich erstmal ein Bier.


Cunnersdorfer Linde

Von der Cunnersdorfer Linde hat man einen hervorragenden Blick nach Süden, der dem vom Fuße des Luchberges ähnelt.

Wo von der Kleinen Straße (in Glashütte "Cunnersdorfer Weg" genannt) der Zugangsweg zu den Hirtenwiesenstolln abzweigt, weist ein Schild auf einen kleinen Bestand der unscheinbaren, weil grün blühenden Orchidee Großes Zweiblatt hin. Gegenüber befindet sich eine Wiesenfläche, die die typische Vegetationsabfolge der südexponierten Hangwiesen um Glashütte zeigt: Im unteren Teil sammeln sich die aus dem Hang abgespülten Nährstoffe. Außerdem verhindern die südlich vorgelagerten Bäume eine zu starke Austrocknung im Sommer. Beide Faktoren zusammen bewirken, dass konkurrenzstarke Gräser und Kräuter zur Dominanz gelangen können. Hier herrschen vor allem Glatthafer, Knaulgras und Wiesen-Kerbel, reichlich Stumpfblättriger Ampfer (im Volksmund "Ochsenzunge" genannt) weist auf Weidenutzung hin. Am Mittelhang findet sich zwar eine relativ magere, aber noch nicht allzu flachgründige Wiese mit viel Rot-Schwingel, Spitz-Wegerich, Schafgarbe und Wolligem Honiggras. Das starke Auftreten der beiden letzteren Arten deutet daraufhin, dass die Beweidung nur in sehr geringem Umfang erfolgt, und die Fläche in gewisser Weise schon einer Brache ähnelt. Am Oberhang sind die meisten Nährstoffe ausgewaschen, der Boden sehr flachgründig und die Sommertemperaturen mitunter extrem hoch. Bei der dann senkrecht auf den Südhang einfallenden Sonne erwärmt sich die Luft über der Wiesenfläche, steigt auf und staut sich unter dem Trauf der oberhalb stockenden Eichen. Unter solchen Bedingungen können die "Konkurrenzstrategen" der Pflanzenwelt kaum gedeihen, geschweige denn zur Vorherrschaft kommen, dafür finden zahlreiche Wärme- und Magerkeitszeiger zusagende Lebensbedingungen. Hier sind es unter anderem Kriechende Hauhechel, Jacobs-Greiskraut und Kleines Habichtskraut.

Ein Stück abwärts der Kleinen Straße kommt man rechter Hand an einer ähnlich großen und botanisch vergleichbaren Wiese vorbei, von den Glashüttern "die Alm" genannt. Ein Vergleich ist tatsächlich sehr interessant, denn im Gegensatz zur vorher beschriebenen Fläche wird hier keine Beweidung durchgeführt. Den vorderen (südöstlichen) Teil hatte die mittlerweile verstorbene Besitzerin des angrenzenden Grundstücks bis Mitte der 1990er Jahre immer noch als Heu und Grünfutter für ihre Kaninchen gemäht, die übrigen Dreiviertel der Wiese fielen aber nach und nach brach, im hinteren Teil hatte schon eine sehr dynamische Verbuschung eingesetzt. 1997 übernahm die Grüne Liga Osterzgebirge die Pflege. Aufwendige Entbuschung und zehn Jahre mühevolle, auf die seltenen Pflanzen abgestimmte Mahd haben Erfolg gebracht: die "Alm" präsentiert sich im Mai/Juni in herrlicher Blütenpracht. Es ist zu hoffen, dass auch die neuen Besitzer der Fläche diese Arbeit fortführen. Zu den auffälligen Pflanzenarten der "Alm" gehören u.a.: Skabiosen-Flockenblume, Färber-Ginster, Pechnelke, Knolliger Hahnenfuß und Schaf-Schwingel. Im vorderen, seit Jahrzehnten gemähten Bereich kommt neben 35 weiteren Arten auch der Kleine Klappertopf vor, die letzte größere Population der Umgebung. Als einjährige Pflanze ist diese Art ganz besonders darauf angewiesen, dass die im Frühsommer reifen Samen geeignete Keimbedingungen finden. Das kann nur die sommerliche Heumahd gewährleisten.


