Über zweihundert Höhenmeter steigt unvermittelt die steile Wand des Lederberges aus der Müglitzaue empor, während der 447 Meter hohe Gipfel von Westen, von der Hochfläche aus nicht viel mehr ist als eine weitere der in diesem Gebiet recht zahlreichen Waldkuppen. Die Müglitz hat für ihren Lauf eine tektonische Störung genutzt, die fast rechtwinklig einen besonders breiten Quarzporphyrzug des "Sayda-Berggießhübler Gangschwarmes" durchschnitten hat. Seitenerosion war in diesem harten Gestein nicht möglich, und so entstand dieser außergewöhnlich schroffe Steilhangbereich. Einzelne Porphyr-Felsklippen ragen heraus (die größte wird von den Schlottwitzern "Gake" genannt), außerdem bedecken einige bemerkenswert große Blockfelder die Hänge.
Diese Steinmeere gehen in ihrer Form auf die Eiszeit zurück und sind in erster Linie das Ergebnis physikalischer Verwitterung. In die Klüfte drang - und dringt heute natürlich immer noch - Wasser ein. Beim Gefrieren dehnte sich das Eis aus und übte großen Druck auf das Gestein aus. Mit dem nächsten Tauen kam erstmal wieder Entspannung, die Bindungskräfte der Mineralkörner wurden geringer. Bei ausreichend häufiger Wiederholung des Vorgangs brachen schließlich die groben Steine aus dem Felsen. Chemisch-biologische Verwitterung hingegen findet in dem harten, sauren Gestein hingegen nur in geringem Ausmaß statt. Und so lösen sich die Blöcke nicht weiter auf, es bildet sich daher auch nur wenig Boden.
Dementsprechend gedeiht auf den Felsen, den Blockmeeren und flachgründigen Kuppen auch nur eine spärliche und wenig artenreiche Vegetation. Rasche Austrocknung an den Oberhängen und auf den Felsklippen macht es dem Wald zusätzlich schwer. Krüpplige Eichen, Birken und Kiefern erreichen dort kaum fünf Meter Höhe. Auf den nährstoffarmen Böden wachsen Heidekraut, Maiglöckchen, Wiesen-Wachtelweizen, Echte Goldrute und verschiedene Habichtskrautarten.
Andererseits besteht das Naturschutzgebiet nicht nur aus Quarzporphyr, sondern auch aus Gneis. Dort haben die von der Höhe ablaufenden Niederschläge einige steile, teilweise fast schluchtartige Hangmulden geschaffen, in denen während Regenzeiten kleine Bächlein zu Tale stürzen. Hier sorgen üppige naturnahe Edellaubholzbestände für Vielfalt. Esche, Berg-Ahorn, Buche, Winter- und Sommer-Linde, Trauben-Eiche sind bunt gemischt, Ebereschen und sehr große Haselsträucher bilden eine zweite Baumschicht, Schwarzer und Hirsch-Holunder die Strauchschicht. Wo oberflächennah genügend Feuchtigkeit zur Verfügung steht, herrschen Gewöhnlicher Wurmfarn und Wald-Frauenfarn vor. An feuchten Felsstandorten ist recht zahlreich der Tüpfelfarn zu finden.
Ähnlich reich sind die Waldbestände auf einigen Schuttkegeln am Hangfuß des Lederberges, unmittelbar hinter den Häusern und Gärten. Hier wachsen Hainbuchen mit Baumhöhen von zehn bis fünfzehn Metern, wie man sie im Ost-Erzgebirge in diesen tiefsten, wärmebeeinflussten Lagen findet. In der Bodenvegetation finden sich unter anderem Wald-Bingelkraut, Goldnessel, Hohler Lerchensporn, Bär-Lauch und Süße Wolfsmilch.
Felsige Steilhänge über Gneis unterscheiden sich von den benachbarten Porphyrbereichen teilweise recht deutlich. Auch hier reicht der Bodenwasserhaushalt nicht für große Bäume, aber die bessere Ausstattung der Böden mit wichtigen Pflanzennährstoffen ermöglicht wesentlich mehr Pflanzenarten ein Auskommen. Insbesondere südexponierte Hänge wie an der Hirschsteigkuppe haben einen typischen Färberginster-Traubeneichenwald hervorgebracht. Zu den bereits für die Porphyrklippen genannten Magerkeitszeiger treten neben der namensgebenden Art der Waldgesellschaft unter anderem Schwärzender Geißklee, Schwalbenwurz und Pechnelke. Etwas besser wasserversorgte Standorte beherbergen die wärmeliebenden Pflanzen Großblütiger Fingerhut, Pfirsischblättrige Glockenblume und Salomonsiegel (sowie deren ähnliche, aber viel häufigere Verwandte, die Vielblütige Weißwurz).
Die größte Besonderheit des Lederberges indes ist dessen Eibenbestand, einschließlich der bekannten "1000-jährigen Eibe". Mit mehreren Dutzend Exemplaren gilt dieses Vorkommen als der größte natürliche Bestand in Sachsen (wenn auch im Bereich des "Edelmannsteigs" möglicherweise irgendwann mal etwas nachgeholfen wurde - hier scheinen die Bäume in mehr oder weniger regelmäßigen Reihen aufgewachsen zu sein).
Einstmals müssen die urtümlichen, dunkelgrünen Nadelgehölze gar nicht so selten gewesen sein. Von Natur aus wären Eiben vor allem in den nährstoffreicheren Laubmischwäldern West- und Mitteleuropas zu Hause. Doch mehrere Eigenschaften haben natürliche Vorkommen inzwischen sehr rar werden lassen: Erstens fanden bereits die Menschen im Mittelalter das zähe Holz für vielerlei Verwendungen sehr geeignet, zum Beispiel für Armbrüste und Bögen. Sogar noch früher wusste man die Qualität des Eibenholzes schon zu schätzen: "Ötzi", der 3000 Jahre alte Alpen-Gletschermann, trug einen Bogen aus - Eibe.