Pechnelke

Oberhalb der Glashütter Schule befand sich einstmals ein außergewöhnlicher Schulgarten. Als in den Botanischen Gärten noch lange die Pflanzen in Reih und Glied auf Beeten gepflanzt wurden, ließ in den 1920er Jahren der sehr verdienstvolle Schulleiter Adolf Dreßel hier die typischen Biotope des Ost-Erzgebirges nachbilden, um die heimische Flora in fast natürlichem Umfeld zu demonstrieren.

Die steilen Hänge rings um Glashütte werden heute überwiegend als Gärten genutzt. Unzählige kleinere und größere Trockenmauern wurden aufgeschichtet - sehr wertvolle Biotope, die Lebensraum bieten für Flechten, Moose, Farne (unter anderem die Mauerraute, auch an der Mauer am Beginn der Kleinen Straße), Insekten, Spinnen, Reptilien und Kleinsäuger.

Orchideenschwund im Müglitztal

Früher waren die Wiesen um Glashütte berühmt für ihren Orchideenreichtum. Das gilt in gewissem Maße auch heute noch, aber die Verluste der letzten Jahrzehnte sind doch erschreckend. Großer Händelwurz ist völlig verschwunden, jeweils nur noch kleine Restbestände bestehen von Breitblättriger Kuckucksblume, Weißer Waldhyazinthe, Großem Zweiblatt. Die Holunder-Kuckucksblume hat auf einer einsamen Waldwiese ihr letztes sächsisches Vorkommen. Ebenfalls die allerletzten ihrer Art in Sachsen sind - oder waren bis vor kurzem - Kleines und Brand-Knabenkraut bei Schlottwitz. Trotz sehr aufwendiger Pflege der Wiese konnten sich die bis auf wenige Exemplare zusammengebrochenen Bestände nicht wieder erholen. Mahd ist hier offensichtlich zwar eine notwendige, aber nicht die einzige Voraussetzung, um die ehemalige Artenvielfalt der Erzgebirgswiesen zu erhalten. Bodenversauerung, Stickstoffeinträge aus der Luft, fehlender Strukturreichtum infolge ausbleibender Schaf- oder Ziegenweide und möglicherweise noch viele weitere Faktoren können Veränderungen in den Ökosystemen ober- und unterhalb der Erdoberfläche hervorrufen, die nicht so einfach von Naturschutzkräften zu reparieren sind.


Waldhyazinthenblüte

Fast alle einheimischen Orchideenarten leben in Symbiose mit bestimmten Wurzelpilzen (Mykorrhiza). Die Pilze entnehmen zwar den Pflanzenwurzeln Nährstoffe, helfen ihrem Wirt mit ihrem ausgedehnten Pilzgeflecht (Mycel) aber andererseits, die Bodenminerale nutzbar zu machen. Viele Pflanzen haben solche Partner, doch die meisten Orchideen können ohne sie nicht leben. Daher ist das - ohnehin verbotene - Ausgraben und Umsetzen auf das eigene Grundstück nur selten erfolgreich. Schrebergärten sind meistens kein Lebensraum für die Mykorrhizapilze der Orchideen. Noch schwieriger ist es, Orchideensamen zum Keimen zu bringen. Da geht ohne Mykorrhiza gar nichts. Wenig ist über diese kaum erkennbaren Untergrundbewohner bekannt, aber eines weiß man: sie mögen keinen Sauerstoffmangel (also keine Bodenverdichtung durch schwere Rinder) und keinen sauren Regen.

Ebenfalls kaum bekannt ist, was in sehr kleinen Pflanzenbeständen auf genetischer Ebene geschieht. Beispiel Holunder-Kuckucksblume: Diese ausnehmend schöne Pflanze vermag rote und gelbe Blütenstände hervorzubringen. Am Glashütter Standort kamen Ende der 1970er Jahre etwa 30 Exemplare zur Blüte, ungefähr gleich viele rote wie gelbe. Wegen mangelnder Pflege war davon Ende der 1980er Jahre nicht mehr viel übrig, nur noch zwei Holunder-Kuckucksblumen gelang es, den Grasfilz zu durchdringen - beide blühten gelb. Dank der seither erfolgten, ziemlich aufwendigen Pflege (Grüne Liga + Fachgruppe Ornithologie) hat sich der Bestand erfreulicherweise wieder etwas erholen können. Jedoch: die 15 bis 20 Pflanzen, die sich nun jedes Jahr zeigen, sind alle gelb. So wie die genetische Information "Blütenfarbe Rot" verloren gehen kann, bleiben vielleicht auch überlebenswichtige Eigenschaften auf der Strecke. "Flaschenhals-Effekt" nennen dies die Genetiker, wenn eine Population mitsamt ihres Genbestandes unter eine kritische Größe absinkt und sich bestimmte Erbdaten nicht weitervererben können.


Etwas hoffnungsvoller steht es um das Stattliche Knabenkraut, das der bekannte Botaniker Arno Naumann in den 1920er Jahren zur "Charakterorchis des östlichen Erzgebirges" erklärt hatte. Auch da gab es bis in die jüngste Vergangenheit dramatische Verluste. Früher konnte man diese sehr schöne Pflanze auf vielen Wiesen finden. Abgesehen vom Geisingberggebiet und drei oder vier weiteren Standorten im Müglitztal sind diese Wiesenvorkommen komplett verschwunden. Seinen mit Abstand größten sächsischen Bestand hat die "Manns-Orchis", wie die Art früher genannt wurde, am Glashütter Bremhang, wo ca. eintausend Exemplare auf wenigen Quadratmetern im Mai einen purpurroten Teppich zaubern. Außerdem kann man sie am Fuße des Luchberges bewundern. Aber auch hier hat sie sich aus den Wiesen zurückgezogen. Das Stattliche Knabenkraut steht jetzt meist unter lichten Vorwäldern aus Eschen, in Glashütte vor allem am Rande alter Bergbauhalden. Mit ziemlicher Sicherheit ist dies eine Folge der zunehmenden Bodenversauerung. Bis vor fünfzig Jahren wurden die meisten Wiesen noch mehr oder weniger regelmäßig gekalkt - heute unterliegen sie hingegen der Berieselung mit saurem Regen. Die Glashütter Bergbauhalden können dies etwas ausgleichen, denn das von den Bergleuten zutage geförderte und abgelagerte taube Gangmaterial ist kalzium- und magnesiumreich. (In den Stolln selbst gibt es Kalksinterablagerungen, die auch schon von Theodor Körner gesammelt wurden, der 1809 das Glashütter Bergrevier besuchte.)

Eschen wiederum haben von allen heimischen Baumarten das größte Vermögen, Erdalkalien aus größeren Tiefen über ihre Wurzeln aufzunehmen und in ihre Blätter einzulagern, die dann im Herbst schnell zersetzt werden und ihre Nährelemente in den Oberboden freigeben.

Trotz aufwendiger Pflege: die Situation der meisten einheimischen Orchideenarten ist ernst! Gerade bei kleinen Populationen kann der unachtsame Tritt eines Pflanzenfotografen verheerende Konsequenzen haben. Bevor eine Orchidee blühen kann, braucht sie mehrere Jahre zum Erwachsenwerden. Die mehr oder weniger unscheinbaren Blättchen können leicht übersehen und zerstört werden.

Deshalb stehen die Standorte der Raritäten nicht in diesem Naturführer. Aber auch die größeren, scheinbar noch intakten Bestände sind sehr fragil. Daher hier der erhobene Zeigefinger und die dringende Ermahnung: Bitte auf den Wegen bleiben und die Orchideenvorkommen keinesfalls betreten - und mögen die Fotomotive noch so reizvoll sein!