Zweitens: abgeholzte Eiben wachsen nur sehr langsam nach. Drittens kostete die Giftigkeit des Baumes (alle Teile, außer dem roten Fruchtmantel der "Beeren") früher wohl vielen Pferden das Leben, weswegen Pferdefuhrwerksbesitzer angeblich Eiben beseitigten, wo immer sie mit ihren Kutschen unterwegs waren. Jedoch scheint - viertens - diese Giftigkeit nicht für alle Tiere zu gelten. Rehe jedenfalls fressen mit Vorliebe junge Eiben, was die Regeneration der Bestände zusätzlich erschwerte. Und immer noch erschwert. Am Schlottwitzer Lederberg werden deshalb seit den 1990er Jahren kleine Eibensämlinge mit Drahtkörben geschützt.
Wegen all dieser widrigen Umstände gibt es Eiben heute kaum noch in den ihr eigentlich viel besser zusagenden Laubmischwäldern. Nur an Extremstandorten wie den Steilhängen von Müglitz und Seidewitz konnten sich einzelne Bestände erhalten. Größerer Beliebtheit erfreuen sich Eiben hingegen als Ziergehölze in Parks und Friedhöfen. Dabei handelt es sich jedoch um Zuchtformen, nicht selten beispielsweise um Kreuzungen mit der Japanischen Eibe. Die mancherorts zu beobachtende Ausbreitung dieser Kultureiben könnte daher nicht unproblematisch sein.
Das tatsächliche Alter der "1000-jährigen Eibe" ist übrigens nicht mehr zu ermitteln, zu verwachsen sind die Stammwülste, und im Inneren klafft ein Hohlraum. Aber 3,50 Meter Stammumfang sind immerhin sehr beachtlich.
Eine weitere, inzwischen sehr seltene Gehölzart des Lederberges ist der Wacholder. Nur noch wenige, kümmerliche Exemplare haben sich bis heute behaupten können. Vor einhundert Jahren soll es davon viel mehr gegeben haben. Aber damals bot der steile Müglitzhang auch noch ein vollkommen anderes Bild. Hier wurden in der Vergangenheit Ziegen gehütet, die mit Freude auch die Zweige von Sträuchern und jungen Bäumen beknabberten. Die einzigen Gehölzarten, die sie dabei verschmähten, waren Eiben und Wacholder. Letzterer gilt allgemein als Weidezeiger früherer Hudelandschaften. So licht der seither aufgewachsene Wald aus krüppeligen Eichen und Birken auch scheinen mag, für die sonnenhungrigen Wacholdersträucher ist das offenbar bereits zu viel Schatten. Doch auch an Stellen, wo nach wie vor reichlich Licht hingelangt, kümmert der Wacholder. Eine Erklärung dafür konnte bisher nicht gefunden werden.
Und über noch eine weitere seltene Gehölzart gibt es Interessantes anzumerken: die Weiß-Tanne. Eigentlich benötigt diese einstige Hauptbaumart der Bergwälder ausreichend Feuchtigkeit und Nährstoffe im Boden. Beides ist knapp am Lederberg, dennoch können sich immer noch einige Tannen behaupten - während die von Menschenhand gepflanzten Fichtenforsten in den trocken-heißen Sommern der letzten Jahre von Borkenkäfern arg dezimiert wurden. Als nach der letzten Eiszeit die Bäume aus ihren südeuropäischen Refugien nach Mitteleuropa zurückkehrten, wanderten die Tannen einerseits westlich um die Alpen herum und gelangten so bis ins mittlere Erzgebirge. Die Tannen des Ost-Erzgebirges hingegen nahmen den Weg über den Karpatenraum. Dort ist das Klima viel kontinentaler, also auch trockener. Wahrscheinlich haben sich die Weiß-Tannen daran angepasst und die Fähigkeit, Durststrecken zu überdauern, auch in ihren Genen gespeichert. Diese Eigenschaft dürfte ihnen unter den Bedingungen des Klimawandels noch sehr nützlich sein.
Mehrere Wege erschließen das Naturschutzgebiet "Müglitzhang bei Schlottwitz". Ein steiler Pfad ("Edelmannsteig") steigt hinauf zur Hangkante, wo zwei Informationstafeln den Panoramablick nach Westen und, wenige Schritte entfernt, nach Osten erläutern. Der zweite Wanderweg führt in halber Höhe am Hang entlang, zunächst auf einem im Ersten Weltkrieg von Kriegsgefangenen begonnenen, aber nicht fertig gestellten Fahrweg. In den 1990er Jahren wurden im Rahmen von Beschäftigungsmaßnahmen die teilweise mehrere Meter hohen Trockenmauern saniert und damit auch ein wertvoller Lebensraum für Wald- und Zauneidechsen bewahrt.
Bevor man, von Süden kommend, auf diesem Wanderweg dann die "1000-jährige Eibe" erreicht, überquert man die eingangs erwähnten Porphyr-Blockfelder. Diese seien natürlicherweise waldfrei, weil der Boden so nährstoffarm ist und Niederschlagswasser sofort zwischen dem Geröll verschwindet. Doch ob dies so ganz stimmt, mag bezweifelt werden. Langsam, aber stetig erobern sich Eichen, Birken, Ebereschen, Hasel, Berg-Ahorn und Vogelkirschen auch diesen unbequemen Lebensraum. Sicher hatten einstmals auch hier die Ziegen nachgeholfen, die Gehölze von den Blockhalden fern zu halten.